Meschede. Die Meschederin Angela Hoppe berichtet von ihrer Flucht aus der DDR. Der Leidensdruck war damals Jahr für Jahr gewachsen.
„Das Glück des Menschen ist die Freiheit und die Freiheit braucht Mut.“ Ein Satz, der passt – zur Geschichte von Angela Hoppe und auch zu dem Tag, der sich am kommenden Samstag, 3. Oktober, zum 25. Mal jährt – die deutsche Wiedervereinigung. Als sie feststellte, dass es keinen offiziellen Festakt in Meschede zu 25 Jahren Wiedervereinigung gibt, hat sie im Bürgertreff vorgeschlagen, eine Feier zu organisieren.
„Denn das ist doch eine Geschichte, auf die wir alle stolz sein können“, sagt sie und schiebt nach: „Und vor allem dankbar, denn es hätte doch auch ganz anders kommen können.“
Sieben Stunden unter Lkw-Sitzen
Angela Hoppe kam im Jahr 1979 mit ihrem Mann Hansjörg nach Westdeutschland. Auf einem Schiff, das Lkw und Mähdrescher in den Irak liefern sollte. Die damals 19-Jährige und ihr 27-jähriger Mann kauerten sieben Stunden unter Lkw-Sitzen, während die Schweißhunde der Grenzer nebenan wie wild anschlugen, aber – Gott sei Dank – niemand die Flüchtlinge im Lkw entdeckte. Das Paar hatte – vom ersten Gedanken an den konkreten Fluchtplan bis zur Tat – sechs Wochen lang vor allem eins diskutiert: „Halten wir das aus, wenn man uns findet, wenn wir ins Gefängnis müssen?“ Die psychischen Folter-Methoden der Stasi waren berüchtigt. „Wir waren jung und glaubten fest an einen Freikauf durch den Westen, denn die DDR brauchte Devisen“, berichtet Angela Hoppe. Später, als sie nach der Wende mehr über die Zustände in den Stasi-Gefängnissen erfuhr, dachte sie manches Mal: „Es war noch schlimmer als wir es uns vorstellten, doch der Freiheitswille hätte uns hoffentlich genug Kraft gegeben, das durchzustehen.“
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Zu viel nachgefragt
Und der Leidensdruck war Jahr um Jahr gewachsen. Angela Hoppe als Pfarrerstochter stand in vielen Dingen außerhalb der DDR-Gemeinschaft. „Obwohl ich noch Glück hatte, dass ich die Oberschule besuchen und Abitur machen durfte.“ Ihren Wunsch, Ärztin zu werden, erlaubte der Staat nicht.
Ihr späterer Mann war mehrmals angeeckt. Vereinte er doch bis heute einen unbändigen Freiheitsdrang und Diskussionsfreude. „Er hat zu viel nachgefragt. An der Abendschule, wo er kurz vor dem Ende des Abiturs stand, hat man ihn einfach links liegen gelassen. Er wurde nicht mehr drangenommen, Arbeiten wurde nicht anerkannt. Heute würde man sagen, er wurde gemobbt“, berichtet seine Frau.
Zwei missglückte , aber nicht entdeckte Fluchtversuche über Polen und Ungarn lagen schon hinter ihm. Er wollte es auf legalem Wege versuchen. Der Ausreiseantrag war gestellt, als er seine spätere Frau kennenlernte. Beruflich aufs Abstellgleis geschoben, bekam er nur noch als Friedhofshelfer bei der Kirche einen schlecht bezahlten Job. „Damit wir heiraten konnten, musste Hansjörg seinen Ausreiseantrag zurückziehen. Dann erhielt er auch wieder seinen Ausweis und einen Job.“ Angela Hoppe begann in Berlin an der Charité ihr Fachschulstudium zur Krankenpflegerin. Dort hatte sie ein Schlüsselerlebnis: Kindergartenkinder hatten zum 30. Geburtstag der DDR fahnenschwenkend ihre Treue zum Arbeiter- und Bauernstaat in Appellform stehend bejubeln müssen. „Das wollte ich für meine Kinder nicht! Anschließend war mir klar, ich wage die Flucht“, erinnert sich die heute 55-Jährige.
Währenddessen arbeitete ihr Mann als Kfz-Mechaniker für einen Betrieb, der Lkw herstellte und über Rostock in die ganze Welt verschickte. Sein Job war es, die Lkw, manchmal auch im Rostocker Hafen, zu reparieren, nicht sie aufs Schiff zu fahren. Und doch schaffte er es, sich und seine Frau unter den Sitzen zu verstecken – mit Mut, guter Vorbereitung und einer großen Portion Glück und Abgebrühtheit.
Nach Überraschung geblieben
Eine notwendige Reparatur führte das Schiff dann doch nicht in den Irak, sondern erstmal nur bis Kiel in die nächste Werft. Dort ging auch das ostdeutsche Paar von Bord. „In Meschede sind wir gelandet, weil wir Verwandte meines Mannes überraschen wollten“, erzählt Angela Hoppe, „und geblieben sind wir, weil es hier viele nette Leute gab, die uns sofort geholfen haben und die Landschaft mich berührte.“ Beide genießen bis heute die Freiheit zu sagen, was sie denken, und zu reisen, wohin sie wollen. Und sie wissen, dass all das nach wie vor in unserer Welt nicht selbstverständlich ist.