Meschede. .

Die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) ist die kleinste und wohl auch unbekannteste islamische Glaubensrichtung in Meschede – eine eigene Gemeinde gibt es seit 2004 nicht mehr. Die Mescheder Ghafoor Mohammad und sein Sohn Sultan, Doktorand der TU Dortmund, gehören der Ahmadiyya an. Inzwischen gibt es Bestrebungen, wieder eine eigene Gemeinde Meschede entstehen zu lassen. Der Gründungsprozess ist inzwischen eingeleitet.

Die Geschichte

Mirza Ghulam Ahmad gründete die Ahmadiyya in den 1880er-Jahren. Die Gemeinschaft versteht sich als Reformbewegung: Wie Christen glauben sie an einen Messias in Gestalt ihres Gründers. Ahmad bezeichnete sich als der vom Propheten Mohammed angekündigte Mahdi und verstand sich als die prophezeite Wiederkunft Jesu Christi, Krishnas und Buddhas in einer Person. „Im Unterschied zu anderen Muslimen glauben wir, dass der Erlöser und die Endzeit schon gekommen sind“, so Sultan Mohammad.

Endzeit sei nicht gleichbedeutend mit Ende der Welt. Vielmehr sei es eine Zeit, in der der Glaube kaum noch eine Rolle spiele. Der Reformer oder Mahdi erschaffe nichts Neues, sondern bringe Gläubige wieder zurück zum ursprünglichen Islam. „Es gibt keine neue Lehre, kein neues Gesetz. Der Kalif und seine Nachfolger lehren die ursprüngliche und friedvolle Lehre des Islam als Richtschnur in der heutigen Zeit“, sagt Sultan Mohammad. Der Verfassungsschutz charakterisiert die deutschen Ableger der AMJ als unauffällig, integrationswillig und friedlich.

Die erste Ahmadiyya-Moschee nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den 50ern in Hamburg gegründet. Die Familie Mohammad kam in den 70ern nach Meschede, in dieser Zeit ließen sich viele muslimische Emigranten aus Indien und Pakistan in der Region nieder. Der Grund: Nach geänderter Gesetzeslage im mehrheitlich muslimischen Pakistan wurden Anhänger der Ahmadiyya verfolgt, viele emigrierten in den Westen.

Die Moschee

Ein eigenes Gebetshaus existiert nicht in Meschede. Von 1981 bis 2004 gab es hier eine Gemeinde der Ahmadiyya mit bis zu 40 Mitgliedern. Während dieser Zeit war Ghafoor Mohammad der Vorsitzende, die Gemeinde traf sich in Privaträumen. Später stellte die Stadt Meschede den Ahmadis einen Raum im Campus zur Verfügung. Wegen sinkender Mitgliedszahlen, überwiegend aufgrund von Wegzügen, löste sich die Gemeinde auf und schloss sich der Iserlohner Gemeinde mit ihren etwa 100 Mitgliedern an. Zuletzt zählte die Gemeinde in Meschede 18 Gläubige.

Aufgrund der räumlichen Entfernung nehmen die Mescheder Mitglieder der Iserlohner Gemeinde nur sporadisch an den wöchentlichen Freitagsgebeten teil. „Wir beten meist zuhause“, sagt Ghafoor Mohammad. „Laut dem Propheten ist die ganze Erde eine Moschee – man kann überall beten“, sagt Sultan Mohammad. Einmal im Monat finden am Wochenende Treffen der gesamten Gemeinde statt. Sie dienen organisatorischen Fragen, dem religiösen Austausch oder Vorträgen. Derzeit wird in Iserlohn eine eigene Moschee gebaut.

Der Glaube

Vergleichbar dem Papsttum verehren Ahmadis den demokratisch gewählten Kalifen als spirituelles und geistiges Oberhaupt und begreifen ihn als den verheißenen Messias und Mahdi – ausdrücklich ohne politische Funktion.

Der derzeitige Amtsinhaber Hadhrat Mirza Masroor Ahmad lebt in London und ist der fünfte Kalif. Er vertritt die fünf Grundwerte Barmherzigkeit gegenüber allen Menschen, absolute Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit von Frau und Mann, Trennung von Religion und Staat, Beendigung gewalttätiger Aktionen im Namen der Religion sowie die Menschenrechte, wie sie im Koran festgelegt wurden.

Im Rahmen ihrer Wanderausstellungen distanzieren sich die Anhänger der Ahmadiyya ausdrücklich vom so genannten Dschihad: „Das Wort bedeutet dreierlei. Den Kampf gegen das eigene Ego, die Verkündung der Lehre und nur als ultimatives Mittel die Verteidigung des eigenen Lebens“, sagt Mohammad.

Der Dialog

Unter anderem in Hessen hat die Ahmadiyya Muslim Jamaat den Status als Körperschaft öffentlichen Rechts – wie katholische und evangelische Kirche. Sie ist dort beteiligt an der Lehrplangestaltung für islamischen Religionsunterricht an Schulen. In Nordrhein-Westfalen beteiligen sich die Gemeinden beispielsweise an Müllsammlungs-Aktionen, in größeren Städten finden so genannte Charity Walks statt, bei denen Geld für einen wohltätigen oder gemeinnützigen Zweck gesammelt wird.

Die Ahmadiyya lädt wie viele andere Moscheeträger auch zu Moscheeführungen ein; die Freitagsansprachen des Kalifen werden ins Deutsche übersetzt. Mit den Wanderausstellungen stellen die Gemeinden ihren Glauben und die Geschichte ihrer Gemeinschaft vor.

Aufgrund ihrer zeitgemäßen Interpretation des Islam wird die Ahmadiyya von vielen orthodoxen Muslimen als häretisch, also verbannenswert, gebrandmarkt und in fast allen islamischen Ländern verfolgt.