Bestwig. . Busfahrer müssen viel aushalten – und nicht immer bleibt es bei Gemecker. Zwei Bus-Unternehmen haben jetzt 180 Busfahrer in Deeskalation geschult.
Busfahrer Harald Bender wirft einen prüfenden Blick auf das Ticket des Fahrgastes: „Das ist ungültig“, sagt er. Ruhig und bestimmt. Walter Engelschalk passt die Antwort nicht. Er regt sich richtig auf, hängt sich mit seinem ganzen Körpergewicht über die Absperrschranke und brüllt den Bus zusammen: „Das stimmt nicht. Gib’ den Fahrschein wieder her.“ Bender schützt sich, weicht Richtung Scheibe zurück, redet unaufgeregt weiter auf den aufgebrachten 62-Jährigen ein. Die Situation entkrampft sich.
Schnitt. Die Szene ist gestellt. „Alles richtig gemacht“, sagt Engelschalk. Er ist Kommunikationstrainer, weiß mit kniffligen Situationen im Alltag umzugehen. Der pensionierte Kriminalbeamte verfügt über einen reichen Fundus an Menschenkenntnis.
Keine Kampfsporteinlagen
Was ist wichtig, um wutentbrannte, alkoholisierte oder ständig meckernde Fahrgäste zu beruhigen? „Auf jeden Fall nicht mit Kampfsporteinlagen“, sagt Engelschalk. „In einem zweitägigen Kurs lassen sich keine wilden Techniken beherrschen.“ Sein Rat? „Der Busfahrer muss versuchen, sich mit dem pöbelnden Fahrgast auf eine Ebene zu begeben.“
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Das heißt? „Er sollte nicht auf sein Hausrecht pochen. Nicht jeder hat immer einen guten Tag. Er sollte nicht gleich zurückkläffen.“ Auch wenn der Fahrgast den Intimkreis verletze, ihn also zum Beispiel an der Schulte anfasse, sollte er nicht überhart reagieren, dürfe dabei aber seine eigene Sicherheit nicht vergessen.
Unliebsame Begegnungen
Unliebsame Begegnungen nehmen die Busfahrer, je länger sie im Dienst sind, desto wahrscheinlicher, mit nach Hause. Mal hat der Fahrgast kein Geld, mal nur einen dicken Geldschein, mal regt er sich lautstark über die Umleitung auf, mal ist er stark alkoholisiert und nervt. Engelschalk: „Stress, der erheblich belastet, der nicht einfach weggedrückt werden kann. Viele Busfahrer haben Rücken oder es mit dem Magen.“ Wie kommt der Berufsfahrer als nach einem ungemütlichen Tag zur Ruhe? „Mit Bewegung. Dabei wird Energie frei und das tut gut.“
Bender hört gut zu. Der Freudenberger, er fährt auf der Strecke Altenhundem-Schmallenberg-Meschede, fühlt sich verstanden. Seit vierzig Jahren fährt er Bus. Mit dem Alter reagiert er genervter. „Ich will versuchen, meinen Ärger besser in den Griff zu bekommen und versuchen, mehr Distanz zu den Vorkommnissen aufzubauen.“
Ist es denn im Alltag mit den Jahren schlimmer geworden? „Auf jeden Fall. Die Leute sind aggressiver und hektischer geworden. Es fällt schwerer, alles so von sich abprallen zu lassen.“
Die Hemmschwelle, dem Busfahrer Unverschämtheit an den Kopf zu werfen, ganz gleich, ob es Kinder oder Erwachsene seien, sei spürbar gesunken. „Die Respektlosigkeit gegenüber dem Fahrer nimmt zu.“ Ob er schon einmal Opfer eines übergriffigen Fahrgastes geworden sei? „Nein. Gott sei Dank nicht.“
Erfahrungsaustausch
Handgreiflichkeiten oder gewalttätige Auseinandersetzungen mit dem Fahrer lassen sich nach Angaben von Martin Raabe, Betriebsleiter des DB-Unternehmens Busverkehr Ruhr-Sieg (BRS), an einer Hand abzählen: „Wichtig ist es für die Fahrer, Selbstbeherrschung zu lernen, damit es nicht zu einer Eskalation kommt. Der Ton im Umgang wird rauer. Das ist ein gesellschaftliches Problem.“
Mit dem Training wolle man den Fahrern den Rücken stärken und ihre Fähigkeit schulen, „mit brenzligen Situationen umzugehen“. Allen sei schließlich an einem reibungslosen Miteinander gelegen. Nicht zuletzt diene die Schulung auch dem Erfahrungsaustausch der Busfahrer: „Sie sind in der Regel ja nie zu zweit unterwegs.“