Meschede. . Am 9. November 1989 saßen sie beide vor dem Fernseher. Simone Köster in Freienohl und Jörg Steiner in Zwickau. Beide waren 15 Jahre und sagen im Rückblick: „So richtig realisiert haben wir damals nicht, was da passierte.“

Heute - 25 Jahre nach dem Mauerfall und 24 Jahre nach der Wiedervereinigung - sind sie ein Ost-West-Paar. Ihre zwei Jungs, Yannick und Maurice, sind 14 und 12 Jahre alt. Etwa so alt, wie sie selbst damals bei der Maueröffnung waren. Wir wollten wissen, wo man Ost und West im Alltag noch merkt.

Essen

Vor allem beim Essen, da ist sich die Familie einig. „Mein Mann isst sogar Pferdefleisch“, sagt Simone Steiner und schüttelt sich. „Das gehört für mich nicht zur Nahrungskette.“ Beim Matschbrötchen, also ein Schokokuss im Brötchen, da bekommt dagegen Jörg Steiner das kalte Grausen. Und Nutella? - Da greift er doch lieber zu Nudossi. „Bambini-Schokolade und Halloren-Kugeln - viele alte Ostprodukte gibt es in Bruchhausen. Da fahre ich schon mal extra deswegen hin“, erzählt er. Manches kocht ihm auch seine Frau - Soljanka, den russischen Resteeintopf, zum Beispiel. Bei der Erinnerung an Eierschecke - einen luftigen Käsekuchen - bekommt der 40-Jährige leuchtende Augen. Und die Kinder? Die mögen beides, mal mehr mal weniger.

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Trinken

Jörg Steiner hat als 15-Jähriger Zwickau verlassen. Ostgetränke - das sind deshalb für ihn vor allem Kindergetränke. Cola, Sprite und Lift nennt seine Frau als „Sehnsuchts-Produkte“ ihrer Kindheit. Für ihren Mann ist das dann eher Fassbrause. Aber nicht die der heimischen Veltins-Brauerei. „Das hat für Ostdeutsche mit Fassbrause nichts zu tun“, sagt er. Brause muss nach Brausepulver schmecken. Mit Himbeergeschmack hat er sein Kindheitsgetränk als Saisonware im Discounter entdeckt. „Dann wird gleich ein großer Vorrat gekauft“, sagt er und schmunzelt.

Fernsehen

Aufs Kinderfernsehen der DDR lässt Jörg Steiner nichts kommen. „Die Märchen gucke ich heute noch gern“, sagt der 40-Jährige. „Der kleine Muck“ oder „Das Feuerzeug“ gehörten zu seinen DEFA-Lieblingsfilmen, während seine Frau mit Pipi Langstrumpf, Ronja Räubertochter, Flipper und dem sprechenden Pferd „Mister Ed“ aufwuchs. „Und die Olsenbande, eigentlich eine dänische Produktion, gucke ich heute noch gern.“ Als er älter wurde, sah er - wie seine Frau im Westen - „Wetten, dass!“ Die Sendung „Das Traumschiff“ allerdings war im Hause Steiner immer mit echtem Fernweh besetzt. „Da konnte man mal die Länder sehen, in die wir alle nicht reisen konnten.“

Kindererziehung

„Ost und West merkt man in der Erziehung nicht“, sagen Yannick und Maurice, „eher Mama und Papa.“ Simone Steiner glaubt, dass sie den Kindern mehr technisches Spielzeug erlaubt. „Mein Mann ist da strenger, nach dem Motto, ,das habe ich auch nicht gebraucht’“, sagt sie. „Alles Elektronische und Technische war im Osten sehr teuer“, erklärt er. Ihm ist wichtig, dass seine Kinder selbstständig werden, lernen eigene Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen auch fertig zu werden. „Ich bin für eine klare Linie.“

Schule

Simone Steiner besuchte die Realschule am Eichholz in Arnsberg. Eine Oberschule, die alle Kinder eines Bezirks besuchten. So ist Jörg Steiner aufgewachsen. „Als ich mit 15 Jahren nach Meschede kam, bin ich deshalb auf die nächstliegende Schule gegangen“, sagt er. Das war damals die Franz-Stahlmecke-Schule. „Die waren im Stoff aber viel weiter zurück als wir, wahrscheinlich hätte ich auch die Realschule geschafft“, vermutet er im Rückblick. „Aber ich hatte das Schul-System im Westen nicht verstanden.“ Seine Jungs besuchen heute die St.-Walburga-Realschule.

Kirche

„Ich bin nicht getauft und kann mit Religion auch nichts anfangen“, gibt Jörg Steiner unumwunden zu. Seiner Frau dagegen ist die religiöse Erziehung der Kinder wichtig. Beide Jungs sind Messdiener.

Mobilität

Simone Steiners Eltern fuhren - gleichberechtigt - mit dem VW Passat. Im Osten wartete man auf ein Auto mindestens 15 Jahre. Jörg Steiners Mutter hatte keinen Führerschein. „Als mein Vater starb, haben wir alles mit dem Rad gemacht“, berichtet er.