Nach der Rost-Kur erstrahlt die "Oma" in neuem Glanz
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Menden. Auf dem Hof der Freiwilligen Feuerwehr, Löschzug Menden-Mitte, ist ein Kran aufgebaut. Ein altes, halbfertiges Feuerwehrauto steht herum. Aus der Halle kommen Klopfgeräusche und Stimmen — jemand scheint zu arbeiten. Ein ganz normaler Werktag?
Nein, denn in wenigen Minuten soll hier eine Hochzeit stattfinden. Vom Brautpaar und den Gästen fehlt jedoch jede Spur.
In der Halle steht keine Hochzeitsgesellschaft, sondern eine Feuerwehrmannschaft, die sich um einen roten Blechkasten versammelt hat. Es könnte sich dabei um das Führerhaus eines Lkw handeln. Der Zugführer des Löschzugs Menden-Mitte, Jürgen Dinslage, löst die Verwirrung auf. „Hochzeit ist ein Begriff aus der Auto-Industrie. Es ist der Moment, in dem der Rahmen des Wagens mit dem Aufbau, der Kabine, verbunden wird.”
Zehn Männer montieren gerade die Türen der Kabine ab. „Ich krieg' den Bolzen nicht raus”, ruft jemand. Türen von alten Feuerwehrautos sind also sehr solide verschraubt. Trotzdem müssen sie jetzt abmontiert werden, damit die 200 Kilo schwere Kabine an den Kran gehängt werden kann. „Das Tanklöschfahrzeug wurde 1956 gebaut”, erzählt der Löschzugführer.
Bis Anfang der 1980er-Jahre war das TLF für die Mendener Wehr im Einsatz, bis es dann in den Ruhestand ging. Zwei Jahrzehnte lang nagte nun der Rost ungestört, bis sich vor drei Jahren einige Feuerwehrleute dazu entschlossen haben, den Oldtimer, von den Schraubern liebevoll „Oma” genannt, zu restaurieren. Dafür wurde es in seine Einzelteile zerlegt. „Allein das Führerhaus musste mit fünf Quadratmetern Blech ausgebessert werden”, erläutert Jürgen Dinslage. „Zum Glück hatten wir bei unserem Projekt die Firma Krufczyk als kompetenten Partner an unserer Seite. Ohne deren fachmännisches Dazutun hätten wir die Blecharbeiten nicht stemmen können.”
Nun der große Moment. Jürgen Dinslage zieht den Oldtimer mit einem Gabelstapler unter das Führerhaus, das an vier Seilen in der Luft hängt. Helmpflicht für alle Leute in der Nähe. Noch einmal vor und zurück rangiert, und schon steht das Fahrzeug perfekt. Die „Hochzeitszeremonie” kann beginnen.
Ein spannender Moment auch für Georg Brinkschulte, der seit Beginn zum harten Kern der Restaurierer gehört und viele hundert Stunden Rost entfernt hat. „Das Familienleben hat gelitten, weil wir hier so viel geschraubt haben. Aber für diesen Moment hat es sich gelohnt.”
Bei der kirchlichen Hochzeit wäre man jetzt an dem Punkt angelangt, bei dem sich das Brautpaar das Ja-Wort gibt. Bei der Oldtimer-Hochzeit hingegen hat jetzt „der Chef” die Aufgabe, das Herablassen der Kabine zu koordinieren. Noch schnell das Lenkrad abmontiert, damit es nicht im Weg ist, und dann verläuft alles ganz unspektakulär. Mit einem trockenen „Ja, runter” gibt der Zugführer das Kommando. Ein paar Korrekturen, und es ist vollbracht. Rahmen und Aufbau sind miteinander vereint.
„Das Familienleben hat gelitten, weil wir hier so viel geschraubt haben.” Georg Brinkschulte
Vor Beginn der Restaurierung wurde das Tanklöschfahrzeug detailliert fotografiert, um es nachher genau so aufbauen zu können. „Trotzdem kommt es vor, dass wir uns mit Abmessungen mal etwas vertun”, erklärt Georg Brinkschulte. Als besondere Herausforderung stellte sich der Wassertank dar. „Wir wollen wieder ein voll funktionsfähiges Auto haben, deshalb darf der Tank nicht nur von außen glänzen”, so die Erklärung der Hobbytüftler. Wegen des geringen Sauerstoffgehalts und der Giftstoffe war einer der Schrauber mit Sauerstoffmaske zwei Wochen damit beschäftigt, den Tank von innen zu entrosten.
Doch jetzt ist der Glanz aus alten Zeiten bereits zu erkennen. Natürlich ist die „Oma” noch nicht fertig. Die Türen und Fenster müssen wieder eingebaut werden, auch die Holzbänke fehlen noch. Am Abend wird diese außergewöhnliche Hochzeit noch mit einem kleinen Umtrunk gefeiert.
Die Öffentlichkeit wird das restaurierte Fahrzeug erstmals beim Festzug zum 100-jährigen Jubiläum der Lendringser Feuerwehr sehen können. Mit 115 PS, 75 km/h Spitze und 2 400 Litern Wasser im Tank präsentiert sich der 53 Jahre alte Mercedes dann voll funktionsfähig.
Weil das Tanklöschfahrzeug aber den Anforderungen der heutigen Einsatzfahrzeugen nicht mehr entspricht, wird es künftig im normalen Fuhrpark der Wehr fehlen. Doch auf so mancher richtigen Feuerwehr-Hochzeit wird es das Brautpaar zur Kirche kutschieren. Und zwar ganz ohne Rost.
Nach der Rost-Kur erstrahlt die "Oma" in neuem Glanz
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