Der Hl. Augustinus erklärt das Fest Christi Himmelfahrt so: „Gott entzieht sich der frommen Betrachtung seiner Jünger und beginnt, in ihnen zu atmen.“ Das ist der Kern der Botschaft dieses Festes. Gott ist nicht mehr außen zu suchen; er lebt und atmet in uns.
Vordergründig sieht die Situation der Jünger ganz anders aus. Jesus ist nicht mehr bei ihnen. Die Tage der begeisternden Erlebnisse, aber auch die schmerzlichen Erfahrungen unter dem Kreuz sind endgültig vorüber. Die täglichen Begegnungen mit ihm - das gemeinsame Essen und Trinken, die Gespräche - gibt es nicht mehr.
Jesus entzieht sich den leiblichen Augen seiner Jünger. Sie starren ihm nach und sehen ihn im Himmel verschwinden. Die Zeit der besonderen Erlebnisse ist vorbei. Jesus kommt nicht mehr durch geschlossene Türen herein; er spricht nicht mehr mit ihnen und weiht sie in seine Geheimnisse ein. Der Himmel, in den er in einer Wolke entrückt wurde, ist weit weg, und sie spüren umso deutlicher, dass sie auf der Erde zurückgeblieben sind.
Ähnlich geht es uns nach den Erfahrungen, wo wir uns ihm ganz nahe gefühlt haben (Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, Weihnachten, auf einer Pilgerfahrt) und dann umso härter wieder den Alltag empfanden.
In gewisser Weise ist „Christi Himmelfahrt“ ein Abschiedsfest, denn niemals wird er wieder auf sichtbare Weise unter uns sein. Im entscheidenden Sinn aber ist es kein Abschiedsfest, denn er bleibt bei uns; er hat lediglich die Art seiner Gegenwart verändert. Es gibt ein Gesetz, dem alles Lebendige unterworfen ist: dem Rhythmus vom Kommen und Gehen. Nichts bleibt, wie es ist. Alles befindet sich in einem ständigen Prozess der Verwandlung.
Damit sich eine äußere, materielle Nähe und Gemeinschaft in eine viel tiefere, innere wandeln kann, muss ich zuerst Abschied nehmen. Ich muss verzichten auf das Gewohnte: auf die gewohnte Stimme, die vertraute Berührung, die Gewissheit, dass der andere da ist. Ich muss loslassen können. Aber das fällt uns unendlich schwer.
Wir kennen die Situation auf dem Friedhof, wenn der Sarg sich langsam in die Tiefe senkt. Unser Blick richtet sich dann nach unten. Die Augen sind starr auf den Boden des Grabes gerichtet. Wir müssen Abschied nehmen, auch wenn uns das Herz dabei zerbricht. In einem Liebesgedicht steht der Satz: „Schon bevor du da warst, hatte ich Angst vor der Lücke, die entsteht, wenn du wieder gehst.“ Ja, so ist das: Wir klammern uns an Dinge, Ideen und Menschen und wollen sie nicht mehr loslassen. Diese Unfähigkeit zum Loslassen macht uns immer wieder unfrei, nimmt uns die Sicht und den Mut für die Zukunft. Wir drehen uns um uns selbst. Die eigenen Lebensumstände werden zum beherrschenden Thema. Doch das ist alles nutzlos und unfruchtbar. Wir können nur weiterleben, wenn wir Trennungen verarbeiten, auch wenn es schmerzt, und den Blick in die Zukunft richten, in eine neue Freiheit. In diese Freiheit hinein spricht das Wort des Herrn aus dem Evangelium: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Das Vertrauen auf diese Zusage wünscht Ihnen
Klaus Richter, Diakon i.R.,
Lendringsen