Menden. . Mendener Hebammen legen den Rückwärtsgang ein. Weil die Haftpflichtversicherungen immer teurer werden, machen viele Geburtshelferinnen nur noch Vor- und Nachsorge. Viele Frauen sehen sich an den Rand des Existenzminimums gebracht. Dabei hätten sie ja einen Lösungsansatz.

Emilia wurde von Hebamme Barbara auf die Welt geholt. Das steht am Kinderwagen des Säuglings. Emilia hatte Glück. Denn immer weniger Hebammen in Menden leisten echte Geburtshilfe. Schuld sind in die Höhe geschnellten Kosten für die Haftpflicht. Gut 100 Hebammen, Eltern und Kinder demonstrierten gestern am Rathaus.

Die Praxis von Hebamme Lydia Rusch hat schon Konsequenzen gezogen. „Wir können seit Ende 2012 keine Geburtshilfe mehr anbieten“, sagt Rusch. Die Praxis beschränkt sich auf Geburtsvorsorge und -nachsorge. Die Haftpflichtversicherung, die auf mehr als 5000 Euro je Hebamme steigen soll, wurde einfach zu teuer.

Steigende Nachfrage nach Geburten

Die schwierige Lage der Hebammen sorgt für Frust auf der anderen Seite. Werdende und frisch gebackene Mütter bestätigen die komplizierte Suche nach Hebammen, die im Kreißsaal ein Baby zur Welt bringen. „Wenn wir das wieder anböten, würden uns die Eltern die Türen einrennnen“, sagt Rusch.

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Von Birgitta Stauber-Klein und Dagobert Ernst

In Menden arbeiten knapp 25 Hebammen. Mehr als die Hälfte davon ist freiberuflich tätig und damit voll von der Kostenexplosion bei der Versicherung getroffen. Die andere knappe Hälfte ist im Klinikum aktiv. Aber auch bei den Krankenhäusern rollte die Teuerungswelle mit Verzögerung an.

Grund für die immer teuerer werdenden Haftpflichtversicherungen sind die immer höheren Summen, die bei Unfällen erstritten werden. Das Thema wird bereits seit Jahren diskutiert. Und die Mendener Hebammen zeigen durchaus Verständnis für die Versicherungen. Die Frauen wollen ein politisches Umdenken. Hebamme Beate Wink-Urbainczyk schlägt vor, dass die Versicherungen nur begrenzt für Schäden einstehen sollen.

Stundenlohn am Existenzminimum

„Der Rest muss über die Gesellschaft versichert werden.“ Den Hebammen ist es wichtig, nicht missverstanden zu werden. „Es gibt nicht mehr Unfälle. Die Höhe der Entschädigungen ist nur gestiegen“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte Heike Berkes.

Die Mendener Hebammen wollen weiter um ihre Existenz kämpfen. Heute geht es zu einer Kundgebung mit Hebammen aus der ganzen Region nach Dortmund. Die Frauen malen ein Szenario an die Wand, das sie für äußerst realistisch halten: Wenn sich nichts ändere, werde es weniger Hebammen geben. Heike Berkes sagt: „Von dem Stundenlohn am Existenzminimum kann bald keiner mehr leben.“