Menden/Sümmern. .

Andere junge Männer in seinem Alter wünschen sich zum Geburtstag vielleicht einen besonders großen Flachbildfernseher, ein neues Smartphone oder träumen von einem Sportwagen. Daniels Wunsch sieht ganz anders aus: „Ich wünsche mir, dass ich fast wieder so werde wie vor meinem Unfall.“ Der Mendener wird heute 25 Jahre alt. Er hat in diesem Jahr doppelten Grund zu feiern: Nicht nur sein neues Lebensjahr, sondern auch den Beginn einer beruflichen Bildungsmaßnahme.

Kampf zurück ins Leben

Vor siebeneinhalb Jahren verunglückte Daniel Huckebrink schwer. Er hatte auf der Rückbank eines Autos gesessen, das bei einem schweren Unfall völlig zerstört wurde. Während der Fahrer noch am Unfallort starb, waren auch Daniels Überlebenschancen anfangs gleich null. Er lag im künstlichen Koma, dann im Wachkoma, verbrachte lange Zeit in Kliniken und Reha-Einrichtungen. Seine Eltern Heike und Rüdiger Huckebrink stellten ihr eigenes Leben vollkommen auf den plötzlich schwerst behinderten Sohn ein.

Stück für Stück kämpfte Daniel sich zurück ins Leben. Mit unbändiger Willenskraft. Die WP hat in den vergangenen Jahren des Öfteren über seine Fortschritte berichtet. Vor einem halben Jahr hat er einen weiteren Meilenstein auf seinem Weg geschafft: Daniel ist nun in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, die von der Agentur für Arbeit finanziell getragen wird. „Es ist keine Ausbildung im klassischen Sinn, sondern eine Reha-Maßnahme für Menschen mit Behinderung“, erläutert Markus Nielen, Abteilungsleiter BAPP (Bereich für intensive Arbeitsassistenz und -pädagogik sowie Pflege) in den Iserlohner Werkstätten. Daniel wird im BAPP beschäftigt, der Abteilung für Menschen mit Schwerst-Mehrfachbehinderungen. Hier gibt es eine engmaschige Betreuung: Jeweils ein Betreuer kümmert sich um vier Menschen mit schwersten Handicaps. Dass er hier arbeiten darf, macht Daniel glücklich und zufrieden. Das ist dem jungen Mann anzumerken. Er strahlt die WP-Redakteurinnen an, lacht immer wieder laut, erzählt fast ununterbrochen, während er an seinem Arbeitsplatz im Gruppenraum 1 Dichtungsringe über Gewinde stülpt. Wer Daniel längere Zeit nicht gesehen hat, bemerkt schnell die riesigen Fortschritte, die er in den vergangenen Monaten gemacht hat. Den Eindruck unterstreichen Gruppenleiterin Anette Klingborn und Bildungsbegleiter Sascha Nölle: „Daniel hat sich hier sehr gut entwickelt.“ Orientierungs- und Sprachvermögen haben sich stark verbessert.

Ohne Arbeit fehlt etwas

Zu Hause sei es ihm irgendwann einfach langweilig geworden, blickt Daniel zurück. Bei aller Liebe zu seiner Familie – da fehlte etwas. Und das hat der junge Mendener nun gefunden: einen Job, eine tagesfüllende Beschäftigung. Vor seinem Unfall wollte Daniel Speditionskaufmann werden, hatte die Ausbildung zu seinem Wunschberuf angefangen, als ihn das Unglück aus der Bahn des eigentlich vorgezeichneten Lebens warf. Heute hadert das Geburtstagskind nicht mit seinem Schicksal, nicht damit, dass er so vieles neu lernen musste und muss, dass ihm manches noch so schwer fällt. Er blickt nach vorne und sagt: „Ich habe schon so viel erlebt. Ich bin froh, dass ich hier arbeiten darf. Das tut mir gut. Tschakka – ich will alles schaffen.“ Da blitzt wieder Daniels Kämpfernatur durch.

Acht Stunden verbringt Daniel jeden Tag in den Iserlohner Werkstätten. Dort arbeitet er nicht nur, sondern nimmt auch ein vielfältiges arbeitsbegleitendes Entwicklungsangebot wahr. Dazu gehört therapeutisches Reiten, Schwimmen, eine Musikgruppe, allgemeinbildender Unterricht, Logopädie, Ergotherapie und Gedächtnistraining. Je nach Entwicklung wird das Programm individuell angepasst. Viele unbekannte Menschen, viele neue Eindrücke für Daniel. „Das sind sehr liebe und nette Leute hier“, stellt er fest und lacht wieder sein Strahle-Lächeln.

Zwei Jahre dauert Daniels Start ins Berufsleben. Nach dieser beruflichen Bildungsmaßnahme kann er anschließend höchstwahrscheinlich dauerhaft eine berufliche Heimat bei den Iserlohner Werkstätten finden. Seinem ursprünglichen Berufswunsch, seinem alten Leben trauert Daniel Huckebrink nicht nach. Gram über Vergangenes liegt ihm nicht. Lebensmut und Kämpfergeist sind da schon eher seine Sache. „Guck mal, was ich schon alles geschafft habe“, sagt er. „Ich weiß, das ist eine schwere Aufgabe für mich. Aber ich will noch viel mehr schaffen.“

Iserlohner Werkstätten bieten mehr als 1000 Arbeits- und Ausbildungsplätze

Die Iserlohner Werkstätten wurden 1967 gegründet. Zu den namhaften Firmenkunden gehören beispielsweise Grohe, Dornbracht, Bega, Obo Bettermann, Keuco, Durable und die Deutsche Post.

Die Werkstätten bieten mehr als 1000 Arbeits- und Ausbildungsplätze an den fünf Standorten in Iserlohn und Hemer. Darüber hinaus gibt es je nach Fähigkeiten Außenarbeitsplätze, die sich bei externen Kunden befinden.

Daniel Huckebrink ist im BAPP eingesetzt, dem Bereich für intensive Arbeitsassistenz und -pädagogik sowie Pflege. Durch individuelle Betreuung und Förderung werden hier Menschen mit schwersten Handicaps auf der Basis eines ganzheitlichen Förderansatzes unterstützt.

Zum Angebot gehört die produktionsorientierte Arbeit, darüber hinaus wird die soziale Handlungskompetenz unterstützt, die Kommunikation gefördert, die Wahrnehmungsfähigkeit geschult, die Grob- und Feinmotorik weiterentwickelt sowie die lebenspraktische Selbstständigkeit erweitert.