Menden.

Rüdiger Scholz hat einen schönen Ausblick aus seinem Büro. Er blickt auf eine große landwirtschaftliche Fläche. Doch der Bauunternehmer und Beiratsvorsitzende des Initiativkreises Mendener Wirtschaft (IMW) würde gerne möglichst schnell seinen Ausblick verändert sehen – und zwar als Blick auf neu angesiedelte Firmen. Denn der IMW setzt sich seit Jahren mit Nachdruck für die Erweiterung des bestehenden Gewerbegebiets Hämmer I in Richtung Hämmer-Süd ein. Im WP-Interview macht Rüdiger Scholz deutlich, wie wichtig die Erweiterung aus IMW-Sicht für die Gesamtentwicklung der Stadt ist und warum die Chancen derzeit historisch gut seien, um das seit Jahren diskutierte Projekt anzugehen. Heute Abend wird Hämmer-Süd Thema im Bauausschuss sein – und sicher auch bei der IMW-Mitgliederversammlung, die ebenfalls heute Abend stattfindet.


Frage: Herr Scholz, die Erweiterung des Gewerbegebiets Hämmer Süd wird schon lange diskutiert. Warum meldet sich der IMW erst jetzt zu Wort, wo diese Wirtschaftsfrage doch sein Leib- und Magen-Thema sein sollte?
Scholz:
Der Eindruck ist falsch. Wir kümmern uns nicht erst seit heute um das Thema. Wir führen schon seit acht Jahren Gespräche, haben die Erweiterung des Gewerbegebiets immer wieder – etwa im Stadtentwicklungskreis oder im Aufsichtsrat der Wirtschaftsförderungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft WSG – thematisiert. Der IMW hat versucht, Überzeugungsarbeit zu leisten. Um allen klar zu machen, wie wichtig ausreichende Gewerbeflächen für alle anderen Themen der Stadt sind – auch für den Erhalt von Schulen oder Jugendtreffs.

Und? Fühlen Sie sich denn gehört?

Ja, durchaus. Ich bin sehr froh, dass jetzt alle Fraktionen im Stadtrat mit großer Vehemenz das Thema Gewerbegebietserweiterung Hämmer-Süd voran treiben wollen. Und auch in der Verwaltungsspitze ist das Thema in der Prioritätenliste nun ganz oben.

Was macht Sie so optimistisch, dass gerade jetzt der Durchbruch kommen könnte, wo doch schon seit Jahren diskutiert wird?
Weil die Umstände historisch günstig sind. Erstens haben wir hier in Menden diese große Fläche bereits im Flächennutzungsplan als Gewerbe- und Industriefläche ausgewiesen, sind also planerisch weiter als andere Kommunen im Umfeld. Die haben diese Reserven auch nicht, da sind wir in Südwestfalen ganz weit vorn. Zweitens sind die Zinsen derzeit historisch niedrig. Die Stadt kann also sehr günstige Kredite zum Kauf der Flächen bekommen. Und durch das Sparpaket und den Konsolidierungskurs sind die Voraussetzungen geschaffen, dass Arnsberg solch eine Kreditaufnahme genehmigen kann. Drittens ist der Bedarf da: Es gibt die Interessenten für die Industrie- und Gewerbeflächen.

Die Stadt hat sogar schon Interessenten abweisen müssen, weil es keine passenden Gewerbefläche gab.
Ja, und das ist mehr als bedenklich. Im Gewerbegebiet Hämmer sind ja in den vergangenen acht Jahren im Schnitt 15.000 Quadratmeter pro Jahr vermarktet worden. Allein in den vergangenen drei Jahren bis 2012 mussten aber auch Interessenten für 60.000 Quadratmeter abgewiesen werden – und aktuell in diesem Jahr kommt noch einmal eine Nachfrage nach 40.000 Quadratmetern hinzu, die nicht befriedigt werden konnte. Hätten wir Hämmer-Süd schon, hätten wir also 100.000 Quadratmeter zusätzlichen Betrieben anbieten können.

Wie viele Arbeitsplätze sind Menden dadurch entgangen?

Es gibt eine Faustregel, mit der man überschlägig rechnen kann. Die 100.000 Quadratmeter hätten etwa 500 Arbeitsplätze bedeutet. Und ich befürchte, dass wir bald in die Situation kommen, dass angestammte Mendener Betriebe, also Bestandsunternehmen, das Stadtgebiet verlassen werden müssen, weil sie keine passenden Erweiterungsmöglichkeiten haben. Das müssen wir verhindern.


Sie betonen immer wieder, dass die Erweiterung des Gewerbegebiets Hämmer nicht allein ein Thema der Wirtschaft sei, sondern ganz Menden betreffe. Können Sie das verdeutlichen?

Die Diskussionen, die wir um den Erhalt von Schulen, Jugendzentren oder anderen Teilen der Mendener Infrastruktur führen, haben doch ihren Grund in der sinkenden Bevölkerungszahl. In den kommenden 15 Jahren werden wir den Prognosen zufolge noch einmal 5000 bis 7000 Einwohner verlieren. Das können wir nur durch neue Arbeitsplätze kompensieren, die Familien nach Menden locken. Hämmer Süd hat aufgrund seiner Fläche ein Potenzial von 1500 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Ziehen die Arbeitnehmer auch nach Menden und bringen Familien mit, dann ergibt sich daraus ein Potenzial von bis zu 5000 zusätzlichen Einwohnern.

Die Sie als Steuerzahler und Kunden sehen?
Ja natürlich. Wenn sich ein Betrieb neu ansiedelt, dann fließt mehr Gewerbesteuer in die Stadtkasse. Aber die Arbeitnehmer bezahlen auch Einkommensteuer und vor allem wird die Kaufkraft erhöht. Bei den potenziell 1500 Arbeitsplätzen, die in Hämmer-Süd entstehen können, kommen wir schnell auf eine zusätzliche Kaufkraft von acht Millionen Euro. Das stärkt den Einzelhandel in der Fußgängerzone. Das ist aber auch eine Basis für die neuen Projekte: Die gerade eröffneten neuen Bahnhofs-Märkte und das geplante Nordwall-Einkaufszentrum.
Trotzdem: Zunächst einmal müsste die Stadt für die Erweiterung tief in die Tasche greifen. Mehrere Millionen Euro besagen erste Kostenschätzungen. Wann die Flächen tatsächlich vermarktet sind, ist aber unklar.

Ich teile nicht die Ansicht, dass eine Vermarktung 20 Jahre oder mehr dauern wird. Ich bin mir sicher, dass die zusätzlichen Flächen in acht bis zwölf Jahren vermarktet sind. Hätten diese Flächen bereits in den letzten drei Jahren zur Verfügung gestanden, so hätte mehr als ein Drittel des Gewerbe- und Industriegebiets an ansiedlungswillige Unternehmen verkauft werden können.

Seit Jahren wird diskutiert über die Gewerbegebietserweiterung. Ist Menden am Ende nicht doch zu spät dran?
Wir sind spät, aber nicht zu spät. Jetzt muss das Thema aber konsequent durchgezogen werden. Der IMW verfolgt auch, dass derzeit kommunale Projekte mit spürbaren finanziellen Auswirkungen für den städtischen Haushalt diskutiert und entschieden werden. Die Finanzierung von Gewerbe- und Industriegebieten ist aber die einzige einnahmewirksame Ausgabe. Also die einzige Ausgabe, die die Einnahmesituation der Stadt auf Dauer verbessern und die Existenz der öffentlichen Einrichtungen langfristig sicherstellen kann.