Menden. . Sie wirkt gefasst, schildert sehr bildhaft ihre Erlebnisse. Aber die 22-jährige Mendenerin weiß ganz genau, dass künftig nichts mehr so sein wird wie vor dem 17. März. In den frühen Morgenstunden jenes Sonntagmorgens wurde die junge Frau Opfer eines Überfalls im Fußgängertunnel an der Galbreite. Nur fünf Monate, nachdem wenige Meter entfernt schon einmal eine junge Frau niedergestochen worden war.
Im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe schildert die 22-Jährige die dramatischen Ereignisse jener Nacht – und die Folgen für sie. Ihren Namen möchte sie aber nicht der Öffentlichkeit preisgeben. „Es war ein schöner Samstag“, erinnert sie sich an die Stunden vor der Tat. „Ich bin abends mit meinem Freund und weiteren Freunden zur Party ins Tiefenrausch gegangen. Aber dann habe ich erlebt, wie schnell sich das Blatt wenden kann.“
Denn gegen 2 Uhr war sie müde geworden und wollte nach Hause gehen, die Freunde waren aber noch in Partystimmung. Eine andere Freundin hatte schon vorher den Club auf dem Baufa-Gelände verlassen, war schon zu Hause. Mit ihr telefonierte die 22-Jährige per Handy, kaum dass sie das Tiefenrausch verlassen hatte.
Alleine als Frau in der Nacht auf dem Weg nach Hause – hatte sie da denn überhaupt keine Angst? „Nein“, sagt sie. „Ich wohne doch seit 22 Jahren in Menden, kenne hier jede Ecke. Mir ist doch noch nie etwas passiert.“ Vor dem Tiefenrausch standen zu der Zeit ja auch noch mehrere junge Männer und Frauen. Und schließlich telefonierte sie ja auch die ganze Zeit mit ihrer Freundin, als sie sich vom Baufa-Gelände in Richtung Fußgänger-Tunnel Galbreite bewegte – der in diesem Bereich einzigen fußläufigen Verbindung in Richtung Innenstadt.
Eine trügerische Sicherheit, wie sie nun im Nachhinein weiß. „Erst als ich das Baufa-Gelände verlassen hatte, erinnerte ich mich, dass hier erst vor Kurzem die junge Frau niedergestochen wurde.“ Kurz darauf nahm sie den jungen Mann zur Kenntnis, der am Eingang des Tunnels stand. „Ich hatte das Gefühl, dass er sich erschreckt hatte, als ich ihn angeguckt hatte.“
Plötzlich Schlag auf Hinterkopf
Die 22-Jährige ging nur kaum zwei Schritte in den Tunnel, der seit der Messerattacke im Herbst noch heller erleuchtet ist. Sie telefonierte die ganze Zeit weiter mit ihrer Freundin. Und plötzlich spürte sie den Schlag auf dem Hinterkopf. Der Mann, den sie Sekunden vorher gesehen hatte, hatte sie mit einer Flasche attackiert. Sie fiel zu Boden, doch er ließ nicht von ihr ab. Er trat weiter auf die junge Frau ein. „Ich glaube, sein Ziel war, mich ohnmächtig zu machen“, sagt die 22-Jährige, die ihr Handy fallen ließ, um mit beiden Armen ihren Kopf zu schützen.
„Ich hatte Riesen-Angst. Und ich habe nonstop geschrien. Lauter, als jede Trillerpfeife sein kann, aber er hat weiter gemacht“, so die junge Frau in Anspielung auf den Rat der Polizei, immer eine Trillerpfeife dabei zu haben, um mögliche Angreifer zu vertreiben. Wahrscheinlich weil ein Passant näher kam, ließ der Mann von ihr ab, erbeutete aber noch ihr auf dem Boden liegendes Handy.
Zögerliche Reaktionen
„Ich bin dann aufgestanden und instinktiv in die Richtung der Häuser an der Galbreite weglaufen“, erinnert sich die 22-Jährige. „Mir war schwummerig, die Wunde am Kopf brannte.“ Sie klingelte Sturm an einem Haus mit vier Mietparteien. „Er hätte ja jederzeit zurückkommen können.“ Ein Mann habe aber nur aus dem Fenster geschaut, eine andere Frau zögerlich an der Gegensprechanlage reagiert. „Dann kam aber der Passant, der sagte, er hätte schon die Polizei gerufen. Als die Beamten dann da waren, kam noch eine weitere Frau im Bademantel. Die sagte, dass sie mich schreien gehört habe. Die Polizei hatte sie aber wohl trotzdem nicht gerufen.“
Einen Tag lang musste die 22-Jährige zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Es folgte ein ungewisse Zeit: Wer hatte sie dort überfallen? Und warum? War sie Opfer einer gezielten Attacke geworden? Oder war sie nur ein Zufallsopfer? Am Mittwoch dann ein erlösender Anruf von der Polizei. Die hatte einen 19-Jährigen Mendener an seiner Arbeitsstelle in Dortmund festnehmen können. Sie war wohl unter anderem durch das gestohlene Handy, das der junge Mann schon kurz nach der Tat mit seiner eigenen SIM-Karte nutzte, auf ihn gekommen. Der Mann hat die Tat inzwischen gestanden, er sitzt in Untersuchungshaft.
Aufeinandertreffen beim Prozess
Die 22-Jährige weiß nun, dass sie ein Zufallsopfer war: „Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Sie hat aber auch schon in den ersten Tagen nach der Tat merken müssen, wie sehr sich die Geschehnisse einprägen: „So lange es hell ist, geht es. Aber wenn es dunkel ist, dann kann ich nicht mehr allein sein.“ Bei der Opferschutzbeauftragten der Polizei fühlt sie sich gut aufgehoben. Deren Rat, eine Traumatherapeutin zu besuchen, wird sie auch annehmen. „Damit ich die Ereignisse sortieren kann, in eine Schublade stecken und die Schublade schließen kann.“ - Und die 22-Jährige will als Nebenklägerin auftreten, wenn es bald zu einem Prozess gegen den 19-Jährigen kommt. Auch das gehört für sie zur Aufarbeitung: „Obwohl ich den Täter eigentlich nicht wieder sehen will.“