Menden.

. Das Bild habe ich noch vor Augen, das Gefühl, das mich schon früher dabei beschlich, überkommt mich auch heute noch. Es ist eines, bei dem man automatisch den Mund hält und Respekt zeigt und den Anflug eines Schauders zu spüren vermeint. Beim Totenwagen. Früher bis in die 50er Jahre war es der von Pferden gezogene Leichenwagen. Heute der motorisierte. In Menden gab es drei Fuhrgeschäfte, die mit Pferd und Wagen die Särge zum Friedhof brachten: Jost, Hemker und Traulich. Bewegende Trauerzüge folgten dem schwarzlackierten Wagen mit den großen Speichenrädern, mit Kerzenleuchtern an den Seiten, mit seitlich angebrachten Haken für Kränze. Innen hinter durchsichtigen Scheiben war das Dach mit Stoff ausgeschlagen, eine schwarze Fransenborte mit langen Quasten hing herunter bis fast auf Höhe des Sarges. Gezogen wurde solch ein Wagen von zwei Pferden, die einen schwarzen Umhang trugen.

Mit BlumenNamen gebildet

Unvergessen in Menden ist der Tod und die Beerdigung eines noch jungen Mädchens von der Kolpingstraße. Helga Bührmann von der Metzgerei Bührmann starb im November 1951 im Alter von nur achteinhalb Jahren an eitriger Mandelentzündung, die aufs Herz durchschlug. Die Trauer war riesengroß. Ich habe mit ihrer neun Jahre älteren Schwester Ingeborg Merkel geb. Bührmann in Wiesbaden gesprochen. Sie hat mir erlaubt, über dieses Geschehen zu schreiben und Bilder zu veröffentlichen, obwohl allein der Gedanke an den Tod ihrer kleinen Schwester sie noch heute zu Tränen rührt.

Es war ein schier endloser Trauerzug, der den letzten Weg des jungen Mädchens von der oberen Kolpingstraße zum evangelischen Friedhof am Heimkerweg begleitete. Ein beeindruckendes Bild. Vorn formten Kinder mit blumengeschmückten riesigen Buchstaben den Namen HELGA. Inmitten des Zuges der Wagen mit den beiden Pferden.

Respekt auf der Straßevor dem Trauerzug

Im Trauerhaus hatte Schreinermeister Mertens von der Kolpingstraße den Sarg mit dem jungen Mädchen aufgebahrt. Klassenkameradinnen von Ingeborg vom neusprachlichen Mädchen-Gymnasium St. Walburgis trugen den Sarg aus dem Haus bis zum Wagen, gingen dann vor dem Wagen her zum Friedhof. Die Segnung auf dem Friedhof nahm Pastor Pohlmann vor.

Der Respekt angesichts des Todes erfasste selbst Radfahrer. Als der Zug sich näherte, hielten sie am Straßenrand und ließen die Trauernden vorbei. Ich habe das genau so erlebt, als in meiner Nachbarschaft ein kleines Kind starb. Wir Jungen von vielleicht 13 bis 14 Jahren haben den kleinen Sarg von der Balver Straße bis zum katholischen Friedhof getragen. Es gab kein Fahrzeug, das uns auf Balver-, Schützen- oder Wilhelmstraße überholt hätte oder uns entgegen gefahren wäre, auch kein Zweirad.

Trauerzüge mit Pferd und Wagen endeten Anfang bis Mitte der 50er Jahre, als der Autoverkehr dichter wurde und es auch immer weniger Pferde gab. Der motorisierte Leichenwagen löste das Pferdefuhrwerk ab. Die Aufbahrung findet heute in der Regel in der Friedhofskapelle statt.

Manchmal ist auchein Schmunzeln erlaubt

Bestatter Christian Friedrich überraschte mich mit dem Hinweis, auf besonderen Wunsch könne eine Beerdigung mit Wagen und Pferden auch heute noch stattfinden. Das habe er in seinen 18 Jahren Tätigkeit bislang aber erst einmal erlebt. Es sei allerdings ein teures Unterfangen. Aber es gebe ein Unternehmen, das Pferde und Wagen ausleihe. Sie würden dann auf einem Lkw und mit zwei Mann Begleitung an den gewünschten Ort gebracht.

Bis Mitte der 50er bauten Mendens Schreiner die Särge selbst, danach gab es maschinell gefertigte Särge. Schreinermeister Helmut Reimer, dessen Unternehmen ebenfalls Beerdigungen vornimmt, weiß aus früher Zeit, dass bei aller Trauer auch ein Schmunzeln nicht immer wegzudrücken ist. Dann zum Beispiel, als er in einer Mendener Bäckerei den Toten auf dem Backofen aufbahren sollte. Oder wenn die Pferde für die Fahrt zum Friedhof erst vom Acker geholt werden mussten und noch ganz dreckig waren. Einmal, so sagte er, habe der Kutscher auf dem Bock sich bei der Unterbrechung seiner Feldarbeit kurzerhand was Schwarzes übergezogen, den Zylinder auf den Kopf gesetzt, aber nicht gemerkt, dass an seinen Schuhen „noch die dicken Kluten klebten“.