Menden. Marcel Schäfer wurde beim Schützenfest-Unglück in Menden schwer verletzt. Es war der erste Schützenzug, an dem der junge Mann in Uniform teilnahm. Ein Autofahrer fuhr in den Zug, Schäfer gehört zu seinen Opfern. Wochenlang lag er im Koma - und kämpft sich nun zurück ins Leben.

Ein Sekundenbruchteil hat Marcel am 19. Juli aus seinem gewohnten Leben gerissen. Der Moment, als ein 79-Jähriger in den Festzug der Mendener St.-Hubertus-Bruderschaft raste und den 18-Jährigen schwer verletzte. Jetzt kämpft sich der junge Mann in sein Leben zurück. Mit unbändiger Energie und einem ganz starken Willen.

In die Luft geschleudert

Bei diesem Schützenfest war Marcel Schäfer zum allerersten Mal in Uniform mitgelaufen. Als das Auto ihn traf, wurde er in die Luft geschleudert und landete blutend vor den Füßen seiner Mutter Claudia Wölfl, die mit vielen anderen Zuschauern am Wegesrand stand, um den Festzug zu sehen. „Hätte Marcel keine Uniform angehabt, wäre er an einer anderen Stelle im Zug gelaufen, und das Auto hätte ihn nicht getroffen”, blickt Claudia Wölfl zurück.

Schädel-Hirn-Trauma

Marcel wurde bewusstlos per Hubschrauber in die Klinik nach Hamm-Heesen geflogen. Kiefer, Jochbein und der rechte Fuß waren gebrochen. Die größten Sorgen aber machte ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Die Mediziner versetzten ihn in ein künstliches Koma. „Die Ärzte haben uns auf das Schlimmste vorbereitet”, erinnert sich Marcels Stiefvater Walter Wölfl.

Aus dem Koma zurück

Wochen später wachte Marcel langsam aus dem Koma auf. Mitte August wurde er in die Reha-Klinik nach Hattingen verlegt. Ende August konnte er die ersten Worte sprechen. „Das klang eher wie ein Flüstern”, sagt seine Mutter. Dennoch ein Meilenstein für seine Familie.

Weihnachtsfest zu Hause

Schritt für Schritt bahnt sich Marcel den Weg zurück ins Leben. Als er kürzlich zum ersten Mal übers Wochenende aus der Reha-Klinik nach Hause durfte, „war das für mich etwas ganz Besonderes”, erklärt Marcel. Er will wieder Autofahren können, wieder als Verteidiger bei der DJK Bösperde Fußball spielen, endlich seine Ausbildung zum Automobilkaufmann beginnen. Und das Weihnachtsfest zu Hause feiern.

Es wird noch lange dauern

Ob er wieder vollständig genesen wird, weiß derzeit niemand. Nach dem Unfall war Marcels linke Körperseite komplett gelähmt, allmählich geht die Lähmung zurück. Ein paar wenige Schritte kann Marcel mit Hilfe seines Stiefvaters oder seiner Mutter gehen, aber auf den Rollstuhl ist er weiterhin angewiesen. „Das, was er jetzt schon kann, ist für uns ein Wunder”, sagt Claudia Wölfl. „Aber es wird noch sehr lange dauern.” Konzentration, Gleichgewicht und Orientierung müssen geschult werden. Marcel macht alle Reha-Maßnahmen mit starkem Willen mit. „Er ist ein sehr tapferer junger Mann”, sagt sein Stiefvater Walter Wölfl. „Und er ist sehr gereift in den vergangenen Wochen. Er klagt nicht über sein Schicksal.”

Keine Erinnerung

An den Unfall hat Marcel keine bewusste Erinnerung mehr. Vor wenigen Tagen wollte er von seiner Mutter wissen, ob sich der Unfallverursacher entschuldigt habe. Daraufhin hat ihm seine Mutter einen Brief vorgelesen, den die Tochter des Fahrers ihr gebracht hatte. „Darin steht, dass wir ihm verzeihen sollen”, erzählt Claudia Wölfl sichtlich bewegt. „Aber dieser Mann hat so viel Leid über uns und andere gebracht, das kann man nicht entschuldigen.” Wenn Marcel an den Unfallverursacher denkt, empfindet er Wut: „Ich frage mich nach dem Warum. Mein Leben verläuft jetzt anders, als ich es wollte.”