Menden/Hüingsen.

Es ist eine Weltfirma, die doch ein Familienunternehmen geblieben ist: Ulrich und Andreas Bettermann leiten die Geschicke von OBO Bettermann. Zum 100. Geburtstag des Hüingser Unternehmens das große Vater-Sohn-Interview.

Wann haben Sie beide sich eigentlich das letzte Mal gestritten?

Andreas Bettermann (lacht): Da muss ich erst überlegen, das ist lange her. Ich meine, es war wegen einer Rigipsplatte im CNC-Bereich, das müsste so vor sechs Jahren gewesen sein. Die wollte ich so haben – und mein Vater anders. Aber eigentlich streiten wir uns nie. Und wenn dann in großen zeitlichen Abständen und über Nebensächlichkeiten wie über eine Rigipsplatte. Aber nicht über die generelle Linie im Unternehmen.

Liegt das daran, dass Sie und Ihr Vater sich nur selten sehen?

Andreas Bettermann: Nein, wir haben ja unsere Büros direkt nebeneinander und die Türen stehen immer offen. Natürlich sind wir auch viel unterwegs …

Ulrich Bettermann: …aber wir freuen uns immer noch, wenn wir uns sehen.

Sind Sie beide sich eigentlich ähnlich?

Ulrich Bettermann: Ich hatte neulich den Handwerkspräsidenten Kenzler am Telefon. Wir hatten schon eine ganze Weile miteinander geredet, als er sagte: „Das können Sie ja noch mal mit Ihrem Vater besprechen.” Da musste ich ihm sagen, dass das wohl schwierig werden wird. Er hatte mich die ganze Zeit für meinen Sohn gehalten. Daran sieht man wohl, dass wir als ganz ähnlich angesehen werden, obwohl wir das selbst vielleicht gar nicht so empfinden.

Ulrich Bettermann
Ulrich Bettermann © WP

Herr Bettermann senior, Sie haben sich in Sachen Saurer Kamp oder Sparkasse immer laut zu Wort gemeldet, haben auch Gerichtsverfahren nicht gescheut. Jetzt sind sie ruhiger geworden, mischen sich nicht mehr in die Mendener Tagespolitik ein. Haben Sie keine Lust mehr dazu oder läuft jetzt alles zu Ihrer Zufriedenheit?

Ulrich Bettermann: Na ja, ich werde sicherlich nicht locker lassen. Der nun verstorbene Heribert Kemper hat wenige Tage vor seinem Tod noch zu mir gesagt: „Du musst mir versprechen, dass Du die Verantwortlichen für die Sparkassen-Affäre deutlich benennst.” Das habe ich ihm auch versprochen. Wir schauen, ob wir das noch einmal in Form eines Menden-Reports, den wir in der ganzen Stadt verteilen, machen werden. Das alles mache ich aber nicht aus Hass, sondern weil es um den Standort Menden geht.

Herr Bettermann junior, können Sie sich eigentlich vorstellen, mal genauso offensiv in die öffentliche Auseinandersetzung zu gehen wie Ihr Vater?

Andreas Bettermann: Ich hatte mich ja in der heißen Phase nur einmal öffentlich zu Wort gemeldet. Das ist sicher auch der Arbeitsteilung geschuldet. Was mein Vater da geleistet hat, kostet ja Zeit, hätte ich mich da auch so engagiert, wären andere Dinge liegengeblieben. Mein Vater kennt auch viel besser die lokalen Gegebenheiten.

Teilen Sie denn die Positionen Ihres Vaters?

Andreas Bettermann: Ich sehe die Dinge inhaltlich exakt so wie mein Vater, auch da stehen wir ganz zusammen. Sie müssen sich vor Augen führen, dass der Höhepunkt des Streits um Sauren Kamp und Sparkasse vor dem Hintergrund stattfand, dass wir hier mit dem OBO-Kompetenzzentrum eine millionenschwere Investition tätigen wollten, bei der uns zunächst nichts als Steine in den Weg gelegt worden sind. Mein Vater hat ein gesundes Bewusstsein für Ungerechtigkeit. Und man sieht doch: Vieles, was er angeprangert hat, hat sich im Nachhinein bestätigt.

Hätten Sie das damals auch so angeprangert?

Andreas Bettermann: Die Frage ist, ob es mir aufgefallen wäre. Ich weiß es nicht. Da braucht man schon viel Hintergrundwissen.

Ulrich Bettermann: Ich gehe ja samstags oft in der Stadt einkaufen. Etwa bei Sport Hesse oder wenn mich meine Frau zu Douglas schickt, wo ich etwas für sie abholen muss. Da schütteln mir Leute die Hand und bedanken sich, dass ich die Dinge damals so klar benannt habe.

Bereuen Sie nichts aus dieser Zeit der öffentlichen Auseinandersetzung?

Ulrich Bettermann: Ich bereue höchstens, dass ich so viel Zeit geopfert habe.

Sind Sie denn heute zufrieden mit dem kommunalpolitischen Geschehen?

Ulrich Bettermann: Ich verfolge das natürlich noch. Wir haben leider an vielen Stellen immer noch Stillstand, da sehe ich kein Fortkommen.

Andreas Bettermann: Nehmen Sie doch mal das Beispiel Hüingser Ring. Die Straße ist in einem Zustand, dass man sich vor den Kunden, die zu uns aus aller Welt kommen, schämen muss. Die müssen denken, sie seien in der Ost-Ukraine, nicht in Deutschland. Ich wüsste keinen unserer 40 eigenen Standorte in der Welt, an dem wir vor der Firma so eine Schotterpiste haben. Das mögen die Bettermänner noch verkraften, aber die Hüingser müssen Tag für Tag ertragen, dass durch die Schlaglöcher auch die Lkw viel lauter werden.

Andreas Bettermann
Andreas Bettermann © WP

Die Stadt hat kein Geld zur Sanierung.

Andreas Bettermann: Das stimmt sicher, aber es gibt ja noch nicht einmal einen Plan und ein Ziel, wie und wann man das Problem angehen will. So könnte man nie im Leben ein Unternehmen führen.

Ulrich Bettermann: Wir haben sogar schon überlegt, zum Firmenjubiläum einen Teil des Hüingser Ringes auf unsere Kosten herzurichten.

Zucken Sie da zusammen, wenn Ihr Vater so etwas sagt? Ist das so eine Idee aus dem Bauch heraus, die Sie nicht sagen würden?

Andreas Bettermann: Wenn das Stück dann „Bettermann-Ring” heißen würde, dann wäre das aus Sicht des Marketings eine gute Investition.

Können Sie mit einfachen Worten erklären, wie die Aufgabenverteilung zwischen Ihnen beiden aussieht?

Andreas Bettermann: Ich habe die Verantwortung für das operative Geschäft, arbeite hier – in einer flachen Hierarchie – mit der Unterstützung von 40 Führungskräften unserer Unternehmensgruppe. Mein Vater ist das Haupt des Unternehmens. Er hat OBO Bettermann vor allem in der Welt zu dem gemacht, was unser Haus heute ist. Wenn wir eine Aktiengesellschaft wären, wäre mein Vater der Aufsichtsratsvorsitzende, ich der Vorstandsvorsitzende.

Ulrich Bettermann: Ich nehme nur an wenigen Sitzungen teil. Außer bei internationalen Dingen, da bin ich öfter dabei.

Und diese Arbeitsteilung klappt?

Andreas Bettermann: Ja, das sind klare Strukturen. Mein Vater und ich treten auch so gut wie nie gemeinsam nach außen auf. Sonst würde jeder aussuchen, was ihm gerade von uns passt.

Ulrich Bettermann: Die Arbeitsteilung klappt, weil ich frühzeitig Verantwortung abgegeben habe. Viele können nicht loslassen, etwas abgeben. Am Generationswechsel sind deshalb schon viele Familienunternehmen gescheitert. Ich kenne ja international viele berühmte Leute. Die kochen alle nur mit Wasser.

Sie werden in diesem Jahr 65 Jahre alt, sind jetzt also sozusagen im gesetzlichen Rentenalter. Sie haben aber schon vor Jahren Verantwortung abgegeben. Warum relativ früh?

Ulrich Bettermann: Ich habe selbst früh Verantwortung übernommen. Der Kampf mit den damaligen Mitgesellschaftern war sehr kräfteraubend. Ich habe 25 Jahre keinen richtigen Urlaub machen können. Deshalb habe ich relativ früh den Kindern Verantwortung übergeben und das so auch schon vor 15 Jahren in meinem Testament festgelegt. Ich bin auch in der glücklichen Lage, dass Andreas nicht von Beruf Sohn ist. Er macht es gut, er macht es sogar besser als der Papa.

Sie erwähnten den Streit mit den früheren Mitgesellschaftern aus Ihrer Familie, die Sie schließlich ausbezahlt und aus der Firma gedrängt haben. Was war der Grund?

Ulrich Bettermann: Es ging um die grundsätzliche Zukunftsausrichtung des Unternehmens. Es ging darum, ob wir wachsen und investieren. Oder ob wir das Geld aus dem Unternehmen quasi auf das Festgeldkonto legen und auf Zinserträge warten. Ich war fest davon überzeugt, dass wir wachsen und neue Märkte erschließen müssen. Der Kampf ging um diese grundsätzliche strategische Ausrichtung. Ich bin damals ein großes Risiko eingegangen, habe hohe Kredite aufgenommen. Heute haben wir 40 Tochtergesellschaften plus Repräsentanzen in der ganzen Welt. Die Mitarbeiter haben aber auch richtig Gas gegeben und mitgezogen.

Hat Ihr Vater das damals gutgeheißen?

Ulrich Bettermann: Ja, aber er hat auch gesagt, dass er das so nicht gekonnt hätte.

Herr Bettermann junior, haben Sie sich in der Pflicht oder sogar unter Druck gesetzt gefühlt, in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten?

Andreas Bettermann: Nein, nie. Was ich hier mache, das mache ich aus eigenem Antrieb und sehr gerne. Dass das so werden würde, war ja nicht von Beginn an klar. Mein Vater hat die Nachfolge ja jahrelang offen gehalten, das war auch vorteilhaft. Man kann noch nicht mit vier Jahren und auch nicht mit 14 Jahren sagen: So, Du wirst jetzt Geschäftsführer oder Mitgesellschafter. Dieses „familiäre Prinzentum” ist ja bei vielen Unternehmen ein Problem.

Spüren Sie denn gerade im Jahr des 100-jährigen Bestehens den Druck, dass die Firmengeschichte auf Ihnen lastet?

Andreas Bettermann: Das ist schon eine Verpflichtung, aber auch eine hervorragende Grundlage, um dafür zu sorgen, dass OBO Bettermann auch in den nächsten hundert Jahren eine gute Zukunft vor sich hat.

Und wie sieht die Zukunft aus? Muss OBO immer weiter wachsen, ganz neue Produktfelder erschließen oder sind Sie jetzt zufrieden?

Andreas Bettermann: Es wäre tödlich, wenn wir sagen würden, wir sind zufrieden. Wir wachsen mit Vernunft, tanzen nicht auf 1000 Hochzeiten. Neue Produktbereiche kommen durch Innovationssprünge auf uns zu. Wenn man denkt, etwas erreicht zu haben, ist es Zeit, den nächsten Schritt zu tun.

Ein Beispiel?

Ulrich Bettermann: Unser Grundprodukt sind Befestigungselemente im Elektrobereich. Aber wir sind durch die ständige Entwicklung zum Beispiel gerade dabei, diese Befestigungsanlagen mit Solarenergie-Elementen zu verbinden. Da engagieren wir uns jetzt.

Sie haben Millionen in das neue Werk im Ohl investiert. Lohnt sich das?

Andreas Bettermann: Das ist unser Bekenntnis zum ­Industriestandort Deutschland. Nur so konnten wir die betrieblichen Abläufe optimieren, nur so können wir am Markt auch wettbewerbsfähig bleiben. Die Arbeitsabläufe waren früher auf mehrere Standorte verteilt, wir waren an der Grenze unsere Kapazität. Jetzt haben wir ein bisschen Luft, können auch unser Hauptwerk modernisieren. Das sind unerlässliche Investitionen, genauso wie Investitionen in die Weiterbildung der Mitarbeiter.

Sie setzen hier in Menden auf Mitarbeiter aus der Region?

Ulrich Bettermann: Ja, wir bilden weiter aus, und bei uns im Haus kann man auch Karriere machen. Wir haben so gut wie noch nie Headhunter eingesetzt, um unser Führungspersonal zu finden.

Andreas Bettermann: Wenn ich lese, dass der Grohe-Chef in einem Interview sagt, man habe den Firmensitz nach Düsseldorf verlegen müssen, um gute Mitarbeiter zu bekommen, dann kann ich nur staunen. Wir sagen, dass wir gute Mitarbeiter auch in Böingsen oder in der Asbeck finden können. Das sind Mitarbeiter, die auch eine hohe Loyalität gegenüber dem Unternehmen haben.

Was unterscheidet Sie im Arbeitsalltag?

Ulrich Bettermann: Andreas macht alles mit dem Computer, ich lasse mir die E-Mails ausdrucken. Wir sind schon zwei verschiedene Generationen.