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Es ist ein Satz, den die Eltern von Teenagern und jungen Erwachsenen wohl zur Genüge kennen: „Nervt mich nicht!“ Auch aus Daniel Huckebrink (22) platzt es an diesem Nachmittag heraus. Mutter Heike und Vater Rüdiger schauen sich an und prusten los. Die nicht ganz ernst gemeinte Aufmüpfigkeit ihres Sohnes ist ein Gewinn. Denn als Daniel vor fünf Jahren, am 27. Februar 2006, in einem Auto verunglückte und schwere Schädel-Hirn-Verletzungen erlitt, hatten auch die Ärzte nicht daran geglaubt, dass er überleben würde.

„Tschakka, ich schaffe es“, sagt Daniel. „Das ist mein Lebensmotto, ich möchte fast wieder so werden wie vor meinem Unfall.“ Dass er Defizite zurückbehalten wird, hat der heute 22-Jährige akzeptiert. Seine Behinderung ist Teil des Alltags geworden.

Die Pläne, sich noch selbstständiger im Alltag bewegen zu können, sind geblieben. Und scheinen nicht unerreichbar. „Mein Ziel für dieses Jahr ist, den Weg bis zur Bäckerei die Straße hinunter allein zu gehen“, sagt der junge Mann.

Daran arbeitet er hart. Die Woche ist stark strukturiert, mit Therapiemaßnahmen gefüllt: Physiotherapie, Ergotherapie, Sprachtherapie. Er hat riesengroße Fortschritte gemacht, kann sich ohne Rollstuhl fortbewegen, an den Familienplaudereien am Kaffeetisch teilnehmen, seine Sehfähigkeit ist auf fast 30 Prozent gestiegen.

Gemeinsam mit den Therapeuten erarbeitet Daniel Hilfestellungen für den Alltag. Wenn er in der Küche die Spülmaschine nicht finden kann, erinnert er sich an die Eselsbrücke der Therapeutin und zählt die Schränke: „Im Kühlschrank ist es dem Löffel zu kalt, im Ofen zu heiß, er gehört in die Spülmaschine.“

Und Daniel Huckebrink hat ein Stück zurück in den Alltag junger Menschen gefunden. Zweimal in der Woche kommt Betreuer Thomas, der ein halbes Jahr jünger ist als Daniel. Gemeinsam fahren die jungen Männer auch mal mit dem Zug nach Unna. „Jungsgespräche führen“, bestätigt Daniel. Seine Freundin hat er nicht mehr. Kontakt zu Gleichaltrigen mit ähnlichen Handicaps knüpft der 22-Jährige auch beim Behindertensport und im Club ‘78. „Denn, was ist schon normal?“, fragt Daniel.

Normal ist, dass er die CD der Band „Onkelz“ auch mal so laut aufdreht, dass den Eltern die Ohren klingeln. Normal ist, dass er die Katzen von seinem Lieblingssessel vertreibt. Normal ist aber auch, dass er gegen 20 Uhr ins Bett geht und sich bei Wetterumschwüngen regelmäßig richtig abgeschlagen fühlt.

Berufspläne scheinen noch in der Ferne zu liegen. „Es wäre schön, wenn Daniel einer sinnvollen Beschäftigung, beispielsweise in den Iserlohner Werkstätten, nachgehen könnte“, sagt Vater Rüdiger Huckebrink. Wann das möglich ist, muss sich mit der Zeit zeigen.

Seiner Mutter hat Daniel an der Werkbank im Keller zwei Herzen aus Holz gesägt, mit Hilfe der Therapeutin. An diesem Nachmittag streicht er ihr mehrfach zart über den Rücken. Er sucht die Wärme der Familie und wünscht sich gleichzeitig Selbstständigkeit. „Guck’ mal Mama,“, sagt Daniel in die Runde und scheint fast selbst ungläubig den Kopf zu schütteln, „dass wir so gut drauf sind.“