Menden. Corona und Energiepreise haben auch in Menden die Zahl der Obdachlosen rasant ansteigen lassen. Nun will die Stadt reagieren.
„Rasant angestiegen“ ist die Zahl obdachloser Menschen in Menden in den vergangenen Jahren. Das sagt der städtische Sozialarbeiter Boie Peters. Nun wollen die Sozialpolitiker, dass die Stadt eine neue Vollzeitstelle für die Wohnungslosenhilfe schafft. Zudem soll die evangelische Diakonie Ruhr-Mark jährlich 45.000 Euro erhalten, um eine halbe Stelle plus Sachkosten für das Mendener Stadtgebiet zu refinanzieren. Das hat der Sozialausschuss dem Stadtrat jüngst mehrheitlich empfohlen, mit acht Ja-Stimmen bei fünf Gegenstimmen der CDU und drei Enthaltungen.
CDU stimmt geschlossen gegen den Beschlussvorschlag
Unumstritten sind die Stellen folglich nicht. Der gemeinsame Antrag der Fraktionen der Grünen, der SPD und „Menden Innovativ“ wird von der Linken-Fraktion unterstützt, auch die Stadtverwaltung empfiehlt die Betreuung. Zur Begründung nennt die Erste Beigeordnete Henni Krabbe die steigende Zahl an Obdachlosen in Menden. Die lag im Oktober bei 42, hinzu komme eine unbekannte Anzahl von Menschen ohne Wohnung, die bei Freunden und Bekannten übernachten dürfen. Die Zahl der von Wohnungslosigkeit Betroffenen sei seit 2020 mit der Corona-Pandemie und der Energiekrise deutlich angestiegen. Der Mangel an günstigem Wohnraum in Menden verschärfe das Problem zusätzlich.
Boie Peters: Betreuungskräfte arbeiten „am Anschlag“
Die fachliche und räumliche Trennung der Flüchtlingsbetreuung von der Arbeit mit Obdachlosen, die jetzt schwerpunktmäßig im ehemaligen Flüchtlingsheim Steinhauser Weg 17 untergebracht sind, begrüßte der städtische Sozialarbeiter Boie Peters vor den Sozialpolitikern im Ratssaal daher ausdrücklich. Aktuell ist auch er selbst noch für beide Personengruppen zuständig. Doch als Geflüchtete und Obdachlose noch gemeinsam in den beiden Übergangshäusern am Bieberkamp untergebracht waren, habe das Menschen aus beiden Gruppen überfordert, stellte Peters fest. Wo sich traumatisierte Geflüchtete und entwurzelte Menschen ohne Bleibe Zimmer, Bad und Kühlschrank teilen sollen, komme es immer wieder zu erheblichen Problemen im Miteinander. Auch die Betreuungskräfte arbeiteten bis heute noch „am Anschlag“.
16 Frauen und Familien sind gesondert unterzubringen
Nach der Aufgabe des Bieberkamps durch die Stadt leben am Steinhauser Weg 17 aktuell mehr als 20 Obdachlose ohne Fluchthintergrund. Allerdings gebe es auch noch 16 wohnungslose Frauen und Familien an der Bischof-Henninghaus-Straße, wo überwiegend Geflüchtete untergebracht sind. Diese 16 besonders schutzbedürftigen Menschen sollen in Kürze eine gesonderte Unterkunft erhalten. Wo, ist derzeit aber noch offen.
CDU sicher: Es gibt in Menden genug günstige Wohnungen
Immerhin erklärte Robin Kroll für die CDU-Fraktion: „Es gibt in Menden genügend Wohnungen, auch günstige.“ Die Union sei auch keineswegs gegen Hilfen für entwurzelte Menschen. Doch wolle sie erst ein Konzept sehen, um dann bei Bedarf die Stellen dazu schaffen zu können, nicht umgekehrt. „Sie machen hier den zweiten Schritt vor dem ersten, und diese Vorlage will zu viel auf einmal.“
Am Anfang soll ein ganz neues Konzept für die Hilfe stehen
Doch genau andersherum lautet nun der Mehrheitsbeschluss. Wer auch immer die neue Stelle für die städtische Obdachlosen-Arbeit erhält, soll laut Henni Krabbe an erster Stelle das Konzept dafür erstellen. „Dafür muss ja erst einmal jemand da sein.“ Zum Konzept zählten dann eine Ist-Analyse ebenso wie mögliche Schutzmaßnahmen, die Öffentlichkeitsarbeit, aber auch die Klärung von Begriffen: Wer ist wohnungslos, von Wohnungslosigkeit bedroht, wer gilt als obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht? Zudem soll ein Netzwerk mit Schuldnerberatungen und karitativen Vereinen oder Verbänden geknüpft werden.
Schaffen es die Empfehlungen der Sozialpolitiker in den Haushalt?
Fraglich erscheint nach der Debatte im Sozialausschuss, ob die neue städtische Planstelle in den kommenden Haushaltplanberatungen und dann im Stadtrat vor dem Hintergrund des immer knapper werdenden Geldes Bestand haben wird.
Im Haupt- und Finanzausschuss am Dienstagabend steht das Thema abermals auf der Agenda - allerdings ohne konkreten Zeitplan. CDU-Fraktionschef Bernd Haldorn fehlen demnach belastbare Zahlen zur aktuellen Situation. Schwierigkeiten sieht auch Bürgermeister Dr. Roland Schröder selbst. Eine neue Stelle schaffen, die dann wiederum erst einmal ausarbeiten muss, was überhaupt zu tun ist, „das passt nicht ganz“. Bei einem solch wichtigen Thema gehe es darum, ein möglichst klares Bild zu haben. „Es geht jetzt keinen Schritt schneller, wenn wir jetzt nicht beschließen.“
Grüne: „Wir müssen die Obdachlosenarbeit neu aufstellen“
Noch dazu müsse das Vorhaben in den Haushalts- und Stellenplanberatungen der Fraktionen zunächst breiter diskutiert werden. Das Ziel ist für Grünen-Fraktionsvorsitzenden Peter Köhler allerdings klar: „Egal, wie wir damit umgehen, wir müssen eine Lösung finden. Wir müssen die Obdachlosenarbeit neu aufstellen.“
Eine Entscheidung ist schlussendlich in die nächste Sitzung im Januar 2024 verschoben worden.