Menden. Der Mendener Dr. Johannes Weyer erforscht ein Mobilitätssystem, bei dem autonom fahrende Mini-Fahrzeuge alle Stadtteile ansteuern.

Hunderte kleiner Fahrzeuge, vielleicht sogar mehr als tausend, fahren autonom durch Menden, steuern die verschiedenen Stadtteile an. Die so genannten Cabs fahren ab einem zentralen Punkt mit einer Zugmaschine weiter, bringen ihre Fahrgäste nach Anforderung per App reibungslos zur Schule, zur Arbeit, zum Sport oder zum Einkaufen. Was wie eine ferne Zukunftsvision klingt, ist ein Projekt, das der Mendener Dr. Johannes Weyer, Seniorprofessor für Nachhaltige Mobilität an der TU Dortmund, derzeit aus sozialwissenschaftlicher Perspektive erforscht.

Gegen den Lückenschluss der A46

Dr. Johannes Weyer macht keinen Hehl daraus, dass er sich gegen den Lückenschluss der A46 positioniert. Aber ihm liegt daran, nicht gegen etwas zu sein, ohne einen Plan B, eine positive Vision, zu präsentieren. Wie also könnte die Mobilität der Zukunft aussehen? Wie kommen Menschen von A nach B? Hier kommt das Projekt NeMo.bil - die Abkürzung steht für „Neue Mobilität“ - ins Spiel. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Projekt mit 30 Millionen Euro. Ziel ist ein schwarmfähiges Mobilitätssystem, das in den Randlagen größerer Städte und vor allem in ländlichen Gebieten eingesetzt werden soll. „Also zum Beispiel: Eine Familie wohnt in Oesbern und braucht nur deshalb ein zweites Auto, damit das Kind morgens in die Kita und Vater oder Mutter danach zur Arbeit kommen“, zeigt Dr. Johannes Weyer ein Beispiel auf. Hier könne ein Cab die Lösung sein, wenn die Anbindung mit Bussen und Bahn nicht optimal ist.

Wie muss das Angebot sein, dass es auf den Bedarf der Menschen zugeschnitten ist?
Dr. Johannes Weyer, Seniorprofessor für Nachhaltige Mobilität an der TU Dortmund

Während Fachleute der Uni Paderborn sowie verschiedene Unternehmen sich um die technischen Fragen kümmern, bringt Dr. Johannes Weyer die sozialwissenschaftliche Perspektive ein. Es reiche eben nicht, für die funktionierende Technik zu sorgen, betont der 67-Jährige: „Es geht nicht darum, wie sich die Menschen idealerweise verhalten, sondern darum, wie die Akzeptanz ist.“ Wenn jemand also weiß, dass er am Zielort nur schwer einen Parkplatz findet, wenn der Sprit teuer ist und wenn es hierzu eine kostengünstige, bequeme, verlässliche Alternative gibt, dann sei derjenige eher bereit, die auch zu nutzen. „Wie muss das Angebot sein, dass es auf den Bedarf der Menschen zugeschnitten ist?“ sei die Leitfrage.

Nutzer wählen per App ihre persönlichen Vorlieben

Dabei sollen die Nutzer auch ihren persönlichen Vorlieben eingeben können. Der eine ist bereits, etwas länger auf das autonom fahrende Mini-Taxi zu warten, wenn er dadurch Geld sparen kann. Der andere hat es eilig und schaut nicht aufs Geld. Ähnlich wie bei Navigationssystemen sollen Nutzer per App ihre per Präferenzen einstellen können. „Mit dem Gießkannen-Prinzip funktioniert das nicht, man muss die Menschen individuell ansprechen.“

Mobilitätsverhalten

Dr. Johannes Weyer und sein Team von der TU Dortmund erforschen das Mobilitätsverhalten der Menschen und deren Bereitschaft, Mobilitätsangebote wie NeMo.bil zu nutzen. Neben klassischen Umfragen gibt es Simulationen mit so genannten Software-Agenten. Die sind gefüttert mit den Fahrzeiten und -gewohnheiten verschiedener Menschen: „Und da sehen wir dann die Effekte - zum Beispiel keine Parkplätze, Stau etc.“, erklärt Dr. Johannes Weyer.

Das Modell zielt im ersten Schritt auf die Region Paderborn, erläutert der Wissenschaftler. Mit Hilfe von Simulationsexperimenten könne untersucht werden, wie das neue Angebot gestaltet sein sollte, damit es möglichst viele Menschen anspricht.

Es geht Dr. Johannes Weyer keinesfalls darum, das Auto zu verbieten - sehr wohl aber darum, die Zahl der Autos zu reduzieren. „Die meisten Autos stehen statistisch 23 Stunden am Tag auf einem Parkplatz“, erklärt der Wissenschaftler. „Das ist wertvoller Raum. Wir verbrauchen in den Innenstädten extrem viel Platz - das ist Lebensqualität.“

Vernetzung von Verkehrsträgern

Zu Mobilitätswende gehören viele Bausteine - neben dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auch die Vernetzung von Verkehrsträgern. „Wenn ich mit dem Zug nach Dortmund fahren will, muss ich erst mal zum Bahnhof in Fröndenberg“, erläutert Dr. Johannes Weyer. Hier könne ein automatisiertes Fahrzeug - ein Robotaxi -, das auf Anforderung die Stadtteile ansteuert, die Lücke schließen, sodass das Auto nicht benötigt werde. Obendrein entfalle die Suche nach einem Abstellplatz fürs Auto auf dem Park-and-Ride-Parkplatz.

Cabs sollen die Lücke zwischen dem ÖPNV und dem individuellen Verkehr schließen

Die Cabs sollen die Lücke zwischen dem ÖPNV und dem individuellen Verkehr schließen, sagt Dr. Johannes Weyer. Die Mini-Fahrzeuge sollen autonom fahren, weniger als 300 Kilo wiegen, mit 30 km/h unterwegs sein und Platz für vier Personen bieten. Diese automatisierten kleinen Fahrzeuge sollen die ersten und die letzten Meilen bedienen. Auf längerer Strecke vereinen sie sich, so der Plan, zu einem Konvoi, der von einer Zugmaschine gezogen wird. Diese Zugmaschine dient als mobile Ladesäule und soll im Konvoi höhere Reichweiten und Geschwindigkeiten ermöglichen. „Die Energie kommt zu hundert Prozent aus regenerativen Quellen“, sagt Dr. Johannes Weyer.

Pilotstrecke Menden - Arnsberg

In Paderborn, so schätzt Dr. Johannes Weyer, könnte das Projekt in fünf Jahren umgesetzt werden. Der Mendener hat bereits zahlreiche Gespräche in und rund um die Hönnestadt geführt, um auf das Projekt aufmerksam zu machen. Unter anderem sei er bei der Stadt und den Stadtwerken gewesen. „Ich würde das Projekt gerne in die Region holen“, sagt Dr. Johannes Weyer. Er habe bereits viel positive Resonanz bekommen.

Er ist zuversichtlich, dass dank Förderanträgen dann auch Geld vom Bundeswirtschaftsministerium fließe. Auch mit Arnsberg sei er im Gespräch. „Die Pilotstrecke Menden - Arnsberg zu bauen, das ist meine Vision.“ Dazu gehöre dann auch, in Menden und in Arnsberg die einzelnen Ortsteile durch die Cabs anzubinden. „Die Region muss sich überlegen, wie die Mobilität der Zukunft aussehen kann.“ Und hiervon könne dann auch die heimische Wirtschaft profitieren.