Menden. Ein Heiratsantrag vor großem Publikum – dieser Traum schien auf der Wilhelmshöhe wahr zu werden. Doch es kam ganz anders.
Ein Moment, scheinbar für die Ewigkeit. Dr. Leon Windscheid, der an diesem Mittwochabend seine Psychologie-Show „Gute Gefühle“ präsentiert, hat soeben mit Kira und André aus dem Publikum gesprochen und erfahren, dass sich beide im Januar über Tinder kennengelernt haben. Jetzt ist es die ganz große Liebe. Der Psychologe ist wieder zurück auf der Bühne, fordert die Lampen aller Handys. Der Saal wird dunkel. Windscheid erzählt, dass ihn ein Mann gebeten habe, in seiner Show das Mikrofon für einen besonderen Moment und in besonderer Stimmung zu bekommen. Alle schauen auf André, der nach dem Gespräch mit dem Psychologen noch mit dem Mikro vor Kira steht und sie verliebt anschaut. Der Heiratsantrag liegt in der Luft, als ein Ton wie von einem Reißverschluss den Moment zerschneidet. Es ist nichts mit Ringen, niemand hält um die Hand des anderen an.
Heiratsantrag entpuppt sich als Inszenierung
„Puuuh, so knapp war es noch nie“, sagt der Mann auf der Bühne. Beinahe, so fühlen alle, wäre es zu diesem besonderen Moment gekommen. Doch Windscheid hat diese Situation inszeniert, die beiden jungen Leute nicht mal eingeweiht und insbesondere André sogar unter Druck gesetzt. Jetzt lässt er die Antragsszenerie zerplatzen wie eine Seifenblase. André und Kira bekommen Gutscheine für Windscheids nächste Show – ein kleiner Trost. Das 750-köpfige Publikum in der ausverkauften Wilhelmshöhe ist emotional von einem Extrem ins andere gestürzt. Aus einem guten Gefühl wurde ein schlechtes – oder nicht?
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Dr. Leon Windscheid will dem Publikum zeigen, dass jedes Gefühl seine Berechtigung hat. Im ersten Teil des Programms hat er erklärt, welchen Einfluss andere Personen, die Eltern und der oder die Fühlende selbst auf ihre Gefühle haben. Nicht mit einem Vortrag, sondern anschaulich mit lustigen Videos und Bildern aus sozialen Medien. Das kommt an, das Publikum, zum Teil von weither angereist, ist begeistert. Alles, was Windscheid sagt, klingt so nachvollziehbar. Und manch einer wird sich selbst in der einen oder anderen Szene wiederfinden. Wer Lust auf mehr davon hat, kann Windscheids Workbook kaufen und bekommt damit auch noch Zugang zu einem Online-Termin mit dem Psychologen.
Leon Windscheid: „Brauchen anderen Blick auf die Scham“
Nach der Pause dreht sich alles erst um schlechte Gefühle, dann um gute. Es geht um Neid und um Wut. Und um Scham. „Niemand sollte sich heute noch wegen seines Aussehens oder seiner Sexualität schämen sollen. Wir brauchen in diesem Land nicht weniger Scham, sondern einen anderen Blick auf die Scham“, sagt Windscheid. Menschen sollen zu ihren Gefühlen stehen und sie auch sprachlich ausdrücken. Windscheid: „Wir haben als Menschen in der Evolution andere Fähigkeiten zugunsten der Sprache aufgegeben. Wir sollten das auch nutzen, um unsere Gefühle zu beschreiben.“ Der Psychologe empfiehlt, andere Menschen nicht „Wie geht es dir?“ zu fragen, weil die Antwort stets eine Wertung ist. „Was ist dein Gefühl“, sei angebrachter.
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Werden die schlechten Gefühle zu viel, empfiehlt Windscheid das Umschalten in den „Motten-Modus“. Er selbst hasse Motten, aber er zeigt verschiedene Arten in Super-Zeitlupe und in Makro-Bildern. Hinter dem scheinbar Schlechten verbirgt sich also etwas Schönes – das ist seine Botschaft. Nicht nur Liebe, Glück und Freundschaft seien positive Gefühle. „Am Ende sind alle Gefühle gute Gefühle“, schließt er seine Show und erntet minutenlangen Applaus.