Menden. „Sinti-Bilder“ von Otto Pankok zeigen Menschen, von denen viele später in KZs ermordet wurden. Berührende Eröffnung in der Kirche Heilig Geist.
Heilig Geist wird für drei Wochen zur Kunstkirche: An diesem Sonntag erfolgte die Ausstellungs-Eröffnung für die „Sinti-Bilder“ des Künstlers Otto Pankok im Rahmen eines Gottesdienstes. Es sei „eine Ausstellung zu einer Randgruppe, die in der NS-Zeit unendliches Leid erfahren hat“, sagt Pfarrer Thomas von Pavel vor gut gefüllten Kirchenbänken. An diesem Leid seien auch die evangelische und katholische Kirche schuldig geworden: Beide hätten nichts oder zu wenig getan, um diese Menschen zu schützen. Auch heute sei es einfacher, Sündenböcke zu suchen statt Lösungen für Probleme.
Nach dem Gottesdienst: Alle bleiben, um Sinti-Musik zu lauschen
Moritz Pankok, Großneffe des vom NS-Regime mit Malverbot belegten Künstlers, hat die für Otto Pankok typischen schwarz-weißen und expressiven Darstellungen der Sinti aus den 1920er Jahren für die Mendener Ausstellung ausgewählt. Zur Eröffnung kann er indes aus Termingründen nicht erscheinen. Nach dem Gottesdienst bleiben gleichwohl alle in der Kirche, um den Klängen von Ignacio Zudaire und Jonas Lierenfeld zu lauschen, die mit Geige und Gitarre wunderbare Sinti-Musik aus vielen Ländern Europas zu Gehör bringen. Pfarrer von Pavel dankt Dr. Gabriele Schulte-Kurteshi, deren Engagement und Kontakte das Zustandekommen der Ausstellung erst ermöglicht hätten. Die Pädagogin hat schon vor längerer Zeit eine schonungslose Dokumentation zum Schicksal von 37 ermordeten Sinti aus Menden erstellt, die es heute auch als Broschüre für alle Gäste der Ausstellung gibt.
Initiatorin Gabriele Schulte-Kurteshi: „Sie waren plötzlich verschwunden“
Die „Sinti-Bilder“, gemalt auf dem Heinefeld, führten sie direkt in ihre Kindheit, berichtet die gebürtige Düsseldorferin. „Das Heinefeld war für mich ein magischer Ort, mein Schulweg zur Heideschule führte mich jeden Tag daran vorbei. Es war mit Hecken und Büschen bewachsenes Niemandsland, auf dem ich nach Spuren jener geheimnisvollen Fremden suchte, von denen meine Großmutter erzählte. Sie waren plötzlich verschwunden, dem Völkermord des großen Verschlingens zum Opfer gefallen, von dem ich damals noch nichts wusste.“ Hier habe Pankok seine Sinti-Bilder gemalt, in einem winzigen Atelier in einem Hühnerstall. „Es waren die Kinder, die zu ihm Vertrauen fassten, ihm Modell standen.“
„Beim Häuten der Zwiebel“: Grass setzt Pankok ein literarisches Denkmal
Als Siebzehnjährige habe sie mit Begeisterung Günter Grass‘ auch in Düsseldorf spielenden Roman „Die Blechtrommel“ gelesen. „Ich wusste nicht, dass sich hinter der Karikatur des kohlenstaubspeienden Professor Kuchens Grass' ehemaliger Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie verbarg: Otto Pankok.“ Ihm habe der spätere Nobelpreisträger im autobiographischen Roman „Beim Häuten der Zwiebel“ ein berührendes Denkmal gesetzt.
Künstler begegnet Menschen aus der vielfach geächteten Minderheit auf Augenhöhe
Die damals sogenannten Zigeuner seien in der Kunst ein beliebtes Motiv gewesen, romantisiert, gefährlich und geheimnisvoll. Malern wie Otto Müller, der sich selbst zum Sinto stilisierte, hätten diese Bilder einen sicheren Absatz auf dem Kunstmarkt beschert. Pankok dagegen begegne dieser Minderheit auf Augenhöhe: „Sie sind nicht Typus, sondern Individuen mit der ihr eigenen menschlichen Würde.“
Gegen den Hass: Eine Fürbitte um Zivilcourage, Mut und Fantasie
Micelline Prochnow, Sprecherin der Frauen-Union MK, bleibt es vorbehalten, in den Fürbitten Schlüsse aus all dem Leid zu ziehen, das sich auch in Pankoks Leben und Werk widerspiegelt: „Für alle, die sich verloren haben in Dummheit, in Vorurteilen und in Hass bitten wir um Besinnung und um Reue und Umkehr. Für die Bürger und Bürgerinnen in unserem Land bitten wir um Zivilcourage, um den Mut, dem Hass zu widersprechen, um Fantasie für neue Worte und Taten der Güte und Menschlichkeit.“