Lürbke. Gut 100 Einwohner, aber 850 Mitglieder im Schützenverein: Die Lürbke bekommt zum „75.“ ein vergnügliches Festbuch.

Er hätte auch Journalist werden können, der Lürbker Chronist und Krippenbauer Ulrich Ostermann. Denen pauken sie in der Ausbildung ein: „Namen sind Nachrichten! Köppe sind Nachrichten!“ Und so gesehen steckt Uli Ostermanns Festbuch zum 75. Jubiläum der Schützenbruderschaft St. Hubertus Lürbke randvoll mit Nachrichten. Die Namen und die Köppe machen es so spannend, und das weit über die kleine Lürbke mit ihren gut 100 Einwohnern hinaus.

Alle Majestäten abgebildet – auch Meiler- und Katerkönige sowie WP-Königinnen

Von denen dürften die meisten mitsamt ihren Altvorderen aufgeführt sein. Denn Ostermann präsentiert sie alle in Wort und Bild: die Könige und Königinnen der Lürbker Bruderschaft und ihrer Jungschützen, die Diözesan-Königspaare, die Meiler- und die Katerkönige. Und selbstverständlich auch die vier WP-Königinnen, die der Verein mit seinen mehr als 850 Mitgliedern bislang hervorgebracht hat.

Gut 100 Einwohner, gut 850 Vereinsmitglieder: Die Lürbke, wie sie leibt und lebt

Jetzt wird mancher stutzen und denken, die WP habe sich verschrieben: gut 100 Einwohner, gut 850 Vereinsmitglieder? Aber genau so ist das in der Lürbke – nach Jahrzehnten legendärer Schützenfeste rund um das lauschig gelegene Hubertusheim. Mehr muss man zur Bedeutung des Schützenwesens für das Köhlerdorf kaum sagen.

Allererstes Werbeplakat fürs Lürbker Schützenfest 1949

Lürbker Schützenhüte: Am 15. April 1950 wurden bei der Mützenfabrik Püttmann in Paderborn 61 „Oberländerhüte“ geordert. Stückpreis: stolze 5,35 Mark.
Lürbker Schützenhüte: Am 15. April 1950 wurden bei der Mützenfabrik Püttmann in Paderborn 61 „Oberländerhüte“ geordert. Stückpreis: stolze 5,35 Mark. © WP | Archiv St. Hubertus Lürbke

Doch Ostermann wäre nicht Ostermann, würde er die Bruderschaft aus seinem geliebten Dorf nicht auch in dessen Historie einbetten und einordnen, auch wenn ihn das alles schlanke 2000 Arbeitsstunden in zwei Jahren gekostet hat. Und nicht wenige seiner Fundstücke aus dem Vereinsarchiv lassen den Leser wirklich schmunzeln. So trieb Ostermann das allererste Plakat auf, mit dem im August 1949 das zweite Schützenfest in der Lürbke beworben wurde. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg war „Gendern“, also die sprachliche Gleichstellung von Mann und Frau, noch ein englisches Fremdwort. So steht auf dem Plakat zu lesen: „Die Mitgliedskarte berechtigt zum freien Eintritt für das Mitglied und eine Dame. Eintrittspreis für Nichtmitglied pro Festtag: für Herren 1,50 DM, für Damen, Arbeitslose und Flüchtlinge (gegen Ausweis) 0,50 DM.“ Aha. Für Damen, Arbeitslose und Flüchtlinge. Immerhin durften die sich damals alle freuen, denn: „Der Festwirt F. Schulte sorgt für gute Speisen und Getränke.“

Lauter jubelnde Könige gleich beim Aufschlagen des Festbuches

Im Einband eine tolle Idee: Hinten wie vorne im Festbuch jubeln die Lürbker Könige aus 75 Jahren.
Im Einband eine tolle Idee: Hinten wie vorne im Festbuch jubeln die Lürbker Könige aus 75 Jahren. © WP | Repro Hagemann / Archiv St. Hubertus Lürbke

Spaß macht auch Ostermanns Einfall, jubelnde Lürbker Schützenkönige und -königinnen aus acht Jahrzehnten als Collage in den Einband zu bringen. So beginnt das Festbuch mit dem, was jedes Schützenfest ausmachen sollte: mit einer Riesenfreude. Auch da arbeitet der Lürbker wie ein Journalist: „Das Wichtigste muss nach vorne.“ Ohne sein eigenes Archiv, das er für die Herkulesarbeit durchstöbert hat, wäre aus dem Festbuch wohl nichts geworden, berichtet Ostermann. Insbesondere das „Buch der Könige“ leistete wertvolle Hilfe.

Mehr als Majestäten: Heimatgeschichte kurz(-weilig) erzählt

Doch diese Chronik bietet mehr als Majestäten. Das beginnt bei lesenswerten Grußworten des 1. Brudermeisters Reinhold Schulte, von Oberst Stefan Kemper, Pfarrer Jürgen Senkbeil, Präses Jörg Cordes, Bezirksbundesmeister Frank Westhoff, Diözesan-Bundesmeister Mario Kleinemeier aus Paderborn und last not least Bürgermeister Roland Schröder. Das setzt sich fort mit den „Begegnungen mit der Geschichte des Dorfes und der Bruderschaft“ zwischen 1152 und 2023 – samt Geschichten über Hexenverbrennungen, die Köhler, die Schule oder die Dorfglocke. Und es endet nach all den Königspaaren in einem bunten Potpourri – um Vogelstangen und Schusstechnik, um Schnappschüsse und Lürbker Impressionen.

Prädikat: „Lesenwert!“

Auflage: 600 Stück

Das Lürbker Heimat- und Festbuch gibt es zum Preis von 20 Euro zu kaufen bei

Breunig und Kölling in Lendringsen,

im Modehaus Wortmann in Lendringsen und

inder Buchhandlung Daub in Menden.

Das Lürbker Heimat- und Jubiläumsfestbuch hat eine Auflage von 600 Stück.

Es berichtet auf 312 Seiten mit 930 Fotos über 871 Jahre Dorfgeschichte von 1152 bis 2023 und 75 Jahre Vereinsgeschichte von 1948 bis 2023. Es ist mit einem Zeitaufwand von über 2000 Arbeitsstunden von Ulrich Ostermann erstellt worden.

Bei der Erstellung dieses Heimat- und Festbuches wurde zurückgegriffen auf das von Ulrich Ostermann selbst erstellte Dorf- und Vereinsarchiv „Lürbker Buch der Könige“, Archiv Karl Hunger und Lürbke Buch „rechts und links der Bieber“ von Wilhelm-Josef und Anni Droste.

Die Herstellung des Buches wurde durch zahlreiche Spenden unterstützt. Die Spender sind im Buch namentlich genannt.

Ein schönes Beispiel liefert die Geschichte des allerersten Schützenfestes von 1948. Das war damals keine Schnapsidee, sondern ein Gedanke beim Frühstück. Im Festbuch schildert Uli Ostermann, was über die Gründung der Schützenbruderschaft überliefert ist. Demnach ging es den Menschen im Dorf in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg schlecht: „Vielerorts beherrschten Hunger und Not, Schwarzmarkt und Hamstern den Alltag. In nahezu allen Lürbker Häusern waren Familien aus ausgebombten Städten an Rhein und Ruhr und heimatvertriebene Deutsche aus den Ostgebieten durch Zwangseinquartierung untergebracht. Noch wartete man in mehreren Familien auf die Rückkehr sich in Gefangenschaft befindlicher oder auch vermisster Soldaten, Ehemänner, Väter und Söhne.

Nach Krieg und „Währung“ wieder Lust auf Lebensfreude

Günter Kordes nach seinem Königsschuss anno 1966.
Günter Kordes nach seinem Königsschuss anno 1966. © WP | Archiv St. Hubertus Lürbke

Mit der Währungsreform ersetzt am 21. Juni 1948 die D-Mark die alte Reichsmark. Nun gilt es das materielle und seelische Chaos zu beseitigen, das öffentliche Leben neu zu ordnen, den Menschen wieder Lebensmut und echte Freude zu schenken, und das Erlebnis dörflicher Nachbarschaft und Gemeinschaft ins Bewusstsein zu bringen.“ In diese Zeit – es ist das Jahr 1948 – fällt laut Ostermann auch die Gründung der St.-Hubertus-Schützenbruderschaft Lürbke. Und wie! Im späten Frühjahr verabreden sich auf dem Hof „bei Heinrich Groß“ die Nachbarn Josef Helle, Heinrich Kordes und Karl Schäfer mit dem Hofbesitzer zur Scheunendachreparatur in Nachbarschaftshilfe. Hier hat Schäfer beim Frühstück in geselliger Runde die Idee, in der Lürbke ein eigenes Schützenfest zu feiern. Mit Lehrer Karl Hunger setzt man sich im Gasthof „Zum Waldschlösschen“ zusammen, um Vorbereitungen einzuleiten.

Am 8. August 1948 treffen sich 32 Lürbker im Gasthof zur Gründungsversammlung. Sie wählen einen Vorstand, geben sich eine erste Satzung und beschließen für den 11. und 12. September das erste Schützenfest auf der Wiese bei Groß zu feiern. Ein Zelt wird gefunden und am Tag vorm Schützenfest aufgestellt. Statt Tischen und Stühlen werden Pfähle in die Wiese gerammt und Tischplatten und Sitzbretter draufgenagelt. Jugendliche und Schulkinder holen Birkenreiser aus dem Wald, als Schmuck für das Zelt.

Und das Fest konnte beginnen.