Menden. Für BVB-Liebhaberin Eva sind die schwarzgelben Meistertrikots an ihrem Fanartikel-Stand auf der Pfingstkirmes Menden jäh zum Ladenhüter geworden.
DAS Bild dieses denkwürdigen Tages, des 27. Mai 2023, entsteht in Menden auf der Pfingstkirmes. Dort packt Eva, die Chefin am Fanartikel-Stand, mit Tränen in den Augen schwarz-gelbe Trikots wieder in den großen Pappkarton ein. Noch am Morgen hatte sie diese Kleidungsstücke mit großer Vorfreude aufgehängt – und selbst eines angezogen. Aufschrift: „Deutscher Meister 2023“. Aber nein, Menden hat keinen Meistertrainer, Mainz hat Edin Terzic und seinen Helden in die Suppe gespuckt. Die Bayern feiern, zum gefühlt 200. Mal nacheinander. Was macht Eva jetzt mit den Trikots? „Weiß ich noch nicht“, überlegt sie. „Vielleicht noch zum Einkaufspreis verkaufen, für fünf Euro oder so.“ Aber wer will diese Looser-Leibchen überhaupt noch haben – und all die Schals, die sie jetzt ebenfalls abhängt. Da sagt sie fast schon trotzig sie den Satz des Tages: „Wenn einer wirklich ein T-Shirt braucht, dann ist doch egal, was draufsteht!“
Wechselbad der Gefühle im „Dicken Baum“ und in der „Mendener Mühle“
In Trikots und mit reichlich Schals verfolgen überwiegend schwarzgelbe Mendener bei Toni in der Mühle und im „Dicken Baum“ am Südwall das Drama. Mal sind sie Meister, mal die Deppen, dann wieder Meister, und am Ende... tja. Auch der Chronist ist selbstredend mit BVB-Schal in Mühle und Baum, bejubelt das 1:1 in Köln und singt nach dem Anschlusstreffer der Dortmunder lauthals mit: „Jetzt geht’s lohoos!“ Und alles nur, um am Ende so frustriert und niedergeschlagen abzudampfen wie alle anderen. (Das gilt übrigens auch für die vier jetzt Schalker, die im Dicken Baum sogar einen eigenes Räumchen für ihr Endspiel in Leipzig eingeräumt bekamen. Hat aber auch nix genutzt. Dafür können die können jetzt auch ohne Zimmerschlüssel behaupten, sie seien im Dicken Baum abgestiegen.)
Iserlohner Bayern-Fan hört an Südwall-Haltestelle im Mini-Radio mit
Einen jedenfalls wird dieser Ausgang freuen: Bayern-Fan Günther Krollmann steht an der Bushaltestelle am Südwall gegenüber vom „Baum“ und hört angestrengt in sein kleines Taschenradio mit Antenne. Beste Live-Übertragung im Radio. „Ich gehöre wohl zu einer aussterbenden Rasse“, lacht er angesichts der vielen Leute um uns herum, die selbstverständlich in ihren Handys nach den Spielständen sehen. Oder gleich live gucken. Krollmann jedenfalls hat die 1:0-Führung seiner Bayern akustisch mitbekommen, und Dortmunds 0:2 auch. Hoffentlich bleibt der Empfang im Bus nach Iserlohn gut, da wohnt er nämlich, der Deutsche Meister.
Geschlagen: Warum sind auf der Kirmes alle nur so fröhlich?
Als Borusse dagegen wundert man sich nach alledem, wie die Leute im Sonnenschein über die Pfingstkirmes noch so fröhlich sein können. Auf dem Rathausplatz gibt’s des Rätsels Lösung. Da überreicht gerade der Luftballon-Clown einem kleinen Mädchen ihren bunten Traum am Bändchen. Gefragt, woher sie kommt, antwortet Emmas nette Mama: „Wir sind aus Griesheim bei Darmstadt und hier zu Besuch bei Oma.“ Na, die arme Oma hat sich nach dem Kick vermutlich erstmal hingelegt. Und Darmstadt? Ist jetzt doch auch Bundesligist. Einer von denen, die unsere Liga so richtig attraktiv machen, die Bayern München in der nächsten Saison wirklich herausfordern. Das wird ohnehin richtig toll: Kein Derby, aber echte Kracher wie Heidenheim gegen Hoffenheim. Am laufenden Band.
Hier geht’s um Luftballons: Clown Charly und Klein-Emma ist der Fußball wurscht
Was soll’s? Emma ist glücklich, das ist jetzt die Hauptsache. Und Charly, dem Luftballonclown, sind solche Sachen sowieso herzlich egal, und wahrscheinlich hat sogar recht. Wo er herkommt? „Na, raten Sie mal“, strahlt er über sein ganzes geschminktes Gesicht. „Ich stamme aus Luxemburg!“ Luxemburg. Pffft. Das könnte unsere famose Nationalelf noch knapp schaffen, mit etwas Glück.
In diesem Moment nehme ich mir felsenfest vor, den Fußball für heute endlich aus dem Kopf zu bekommen. Vielleicht sogar für länger. In Bösperde spielen sie ja ganz erfolgreich Faustball. Da sollte man öfter hin.