Eisborn. Moderne Ausbildung: Johanna Brenscheidt hat sich bewusst fürs Hotelgewerbe entschieden. Warum ihre Geschichte beinahe märchenhaft ist.
Wann Johanna Brenscheidt Geburtstag hat, wird nicht bekannt. Höchstwahrscheinlich aber ist die 18-Jährige ein Sonntagskind. Warum: Das wird klar, als die angehende Hotelfachfrau in Eisborns „Antoniushütte“ ihren Weg zur Ausbildung beschreibt. „Ich war ein bisschen spät dran“, erzählt sie verschmitzt. Und dann folgt eine geradezu märchenhafte Geschichte von einem einzigen Bewerbungsschreiben, einem einzigen Praktikumstag und einer Zusage im vorigen Oktober. Sie hat ihr Leben verändert. Johanna Brenscheidt erzählt ihre Geschichte mit leisem Selbstbewusstsein. Es ist eine Erfolgsgeschichte.
Monika Müthing leitet den Betrieb in Hotel und Restaurant. Auch sie erzählt eine Erfolgsgeschichte, eine Geschichte, die vom guten Ende einer bösen Zeit kündet. Woran macht Monika Müthing das fest?
1,7 Lehrstellen pro Bewerber
„Die Gastronomie hat wieder angezogen, Gott sei Dank“, freut sich die Gastro-Fachfrau. Das hat Folgen. „Wir haben im Moment drei Auszubildende als Hotelfachfrau, wir haben auch noch zwei Studentinnen, die ein Duales Studium machen, mit der IU Hochschule in Dortmund: Hotelmanagement“, berichtet Monika Müthing. „Bei den Köchen haben wir zwei Zusagen, ab August. Die beiden aus Menden sind über ein Schulpraktikum zu uns gekommen.“ Selbst eine Praktikantin von Balves Realschule sieht sich gerade Haus um.
Christian Hoinkis erzählt ebenfalls vom Ausbildungsmarkt. Aber die Geschichte des Experten vom Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur und Jobcenter geht ganz anders. Angebot und Nachfrage klaffen, wie er sagt, immer weiter auseinander. Auf einen Bewerber kommen 1,7 Ausbildungsangebote. „Die Schere wird immer größer“, stellt Christian Hoinkis fest. Seit zwei Jahren hat sich der Markt gedreht. Gut für Bewerber, schlecht für Betriebe. Arbeitgeber, weiß Christian Hoinkis, müssen sich künftig etwas einfallen lassen, um Nachwuchs für die Ausbildung zu gewinnen und danach möglichst zu halten. Mit Hotelchefin Britta Spiekermann steht er nach eigenem Bekunden in regelmäßigem Kontakt. Was Monika Müthing berichtet, überrascht den Ausbildungsexperten nicht: „Ich habe mir schon gedacht, dass die ,Antoniushütte’ viel macht, um Nachwuchs zu gewinnen.“
Schon vor Corona setzte der Traditionsbetrieb auf Praktika, auch auf eintägige Schnupperpraktika, etwa am Wochenende, ohne Schulstress. „Das wird auch sehr gerne von den Bewerbern angenommen“, berichtet Monika Müthing. Beide testen, ob’s passt. Monika Müthing erwartet vor allem Qualitäten wie Einsatzfreude und Freundlichkeit. Vom Praktikum zur Ausbildung ist es offenbar nur ein kleiner Schritt. Doch was passiert danach?
„Alle Schlüsselpositionen im Haus sind von ehemaligen Azubis besetzt“, stellt Monika Müthing fest – vom Koch bis zum Service-Chef, „Wir bemühen uns auch, die Leute zu übernehmen, wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben, zumeist ein Jahr.“ Monika Müthing sagt bewusst, wohl wissend, dass viele Mitarbeitende in anderen Betrieben, Städten, Ländern Erfahrungen sammeln wollen. Nicht wenige von ihnen kehren später zur „Antoniushütte“ zurück.
Johanna Brenscheidt hat schnell die Vielfalt der Aufgaben zu schätzen. Selbst ihre guten Englisch-Kenntnisse kann sie einsetzen und, mit Blick auf die Branchensprache, sogar perfektionieren. Johanna Brenscheidt und ihre Kollegenschar schätzen die familiäre Arbeitsatmosphäre.
Auch wenn sie aus Sunderns Ortsteil Stemel kommt – Mobilitätsprobleme kennt sie nicht. Die 18-Jährige hat ein Auto. Wer keins hat, quartiert sich in Personalzimmern ein, Kost und Logis sind frei.
Karriere-Chancen winken
Berufsberaterin Sandra Friedrich betont, dass Schulabschlüsse eine Nebenrolle spielen. Vom Hauptschulabschluss bis zum Abi: In der Hotelbranche geht einiges. Johanna Brenscheidt hat’s Abi. Ihr stehen Karrierewege offen. Nach der Ausbildung ist Weiterqualifizierung möglich, auch Studium. Monika Müthing: „Das ist ja nur die Basis. Was ich daraus mache, ist eine ganz andere Geschichte. Gehe in ein großes Hotel – werde ich Manager? Gründe ich ein eigenes Hotel?“
Bürgermeister Hubertus Mühling unterstützt das Gespräch über den heimischen Ausbildungsmarkt gern: „In der Gastronomie, in der Hotellerie waren wir bisher noch nicht. Und das ist der Bereich, der in der Corona-Zeit am meisten gelitten hat. Uns ist wichtig zu zeigen, es geht wieder nach vorne.“
Für Johanna Brenscheidt geht’s auf jeden Fall nach vorne. Sie fühlt sich erkennbar wohl – auch mit später Arbeitszeit. „Ich schlafe“, sagt sie augenzwinkernd, „einfach gerne lange aus.“
UNTERNEHMENSPASS: ANTONIUSHÜTTE
Branche: Hotel/Gastronomie
Mitarbeiter: 38
Standort: 1
Tarif: 1100 Euro für Azubis ab 1.8.2023
Arbeitszeit für Azubis: 8 Stunden; 3 Tage Betrieb, 2 Tage Berufsschule; 5-Tage-Woche
Kooperation: Berufsschule; IU Hochschule Dortmund (Hotelmanagement)
Benefits: Personalzimmer, familiäre Atmosphäre
Weiterbildung: Seminare, (Duales) Studium
Besonderheiten: Kost und Logis frei; flexible Arbeitszeitmodelle möglich