Menden. Mit Bernd Mönkebüscher aus Hamm kommt ein Gesicht des Reformwillens in der katholischen Kirche nach Menden. Er ist ein Mann der klaren Worte.
Die Zahl der Kirchenaustritte ist unverändert groß. Viele Menschen trauen insbesondere der katholischen Kirche nicht zu reformfähig zu sein. Die Rolle von Frauen in der Kirche, aber auch von queeren Menschen, dazu immer wieder Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche – gibt es da noch Hoffnung? Pfarrer Bernd Mönkebüscher, der früher auch in Menden tätig war, hat sich vor vier Jahren als homosexuell geoutet und ist Mitinitiator der Aktion #OutInChurch. Im Vorfeld seiner Lesung beim Autorenfrühling am Montag, 27. Februar, im Theater Am Ziegelbrand in Menden hat die WESTFALENPOST Pfarrer Mönkebüscher nach seinem Blick auf die Kirche gefragt.
Von 1998 bis 2003 waren Sie als Pastor im Mendener Ortsteil Hüingsen tätig. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
Es gibt viele Erinnerungen an einzelne Menschen. Schöne Erinnerungen. Aber auch nahegehende, wenn es um die Begleitung von Menschen in schweren Stunden ging. Ich erinnere mich gern an die ehrenamtlich Mitarbeitenden. Allerdings gebe ich zu, dass ich ein schlechtes Namensgedächtnis habe…
Gibt es aus dieser Zeit noch Verbindungen? Haben Sie noch Kontakte hierher?
Ja. Einige Verbindungen bestehen weiterhin. Das sind dann eher freundschaftliche. Herausforderungen an der neuen Stelle beanspruchen einen ganz, sodass das gar nicht anders möglich ist, als mit dem Verlassen einer alten Stelle auch wirklich Abschied zu nehmen.
Wie hat sich seit der Zeit damals die Arbeit als Pfarrer in der katholischen Kirche verändert?
Sie hat sich sehr verändert. Das wird zunächst an Zahlen erkennbar. Die Zahl der Gottesdienst feiernden Menschen hat massiv abgenommen. Die Kirchenaustritte nehmen zu. Die Missbrauchsverbrechen, das Wahrnehmen, wie sehr diese vertuscht wurden, um Täter und damit auch Kirche zu schützen, stellen eine Zäsur dar. Und überschatten alles. Menschen wissen nicht mehr, wem sie noch Glauben schenken können. Mir geht es genauso. Wem kann ich was glauben? Was bedeutet es heute, Gott Vertrauen zu schenken? Und wen meine ich, wenn ich „Gott“ sage? Dann ist es so, dass die Grenzen immer mehr verschwimmen. Das Internet weicht die Grenzziehungen einer Pfarrei auf. Briefe und E-Mail-Kontakte bundesweit gehören mittlerweile auch zum Alltag.
Sie leiten in Hamm zwei große Pastoralverbünde. Bleibt Ihnen da bei all den administrativen Aufgaben noch genug Zeit für intensive Kontakte mit den Gläubigen?
Ich bin als Leiter eingesetzt, aber wir arbeiten ja in einem Pastoralteam mit mehreren Priestern sowie Gemeindereferentinnen und -referenten. Die Aufgaben sind unterschiedlich verteilt. Administrative Aufgaben beanspruchen schon, aber sie dienen der Ermöglichung von Kontakten und Begegnungen in den Gemeinden. Und es ist nach wie vor so, dass Menschen in seelsorglichen Fragen und Herausforderungen sehr schnell mit jemandem aus dem Pastoralteam in Kontakt geraten können. Auch mit mir.
Sie stehen der katholischen Kirche ja durchaus kritisch gegenüber. Der Titel Ihres neuen Buches „Es schmeckt nach mehr – In der Kirche ist für alle Platz“ legt aber auch nahe, dass Sie noch Hoffnung haben. Glauben Sie, dass die katholische Kirche wirklich zu großen Reformen fähig ist?
Ich hätte den Untertitel anders formuliert. „Es schmeckt nach mehr – WENN in der Kirche alle Platz haben“. Der Verlag hat es anders entschieden. Ich kann die Frage nicht beantworten. Ich schwanke. Einerseits denke ich, dass das Pontifikat von Papst Franziskus eine Menge bewegt, eine offene Rede nach Jahrzehnten der Angst ist möglich. Andererseits denkt und lenkt Kirche immer noch von „oben nach unten“, diskriminiert, indem sie Frauen und Männer ungleich behandelt oder queeren Menschen sagt, sie seien „in sich nicht in Ordnung“. Reform bedeutet in der Kirche der Blick auf Jesus. Können Sie sich Jesus mit Stab und Mitra vorstellen? Oder so, dass er heute sagt: Ich möchte nur Männer als meine Apostel?
Ihre Lesung in Menden findet nicht in einer Kirche statt, sondern auf einer Theaterbühne. Wird Ihnen die sakrale Umgebung möglicherweise fehlen?
Nein. Selbst Gottesdienste brauchen keine sakrale Umgebung. Es geht um die Menschen. War die Geburt Jesu in einer sakralen Umgebung? Die ersten Zusammenkünfte der Christen zu Gottesdiensten waren in den Häusern, also keine sakrale Umgebung. Kann sakrale Umgebung mitunter vielleicht sogar zum Selbstzweck werden?
Wer sollte Ihr Buch lesen?
Die Idee des Buches ist das Niederschreiben von Gedanken oder Fragen, die ich mir als Priester stelle. Diese Gedanken verbinde ich mit der biblischen Emmaus-Geschichte. Es ist mein Blickwinkel. Aber es gibt ja ganz viele andere Blickwinkel. Wenn das Buch zur Auseinandersetzung und zu Diskussionen einlädt und bewegt, wäre es schön. Und wenn es dazu hilft, sich auch mit dem eigenen Glauben auseinanderzusetzen, sich die Frage zu stellen, wer „mein Gott“ ist, wäre das stark. Manchmal ist es Gebot der Stunde, den Glauben zu retten in Distanz zur Kirche, vor allem da, wo es Fehlverhalten gibt.