Menden. „Nie dagewesene Herausforderungen“ erleben die Schulsozialarbeiterinnen der Stadt. Ausgerechnet jetzt sollen Stellen wegfallen.
Massive Folgen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche: Deshalb will die Stadt Menden die Sozialarbeit an allen zwölf Schulstandorten unbedingt in vollem Umfang behalten. Doch das Landesprogramm „Aufholen nach Corona“, das dafür eingerichtet wurde, läuft Ende 2022 aus. Die Stadtverwaltung empfiehlt daher den Politikern, die für Kinder, Jugend und die Schulen zuständig sind, dringend die Entfristung von 1,5 Stellen Schulsozialarbeit, die sonst wegfielen.
Zu wenig Kontakte, zu viel Medien, Bewegungsmangel und falsche Ernährung
Zur Begründung heißt es: Die Schulsozialarbeit ist gerade nach dem vermeintlichen Ausklingen der Corona-Pandemie wichtiger denn je. Denn die Auswirkungen von Schul- und Kitaschließungen seien massiv – auch in Menden: Durch die Veränderung der Alltagsstruktur und die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Phase hätten bei Kindern und Jugendlichen Zukunftsängste, Leistungsdruck und Vereinsamung zugenommen. Der mangelnde Kontakt zu Gleichaltrigen, übermäßiger Medienkonsum, Bewegungsmangel und Fehlernährung während der Pandemie seien „ein Risiko für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen“.
Verstärkt Symptome wie Ängstlichkeit, Depressivität und Hyperaktivität
Gerade die psychischen Belastungen seien im Verlauf der Pandemie gestiegen: „Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien oder aus Familien mit Migrationshintergrund sind überproportional von einer Zunahme psychischer Symptome wie Ängstlichkeit, Depressivität und Hyperaktivität sowie Einbußen in der Lebensqualität betroffen“, heißt es in dem alarmierenden Bericht der Mendener Stadtverwaltung weiter. Kinder hätten zugleich häufiger räumliche Enge und Gewalt erlebt – aber auch Einsamkeit, wenn sie keine Geschwister haben.
Schulsozialarbeit erlebt „noch nie dagewesene Herausforderungen“
Aktuell erlebe die Schulsozialarbeit deshalb „noch nie dagewesene Herausforderungen“. Die Pandemie und ihre Folgen führe zu immer mehr und immer intensiveren Beratungs-Anfragen durch Schülerinnen und Schüler, Eltern, aber auch Lehrkräfte. So ist schon an der schieren Zahl der Beratungsanfragen abzulesen: Waren es im Jahr 2020 noch 587 Beratungsfälle, so liege man 2022 bisher schon bei 860. Das bedeute einen prozentualen Anstieg um 57 Prozent.
Bereits im Erstgespräch Kinder „mit massiven und manifestierten Störungen“
Ähnliche Erfahrungen und ebenfalls steigende Zahlen werden von den „Hilfen zur Erziehung“ und den Beratungsstellen gemeldet. Hier berichten die Fachkräfte von einer deutlichen Zunahme an Kindern und Jugendlichen, „die bereits zum Erstgespräch mit massiven und manifestierten Störungen erscheinen“. Dies stelle eine deutliche Veränderung im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie dar. Hier sei die Schulsozialarbeit der erste Zugang zum Hilfesystem. Und: Durch die Bindung der bereits vorhandenen Kräfte – in Menden durchweg Frauen – könne sich die Verwaltung an dieser Stelle dem Fachkräftemangel aktiv entgegenstellen und den Mendener Schulen und deren Schülerinnen und Schülern eine kontinuierliche und zuverlässige Betreuung und Beratung durch Schulsozialarbeit bieten.
Stadtverwaltung will 6,5 Stellen behalten – auch ohne Geld vom Land NRW
Ausgerechnet in diese Situation hinein erfolgt jetzt jedoch das Auslaufen der 1,5 befristeten Stellen, die derzeit zu fünf festen Stellen hinzukommen. Die Stadt will ihre Schulsozialarbeit aber in vollem Umfang beibehalten, also bei den 6,5 heutigen Stellen bleiben. Und damit ist man auch bei den Kosten.
„Aufholen nach Corona“ – für den Staat ist das schon bald beendet
Eine Teilfinanzierung der fünf festen Stellen erfolgt seit Jahren über die Bundesmittel für Soziale Arbeit an Schulen. Diese Gelder, etwa 100.000 Euro pro Jahr, werden vom Märkischen Kreis an die Kommunen weitergeleitet, wobei die genaue Höhe leicht variiert. Durch die Einrichtung der Fördergelder „Aufholen nach Corona“ für die Jahre 2021 und 2022 konnten kurzzeitig bestehende Arbeitsverträge erhöht werden, und Anfang 2022 besetzte die Stadt damit auch die zusätzlichen 1,5 Stellen, deren Finanzierung jetzt ausläuft.
Stadt will weiter 6,5 Stellen für alle zwölf Schulstandorte behalten
Mit der Weiterbeschäftigung und Entfristung der 1,5 Stellen ab 2023 will sich die Stadt Menden in der Schulsozialarbeit zukunftsfähig aufstellen, den Herausforderungen gut gerüstet begegnen und angemessen und flexibel agieren können. Damit stünden dann weiterhin 6,5 Vollzeitstellen für neun Schulen mit zwölf Standorten zur Verfügung.
Der Schulausschuss der Stadt berät das Thema öffentlich am 5. November im Mendener Ratssaal.