Niederbarge. Nachbarn in Niederbarge haben die Grüne Bude im Sommer renoviert. Einst traf sich dort die Jugend des Dorfes: Paul Helmig erinnert an die 80er.

„Nachbarn erneuern ihren Kindheitstreff“ – so titelte die WP im September. Anwohner aus Niederbarge hatten eine ausgediente Bushaltestelle renoviert und verschönert. Die „Grüne Bude“ diente früher im Dorf als Jugendtreff. An diese Zeit erinnert sich Paul Helmig, der Autor dieses Artikels, gerne zurück – dort wurde an Mopeds geschraubt, ein Motorradclub gegründet, und Ärger mit den Nachbarn, den gab’s natürlich auch.

Es war 1979. Supertramp empfahlen uns immer den langen Weg nach Hause zu nehmen, Roger Waters schrieb in Pink Floyds Doppelalbum „The Wall“ Songs über sein bisheriges Leben. Im Kino erhielt Rocky Balboa seine Revanche gegen Apollo Creed. Wir hatten damals ganz andere Probleme und trafen uns noch an der Straße Im Tiergarten in Niederbarge an einem Vorgartenzaun. Die nahe gelegene Bushaltestelle wurde da noch von den etwas Älteren als Treffpunkt genutzt. Wenn wir dort auftauchten, gab es Ärger. Ich selbst war 15 und stolzer Besitzer einer Mofa (Hercules Prima 5). Wir trafen uns zwei- bis dreimal die Woche und quatschen vor allem über Musik und Mopeds. Wir Jungs hörten viel AC/DC, Status Quo und Queen, einige auch ELO und Barclay James Harvest. Die Mädels allerdings hörten die erste deutsche Boygroup namens „The Teens“. Doch damit nicht genug, sie gründeten einen Fanclub den „Teensclub“. Das konnten wir Jungs gar nicht nachvollziehen. Ab und zu ging es zur nächsten Gastwirtschaft in der Nachtigall-Siedlung in Wimbern. Hier gab es unter anderem Curry-Bockwurst mit Pommes – ein Highlight. Da diese Kneipe vormals mal von einer Frau mit sechs Töchtern betrieben wurde, dürfte sie den Älteren noch als „14 ……-Bar“ bekannt sein.

Mithilfe von Fördergeld renoviert

In diesem Sommer haben Nachbarn die „Grüne Bude“ wieder aufpoliert. In den Anfängen war die ehemalige Bushaltestelle eine grün gestrichene Holzhütte. Später wurde sie in Beton neu errichtet und war bald ein beliebter Treff der Dorfjugend.

Aus dem Landesprogramm „2000 mal 1000“ für nachbarschaftliches Engagement gab’s 1000 Euro Förderung für die Renovierung.


1980 versuchte Marius Müller-Westernhagen in „Theo gegen den Rest der Welt“ seinen gestohlenen Laster wiederzufinden. Wir waren in Trauer, da der Sänger von AC/DC, Bon Scott, nach zu viel Alkohol an seinem Erbrochenem erstickt war und in New York wurde John Lennon erschossen. Aus dem nahen Hagen kam etwas ganz Neues. „Extrabreit“ sangen „Hurra, hurra die Schule brennt“. Neu war, dass auch deutsch gesungene Lieder cool sein konnten. Die „Grüne Bude“ wurde nun von uns als Treffpunkt übernommen, weil die Generation über uns sich jetzt nur noch in Discos traf. Bei uns wurden viele Mofas durch Mokicks und die ersten 80er Leichtkrafträder ersetzt. Wenn wir mit der Reparatur nicht weiter kamen, gingen wir zu G., unserem Schraubergenie. G. ist blind und baut einen ganzen Motor komplett auseinander und wieder zusammen. Begeistert waren auch wir über die freizügigen Poster in seinem Zimmer. Er sagte dazu nur: „Ich weiß gar nicht, was da drauf ist, meine Mutter meinte, die wären ganz cool und hat sie für mich aufgehängt.“ Wenn unsere Mopeds wieder schnurrten, konnten wir nun ins Copacabana genannt Copa in Wickede fahren. Hier wurden sonntagnachmittags Teeniediscos gestartet. Da es bis in den Abend ging, nannten wir es auch Frisösenball. Ansonsten trafen wir uns eigentlich täglich an der „Grünen Bude“. Ab und zu konnten wir auch eine Fete in einem Partykeller feiern, wie in dem damaligen Film „La Boom – Die Fete“.

1983: Paul Helmig an der Grünen Bude
1983: Paul Helmig an der Grünen Bude © Paul Helmig | Privat


1981 war WDR 2 noch der Jugendsender. Montags gab’s die „Schlagerrallye“ und mittwochs „Mal Sondocks Hitparade“. Im Kino tauchte Herbert Grönemeyer im Boot ab und wir sahen, wie sich Christiane F. am Bahnhof Zoo in Berlin fast den goldenen Schuss gab. Für uns war der Film brutal ehrlich wie eine Leggins, aber dadurch auch warnend. An der „Grünen Bude“ gab es keine illegalen Drogen. Unser Treffpunkt wurde immer beliebter. Wir Jungs hatten damit kein Problem, aber neue Mädels wurden oft von den anderen „weggebissen“. Es wurde der Motorradclub „The Riding Eagles“ gegründet. Jedes Mitglied hatte natürlich seine eigene Kutte mit Emblem. Als wir für eine Portion Pommes nach Dortmund gefahren waren, übersah ein Kumpel auf dem Rückweg ein Auto, und stieg über den Lenker seiner Honda MTX 80 ab. So ging es mit dem Rettungswagen nachts um eins zum Krankenhaus in Unna, Diagnose: Schlüsselbeinbruch. Wir haben anschließend seine Eltern aus dem Schlaf geklingelt und die unangenehme Botschaft überbracht.


1982 wollte E.T. nach Hause telefonieren. Er hat aber sicher nicht die 32168 gewählt. Dies war nämlich die Nummer von Rosi im Münchner Sperrbezirk. Viele Jugendliche wurden entweder anarchische Punks oder angepasste Popper, mit passenden Outfits und Frisuren. Beide Spezies wurden bei uns nicht gesichtet, dafür wurde es aber lauter. Dies Problem versuchte man damals noch ohne Polizei zu lösen. Eines Abends kam ein Nachbar zu uns und sagte: „Mir reicht’s, der nächste, der bei mir vor der Hecke vorbei fährt, bekommt einen Eimer Wasser über den Kopf“. Als sich die nächste 80er näherte, sprang unser Nachbar hervor, hielt das Moped an und schüttete tatsächlich einen Eimer Wasser über den Fahrer aus. Sehr lustig, weil er gar nicht zu uns gehörte.

Eines Tages stand ein Bagger vor der Haltestelle und sollte die „Grüne Bude“, damals noch eine Holzhütte, abreißen. Dies verhinderten wir, indem wir die Bude besetzten. Ein Vater organisierte die Presse (siehe Bild oben). So konnten wir erreichen, dass die Bude zumindest zu einem benachbarten Pferdehof gebracht wurde. Wir bekamen die in diesem September verschönerte Beton-Variante.

Die neu gestaltete Grüne Bude in Niederbarge.
Die neu gestaltete Grüne Bude in Niederbarge. © Yasser Aboshaeer | Yasser Aboshaeer


1983 führte der traumatisierte Vietnamveteran John Rambo Krieg gegen ein Police Department. Prince sang über seine kleine rote Corvette. Dazu reichte es bei uns nicht, aber auch zur Bude kamen jetzt die ersten Autos. Dies erweiterte unseren Aktionsradius natürlich gewaltig. Oft fuhren wir ins Rollerland in Lendringsen, aber auch weiterhin ins Copa nach Wickede. Außerdem kam das Bierdorf in Werl, das Remember in Menden, das Playa in Soest oder die Tenne in Hamm-Pelkum dazu. In Balve-Sanssouci befand sich das Come Back mit damals spektakulären Bose 801 Boxen. An der Ruhr veranstalteten wir auch ein kleines Zeltlager mit Grillabend oder Freiluftdisco. Natürlich machte jeder auch Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Das Thema habe ich jedoch bewusst ausgelassen, es wäre zu kompliziert geworden. Auch die nächsten Jahre blieb die Haltestelle unser Treffpunkt, von dem aus wir viele Aktivitäten starteten. Es war eine schöne Zeit, unsere Jugend an der „Grünen Bude“ in Niederbarge.