Menden. Er soll wie von Sinnen gewesen sein: Ein ehemaliger Arzt soll einen Kollegen kurz vor einer OP angegriffen haben. Jetzt steht er vor Gericht.
Spektakuläre Szenen im OP-Saal des St. Vincenz-Krankenhauses. Ein Arzt griff einen Krankenpfleger an und traktierte diesen mit Faustschlägen, kurz bevor eine Operation beginnen sollte. Vorausgegangen sein soll ein mutmaßlicher sexueller Übergriff. Vor dem Mendener Amtsgericht fiel nun das Urteil.
So einen Vorfall, der jetzt gut ein Jahr her ist, haben alle Beteiligten vorher wohl noch nie erlebt. Es war ein Morgen Anfang Oktober 2021 als in den OP-Sälen des Vincenzkrankenhauses der Betrieb für den Tag und damit auch erste Patienten für ihre Operation vorbereitet wurden. Da erschien ein Arzt in den Räumen, ordnungsgemäß in OP-Kleidung gehüllt, obwohl er zu dieser Zeit eigentlich gar nicht im Dienst war, geschweige denn für eine der Operationen eingeteilt. Sein Ansinnen war ein anderes, für das er sich extra Zutritt zu dem sensiblen Bereich verschaffte, der sonst freilich für Unbeteiligte nicht zu betreten ist.
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Der Arzt, heute 36 Jahre alt, stellte einen Krankenpfleger zur Rede, der im OP-Saal mit Vorbereitungen für eine Operation beschäftigt war. Jetzt sofort wollte er mit ihm ein Gespräch führen. Da der vorbereitete Patient für die OP gut versorgt war und betreut von anderen Pflegern und einem Arzt, kam der Krankenpfleger dem Wunsch des Arztes nach und man ging in einen Vorraum. Statt eines Gesprächs hagelte es dann aber sofort Faustschläge für den Krankepfleger.
Kollegen geschockt und versuchen die beiden Männer zu trennen
Ein Tumult, der natürlich auch die anderen Krankenhausmitarbeiter in der unmittelbaren Umgebung aufschreckte. Komplett geschockt von der Schlägerei, so berichteten mehrere Pflegerinnen nun in ihrer Zeugenaussage vor dem Mendener Amtsgericht, versuchten sie die beiden Männer zu trennen, Hilfe zu holen beziehungsweise vor allem den Pfleger vor den Faustschlägen des Arztes zu schützen.
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Denn dieser, so schilderten sie weiter, trommelte wie von Sinnen weiter auf den Pfleger ein, würgte ihn auch, drückte ihn an die Wand, wie die Zeuginnen schilderten. Teilweise mit tränenerstickter Stimme berichteten sie in der Gerichtsverhandlung dass sie Angst hatten um das Leben ihres Kollegen in dieser Situation. Erst mit mehreren Personen sei es gelungen, den 36-jährigen Arzt schließlich zurückzuhalten.
Sexueller Übergriff am Vortag?
Wie konnte es zu dieser Eskalation kommen? Als Angeklagter durfte der Arzt in der Verhandlung seine Version als erstes schildern. Die Handgreiflichkeiten bestritt er nicht, seine ersten Schilderungen klangen allerdings fast nach einer Notwehr. Das spätere Opfer habe zunächst wild mit den Händen gefuchtelt. „Dann habe ich ihm aus Wut eine Ohrfeige gegeben.“
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Zu den Gründen sagte der Angeklagte: Am Tag vorher habe es zwischen den beiden Männern einen Vorfall im Krankenhaus gegeben, eine sexuell übergriffige Berührung durch den Pfleger gegen ihn, wie es der Beschuldigte darstellte. „Deshalb wollte ich ihnen einen Tag später zur Rede stellen.“ Dafür nahm der Arzt auch größere Mühen auf sich, kam außerhalb seiner Dienstzeit zum Krankenhaus, absolvierte die ordnungsgemäße Einschleusung in den OP-Bereich, zog die entsprechende Kleidung an. Und ging gezielt zu dem Pfleger.
„Das ist ja kein Affekt“, stellte eine der anwesenden Krankenschwestern fest. Auch der Angeklagte selber war schon vorher von seiner Notwehr-Erklärung abgerückt und hatte erklärt: „Es tut mir leid, dass es so ausgeartet ist.“ Und er beteuerte, zum Zeitpunkt des Angriffs sei kein Patient im OP gewesen. Eine Behauptung der alle anderen Zeugen widersprachen. An seiner Behauptung von der sexuellen Belästigung hielt er allerdings auch jetzt vor Gericht fest. Der Arzt hatte damals eine Anzeige bei der Polizei gegen den Pfleger aufgegeben deshalb. Die Ermittlungen wurden aber eingestellt.
Opfer bestreitet Vorfall: Kein unsittliches Verhalten im Vorfeld
Der Krankenpfleger sagte dazu im Gericht: „Die Verletzungen durch die Schläge waren nicht so schlimm. Was mir am meisten zu schaffen gemacht hat, waren die Vorwürfe der sexuellen Belästigung.“ Diese bestritt er vehement. Er arbeite seit vielen Jahren im Mendener Krankenhaus, habe nie Schwierigkeiten mit Kollegen oder Patienten gehabt, geschweige denn disziplinarische Maßnahmen und habe sich auch an übergriffigem Verhalten außerhalb des Arbeitsplatzes noch nie etwas zu Schulden kommen lassen.
Am Tag vorher habe man sich nur gegenseitig ein bisschen mit Sprüchen und Gesten gefoppt. Vielleicht sei dabei nicht jede Formulierung besonders angemessen gewesen, stellte auch der Pfleger fest. Der Arzt hingegen wurde auch von mehreren Krankenschwestern als unangenehmer Zeitgenosse dargestellt, impulsiv und unhöflich vor allem gegenüber Untergebenen. Bei den Pflegerinnen entschuldigte er sich im Gerichtssaal, eine von ihnen hatte in der Prügelei vor einem Jahr auch Schläge abbekommen, als sie die beiden Männer trennen wollte. Der Arzt wurde danach vom Krankenhaus sofort fristlos entlassen.