Frömern. Notfallseelsorger und Ur-Frömerner Ingo Janzen klärt freiwillige Helferinnen und Helfer auf: Wie geht man mit traumatisierten Flüchtlingen um?

Für alle, die angesichts der Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine fliehen, helfen wollen oder bereits helfen, hat jüngst die Evangelische Kirchengemeinde Frömern zu einer Grundlagenveranstaltung „Trauma, Psychohygiene, Prävention“ eingeladen. Das Seminar leitete Ingo Janzen, Pfarrer für Notfallseelsorge in der Region Hellweg und Sohn des langjährigen Frömerner Pfarrers Hans-Jürgen Janzen. In Frömern aufgewachsen, war die Veranstaltung für ihn ein Heimspiel.

Viele wollen Räume für Flüchtlinge zur Verfügung stellen – und sind unvorbereitet

25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kann Pfarrer Gisbert Biermann begrüßen. „Angesichts der Bilder aus der Ukraine und den benachbarten Ländern entsteht bei vielen der Wunsch, schnell und unkompliziert zu helfen. Spontane Sammlungen und Transporte sind vor Ort organisiert, und sogar zur Bereitstellung von Räumen für Flüchtlinge melden sich Menschen“, schreibt der Kirchenkreis Unna auf seiner Internetseite zur Ausgangslage. Damit diese Helfenden nicht unvorbereitet auf unter Umständen schwer traumatisierte Flüchtlinge treffen und überfordert werden, bereitet der Notfallseelsorger die Besucher der Veranstaltung auf das vor, was sie im Kontakt mit Flüchtlingen erleben könnten. Unterstützt wird er dabei von Sebastian Richter, ehrenamtlicher Mitarbeiter und ehemaliger Jugendreferent der Gemeinde, der sich um die per Internet zugeschalteten Personen und die Präsentation auf der Leinwand kümmert.

Helfen, ohne die Nerven zu verlieren: Es gibt Angst vor Überforderung

Kontakte für Hilfswillige und Ratsuchende

Kontakte für Gespräch und Beratung: Pfarrer Gisbert Biermann 02378/2071, g.biermann@freenet.de; Jugendreferentin Zarah Gersdorf, 0177 6701342, zarah.gersdorf@froemern.org; Notfallseelsorger Ingo Janzen, 0160 8249024, ingo.janzen@ notfallseelsorge-ekvw.de; Sozialpädagoge Sebastian Richter, 0175 7940197, seba@froemern.org

Mit dem Lied „Ganz einfach“ stimmte Ingo Janzen seine Zuhörenden auf den Abend ein, der drei Stunden dauern soll. „Ein Lied zum Innehalten, zum Zuhören, zum Ruhefinden“, sagt er, während Karten in verschiedenen Farben ausgeteilt werden. Rot steht für Befürchtungen, Gelb für konkrete Probleme, Blau für „Warum mache ich das?“ und Grün für „Was ist mein Gewinn?“ Das Friedensgeläut der Kirchenglocken um 18.24 Uhr schallt in den Raum. „Das machen wir im Kirchenkreis Unna auch weiterhin in Erinnerung daran, dass der Krieg in der Ukraine am 24. Februar begann“, erklärt Pfarrer Gisbert Biermann. Sebastian Richter führt mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter, die er aus der Bibel vorliest, in die Problematik des Helfens ein. In der folgenden Auswertung der Karten wird deutlich, dass das Helfen auch Probleme und Befürchtungen mit sich bringen kann, etwa Sprachprobleme oder Angst vor Überforderung und belastenden Situationen.

Die Ohnmacht überwinden: „Wir müssen die Menschen handlungsfähig machen“

Doch auch Positives kann bei den Helfenden bewirkt werden. Die Überwindung von Ohnmacht ist eine Hoffnung, die deutlich wird. „Ohnmacht ist das Gefühl, mit dem wir am schlechtesten umgehen können. Wir müssen Menschen handlungsfähig machen“, betont Janzen. „Wie kann ich helfen, ohne die Nerven zu verlieren? Wo bekomme ich Hilfe und Unterstützung? Wie können wir uns gegenseitig stärken? Wie gehe ich mit Problemen um?“ Das sind Fragen, die viele Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung beschäftigen.

Leuchtturmprojekt will Geflüchteten Normalität schenken: Malen, Spielen, Kochen

Diskussionsrunde bei der Veranstaltung in Frömern zum Umgang mit Traumata bei Geflüchteten: Potenzielle Helferinnen und Helfer erhalten viele Tipps – zum Beispiel den, von spontanen Umarmungen der Ankömmlinge abzusehen.
Diskussionsrunde bei der Veranstaltung in Frömern zum Umgang mit Traumata bei Geflüchteten: Potenzielle Helferinnen und Helfer erhalten viele Tipps – zum Beispiel den, von spontanen Umarmungen der Ankömmlinge abzusehen. © Unbekannt | Peter Müller / WP

Auch Ina Hinz aus Ardey und Antje Borchers aus Frömern wollen helfen. „Ich habe den Wunsch mich einzubringen. Ich kann zwar keine Menschen bei mir aufnehmen, aber ich möchte im Rahmen der Möglichkeiten mitmachen“, erklärt Ina Hinz ihre Motivation. Auch Antje Borchers sucht noch nach konkreten Möglichkeiten. Jutta Neumann ist aus Frömern und vom Leuchtturmprojekt. „Wir möchten den Menschen, die zu uns kommen, Raum und Zeit für den Austausch geben. Mit Malen, Spielen, Kultur, Kochen oder Spaziergängen möchten wir etwas Leichtigkeit und Freude ins Leben bringen“, sagt sie. 55 Flüchtlinge seien bereits in Ostbüren und Frömern angekommen.

Guter Wille braucht Grenzen: „Auch für Helfende gibt es Hilfe“

Aufopferungsvolles Handeln ist gut. Es braucht aber eine Grenze“, macht Ingo Janzen deutlich. Man müsse die eigenen Grenzen wahrnehmen und diese auch respektieren. Aus Mitfühlen könne sonst Mitleiden werden. Auch Helfende brauchten manchmal Hilfe. Janzen ruft auch dazu auf, Grenzen einzuhalten und sich bei Körperkontakt zurückzuhalten. „Nehmen Sie niemanden ungefragt in den Arm, das würden Sie auch nicht wollen“, rät er. Im Verlauf des Abends gibt er viele wertvolle Tipps und Hinweise für den Umgang mit Geflüchteten, verliert aber auch nie die Helfenden aus dem Auge: „Die eigene psychische Gesundheit ist wichtig. Auch für Helfende gibt es Hilfe.“