Menden. Maria aus Odessa dankt den Mendenern für Schutz und Sicherheit. Ein Blick in die Aufnahmeeinrichtung an der Henninghaus-Straße.

„Sagen Sie bitte den Menschen in Menden, wie dankbar wir sind. Man hat uns sehr gut aufgenommen, wir sind hier sicher, haben Essen und Zimmer. Aber wir wollen auch selbst wieder etwas tun, rasch die Sprache lernen und arbeiten.“ Dann sagt Maria, die nach tagelanger Irrfahrt in Bussen aus Odessa in Menden angekommen ist: „Wenn es geht, wollen wir auch wieder nach Hause, wo die Großeltern sind.“ Aus Sorge um Oma und Opa von Töchterchen Stella bittet Maria im Übergangsheim an der Bischof-Henninghaus-Straße, auf Fotos nicht erkennbar zu sein und Nachnamen nicht zu veröffentlichen. Sie sind in Menden, sie sind in Sicherheit, doch die Angst vor Putin reicht weit. Erst recht, wenn sie von zuhause die unheilvollen Nachrichten von Verwandten und Bekannten auf ihren Handys sehen.

Kinder erschöpft: Tagelange Irrfahrt in Bussen durch halb Osteuropa

Maria und ihre Freundin Lili konnten noch gemeinsam mit ihren Männern und drei Kindern fliehen. „Am 24. Februar hieß es, dass wir schnell aus Odessa raus in umliegende Dörfer fliehen sollten“, berichtet Lili. Große Städte seien gefährlich. Sie packen rasch die nötigsten Sachen, betanken die Autos und stellen sich in die lange Schlange. Nach zwei Tagen auf dem Dorf beschließen sie dann ganz zu gehen. Männer dürfen da noch ganz offiziell mit ausreisen.

Es beginnt eine Irrfahrt in Bussen durch halb Osteuropa. In Moldawien dürfen sie in einer evangelischen Kirche schlafen, dann geht es über Rumänien, Ungarn, die Slowakei und Tschechien jeweils mit mehrtägigen Aufenthalten bis nach Deutschland. Die Route bestimmt die Gemeinde, die sie in der Kirche hat übernachten lassen. Sie lotst beide Familien bis in eine deutsche Stadt, deren Namen sie nicht mehr wissen. Dort erinnert sich Maria an einen weitläufig Verwandten. Den ruft sie an. Der Verwandte lebt in Menden, holt sie im Auto ab und meldet sie in der Stadt an: „So kamen wir hierher.“

Jetzt rascher Umzug in eigene Wohnung: Stadt hat neue Bleiben vermittelt

Die Mendener Sozialarbeiterin Gaby Boss mit Erstversorgungs-Paketen. Sie stehen auch nachts und an Wochenenden bereit: „Wir wissen nicht genau, wann Geflüchtete herkommen.“
Die Mendener Sozialarbeiterin Gaby Boss mit Erstversorgungs-Paketen. Sie stehen auch nachts und an Wochenenden bereit: „Wir wissen nicht genau, wann Geflüchtete herkommen.“ © Westfalenpost | Andreas Dunker

Gaby Boss, Sozialarbeiterin der Stadt Menden, hat inzwischen richtige Wohnungen für die Familien gefunden. Schon am Montag soll der Umzug sein. Während sich Boss darüber freut, dass der Übergang dank der Angebote von Wohnungsgesellschaften und Bevölkerung reibungslos läuft, wirkt Maria noch sehr unsicher: „Wir wissen ja nicht, wo das genau ist“, sagt sie. Es sei schwierig, „alles ist fremd“, und sie mache sich Sorgen um die Zukunft der Kinder. „Die verstehen gottseidank noch nicht, was passiert ist.“ Weil Odessa bisher nicht umkämpft war, hätten ihre Kinder auch keine schrecklichen Szenen erleben müssen. Sie fragten nach Oma und Opa. Und die kleine Stella will von unserer Übersetzerin Elena wissen, ob sie hier in Menden auch in die dritte Klasse gehen darf – wie zuhause. Stella hat Angst, wieder ein i-Dötzchen zu werden, weil sie noch nicht so gut Deutsch kann.

Hohe Sprachbarriere: Wichtige Informationen über Ankömmlinge fließen spärlich

 Thomas Hagemann (WP) im Interview mit Maria aus der Ukraine in der kleinen Küche des Übergangsheims an der Bischof-Henninghaus-Straße.
Thomas Hagemann (WP) im Interview mit Maria aus der Ukraine in der kleinen Küche des Übergangsheims an der Bischof-Henninghaus-Straße. © Westfalenpost | Andreas Dunker

Überhaupt, die Sprache: Erst dank Elena erfährt Gaby Boss, dass Maria Buchhalterin einer Baufirma ist, ihr Mann Bauarbeiter, dass Lili in Odessa Lehrerin war. Berufe, die auch in Menden gebraucht würden. Vor alIem werden mehr Übersetzer gebraucht. Ein Beispiel: In Lendringsen erhält das Team um Petra Homberg am Freitag im Pfarrsaal von St. Josef viele Spenden: Babysachen, Pflegemittel und vieles mehr. Jetzt sollen sie packen – für eine achtköpfige Familie mit drei Kindern: „Aber wie alt sind die Kinder? Sind es Jungen oder Mädchen? Brauchen sie noch Windeln und wenn ja, in welcher Größe? Was soll man da einpacken?“, fragen sich die Helferinnen dort.

Klar wird: Vieles läuft gut, doch es braucht eine deutlich bessere Kommunikation.