Menden. Apotheker Dr. Horst-Lothar Müller geht mit 73 in den Ruhestand übergibt den Betrieb an die Tochter. Warum ihn die „Happy Hour Paracetamol“ nervt.

Wenn diese Zeilen erscheinen, dann hat die traditionsreiche Heide-Apotheke in Menden eine neue Chefin. Dass hier seit dem 1. Januar jetzt Ann-Christin Mierzwa das alleinige Sagen hat, können sich selbst ältere Kundinnen und Kunden kaum vorstellen: Viele kennen von Anfang an ausschließlich ihren Vater, Dr. Horst-Lothar Müller, den seine Freunde kurz „Holo“ nennen, als Chef-Apotheker am Heideplatz. Doch Müller macht mit 73 Lenzen ungeachtet einer guten Gesundheit nach 44 Heidejahren tatsächlich Schluss und geht in den Ruhestand. Und was jetzt?

Pläne für den Ruhestand? Weltumseglung kommt nicht mehr in Frage

„Das weiß ich noch gar nicht so genau“, lässt sich der Neurentner alles offen. Freunde haben in der gleichen Situation ihr Haus verkauft und auf einem eigenen Schiff fünf Jahre lang die Welt umsegelt. „Das fand ich unheimlich spannend“, gibt Müller zu. Nur: „Was ist nach den fünf Jahren, wenn du alles andere aufgelöst hast?“ Sowas, meint er, muss man zur rechten Zeit machen, „und dafür bin ich zu spät dran“.

14 Jahre Vorsitzender aller Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe

Man darf indes optimistisch sein, dass auch Müller etwas Geeignetes findet. Zu umtriebig ist er, der von 1993 bis 2007 Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe war – um frühzeitig zu sehen, was auf seinen Berufsstand zurollte. Stolz ist er darauf, in dieser Zeit erreicht zu haben, dass Apotheken bei den Medikamenten nicht länger Prozent-Aufschläge erhielten, sondern Stückpreis-Honorare. Das habe alle Apotheken unabhängiger von den großen Anbietern gemacht.

Verramschen von Arzneien kritisiert Müller als „unmögliche Trivialisierung“

Seinem Berufsstand gilt weiterhin hohes Interesse, und das ist vornehm ausgedrückt: Es bringt Müller auf die Palme, wenn Medikamente wie Bratwürste angepriesen werden. „Als ich neulich in Düsseldorf an einer Apotheke eine ,Happy Hour’ für Paracetamol gesehen habe, hätte ich den Laden abreißen können“, gesteht er. Das Verramschen von Arzneien sieht er als „unmögliche Trivialisierung“. Und wenn es heißt, man sollte den Arzt oder Apotheker zu Risiken und Nebenwirkungen fragen, dann fragt Müller zurück: „Wieso nicht zu den Wirkungen?“

Traditionsbetrieb technisch immer top – Vier Mitarbeiter seit mehr als 30 Jahren dabei

Dr. Horst-Lothar Müller und Tochter Ann-Christin Mierzwa im Jahr 2017: Beide bildeten eine oHG für den Übergang der Heide-Apotheke. Jetzt ist Mierzwa die alleinige Chefin.
Dr. Horst-Lothar Müller und Tochter Ann-Christin Mierzwa im Jahr 2017: Beide bildeten eine oHG für den Übergang der Heide-Apotheke. Jetzt ist Mierzwa die alleinige Chefin. © WP | Thomas Hagemann

Was macht ihn stolz macht nach viereinhalb Jahrzehnten Heide-Apotheke? „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so lange hier beschäftigt zu haben, dass heute gleich vier länger als 30 Jahre bei uns sind.“ Die technische Ausstattung habe er auch im Traditionsbetrieb immer up to Date gehalten – „und natürlich bin ich stolz auf die Übernahme durch meine Tochter.“

Übernahme: Tochter Ann-Christin Mierzwa muss Betrieb formal ganz neu gründen

Ann-Christin Mierzwa gibt das Kompliment gern zurück. Seit 2018 leiteten die beiden die Apotheke als oHG, als offene Handelsgesellschaft. Für den Übergang. Jetzt, so berichtet die Tochter, habe sie quasi ein ganz neues Gewerbe anmelden müssen, als EK für „Eingetragene Kauffrau“. Lothar Müller gibt seine Betriebserlaubnis ab, für die ihm einst schriftlich bescheinigt wurde, „nicht ungeeignet zum Führen einer Apotheke“ zu sein.

Keine Angst vor dem Ruhestand: „Ich falle in kein Loch“

Die Heide-Apotheke geht mit Tochter Ann-Christin jetzt in die dritte Generation. A propos: Auch als Großvater scheint Horst-Lothar Müller nicht ungeeignet zu sein, und so freut er sich auf die Zeit für die Familie. Und auch wenn er keine Eisenbahn oder Briefmarkensammlung besitzt: „Ich habe keine Angst vor dem Ruhestand. Ich kann endlich Dinge zu Ende bringen, ohne beständig unterbrochen zu werden. In ein Loch falle ich nicht.“