Lendringsen/Hüingsen. Nachholen, was während der Pandemie auf der Strecke geblieben ist: Mendener Grundschule nutzt „Extra-Lernzeit“. 2022 soll es weitergehen.
Wie erkläre ich ein Stück Obst ohne Worte? Und wie ist die Orange? Fruchtig? Saftig? Rund? Franzi (9), Leonie (8) und Johanna (7) wissen das. Denn sie sind schon fast Profis in Sachen Pantomime und Adjektive. Die Mädels von der Bischof-von-Ketteler-Schule, Standort Hüingsen, machen mit beim Programm Extra-Lernzeit. Sie sind in der Zirkusgruppe von Trainerin Nicole Kost (44) und holen spielerisch das nach, was während der Pandemie auf der Strecke geblieben ist.
+++ Auch wichtig: Mendener Schüler sitzen mit Wolldecken im Klassenzimmer +++
Selbstverteidigung, Fußball und Zirkus: Das sind die drei Kurse, die an beiden Standorten, Hüingsen und Lendringsen, im Rahmen der Extra-Lernzeit angeboten werden. Organisiert hat das Konrektorin Sonja Friedrich-Bischoff gemeinsam mit der Stadt Menden und dem Kooperationspartner, dem Präventionszentrum Ruhr. Jeder Kurs hat eine Trainerin oder einen Trainer; nach der Schule gibt es etwa drei Stunden Programm. Freiwillig. Und das ist wichtig. „Freude und die jeweilige Neigung des Kindes sind wichtig. Das Angebot ist freiwillig“, erklärt Sonja Friedrich-Bischoff.
Lernen und Freunde finden
Die Kinder suchen sich ihren Lieblingskurs aus. „Es ist wichtig, dass die Extrazeit-Gelder auch ans Kind kommen – auch wenn das für uns Extra-Stress bedeutet“, so die Konrektorin. Denn es muss einiges organisiert werden. Acht bis fünfzehn Kinder sind pro Gruppe erlaubt. Es wird getobt, gelacht und geübt: Integrierte Lerneinheiten sollen das Ganze spielerisch vermitteln. So geht es bei der Fußball-Gruppe nach dem Zocken beispielsweise um die richtige Ernährung, Gesundheit und den eigenen Körper.
+++ Auch interessant: Corona-Fälle an vier Schulen in Menden +++
Trainer Justin Pankuweit (27) ist Gesundheitsmanager und ein Vorbild für die Jungs. „Es ist ein großer Bedarf an Bewegung da“, sagt er. Er versucht Verluste, die durch die Pandemie entstanden sind, auszugleichen. So stehen hin und wieder auch mal Fitnessübungen auf dem Plan. Odysseas (7) findet das cool. „Aber der Torschuss gefällt mir am besten“, sagt er. Peter (9) ist froh, seine Fußball-Tricks verbessern zu können. Er würde gerne wie seine Freunde im Verein spielen. Um mithalten zu können, übt er fleißig – und hat sogar neue Freunde gefunden, während Mama arbeitet.
Altersgruppen sind gemischt: Kinder lernen auch voneinander
Zweimal in der Woche treffen sich auch die Kinder der Zirkusgruppe nach der Schule. Sporttherapeutin Nicole Kost vom Präventionszentrum Ruhr: „Wir haben vier Jungs und zehn Mädchen in der Gruppe. Manege frei ist das Motto.“ Außer Balanceübungen, Choreographien allein oder in der Gruppe stehen auch Bewegungsspiele wie Rückwärtsgehen oder Seiltanz auf dem Plan.
+++ Lesen Sie hier: Welche Altersgruppe ist wie stark von Corona betroffen? +++
Besonders beliebt ist Pantomime. Die Kinder üben Nomen, Verben und Adjektive und versuchen das Gelernte ohne Wörter vorzuführen. Leonie (8): „Wir fragen uns zum Beispiel: Wie ist die Orange? Rund und saftig.“ Sie ist Profi im Darstellen einer Melone. Aufheben, ablegen, zerteilen und essen. Die anderen Mädels klatschen; super gemacht. Auch Johanna (9) findet Pantomime gut und führt Nicole Kost etwas vor. „Das ist eine wahnsinnig tolle Gesichte. Die Familien werden entlastet und die Kinder gefördert – wir haben alle Altersgruppen gemischt hier“, sagt Kost. Vieles habe während der Pandemie gelitten – soziale Kontakte, Lernstoff, aber auch körperliche Fähigkeiten wie die Koordination und Konzentration. Nicole Kost versucht das gezielt zu fördern mit ihren Übungen.
Fortsetzung im kommenden Jahr
Jetzt stehen aber erst einmal die Winterferien an und die Extra-Lernzeit ist vorbei. Doch weil das Programm so gut ankommt, soll es im kommenden Jahr weitergehen. Spätestens in den Osterferien möchte Sonja Friedrich-Bischoff ein neues Angebot starten, am liebsten in Kooperation mit ansässigen Vereinen. Das sei eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Die Kinder lernen die Vereine kennen und die Vereine gewinnen womöglich neue Mitglieder.
Bis dahin müssen die Kinder aber nicht verzichten. Die Konrektorin nutzt das „Extra-Geld“ des Landes, um ein Anti-Mobbing-Projekt an der Schule zu finanzieren: „Stark ohne Muckis“, heißt das.
Das Land NRW hat die Extra-Lernzeit mit bis zu 60 Millionen Euro gefördert. Das Geld steht zunächst bis zum Ende der Sommerferien 2022 zur Verfügung und soll dem „Ankommen und Aufholen“ dienen.
Pandemiebedingte Lernlücken sollen durch freiwillige, außerschulische Maßnahmen und Ferienprogramme geschlossen werden. Der Spielraum für die Organisatoren ist groß, Schülerinnen und Schüler aller Altersklassen profitieren davon.