Menden. Wegen sexueller Nötigung stand ein Ehemann vor dem Mendener Gericht. Doch die Zeugenaussagen sorgen für Verwirrung im Saal.
Freispruch für den wegen sexueller Nötigung von der eigenen Ehefrau angeklagten Ehemann: Im fünften Verhandlungstermin forderte schließlich sogar die Staatsanwaltschaft den Freispruch. Denn die geladene Zeugin, die 67-jährige Mutter der Klägerin, habe sich in ihren Aussagen regelrecht verstrickt. Die Schwiegermutter hatte berichtet, der Angeklagte habe sich ins Schlafzimmer seiner Frau begeben, sich ausgezogen und zu ihr ins Bett gelegt haben. Danach habe er sich ihr genähert, sie an sich gedrückt und gegen ihren Willen festgehalten. „Er war sehr mitgenommen, aber er hat mir direkt gesagt: ,Ich habe sie nicht vergewaltigt’“, schilderte die 67-Jährige.
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Zunächst antwortet sie auf die Frage von Richter Jung, wann sich das Geständnis ereignet habe: „Das war Ende Mai.“ Doch im Laufe der Verhandlung bestritt sie das dann: „Der Vorfall war Ende Mai, glaube ich, ich weiß es nicht mehr. Erzählt hat er mir das Anfang August.“ Verwirrung bei Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richter. „Wann genau hat er Ihnen das denn jetzt erzählt?“, wollte Jung erneut von der Schwiegermutter wissen. „Das war Anfang August, bevor es diese Eskalation gab“, wiederholte sie – und meint mit der Eskalation den Polizeieinsatz im Haus des Ehepaares, der sich Ende August ereignete.
Schwiegermutter verdreht ihre eigenen Aussagen
Weiter berichtet die Zeugin, dass ihre Tochter sich zu diesem Zeitpunkt wegen Nierensteinen länger im Krankenhaus befand. „Wir haben uns zusammen um die Kinder gekümmert, und da hat er mir das erzählt.“ Richter Jung fragte, warum sie ihre Tochter nicht auf den Vorfall angesprochen habe und ob sie das Geständnis der sexuellen Nötigung als „normal“ empfand. „Ich dachte mir, in der Ehe passieren viele Sachen, ich dachte nicht, dass das so schlimm wäre“, sagte sie. Im Nachhinein jedoch sei ihr bewusst geworden, dass ihre Tochter sich seither sehr verändert habe. Sie sei enorm verschlossen und erzähle nie etwas.
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Wann die Tochter ihrer Mutter von dem Übergriff erzählt habe, wollte Richter Jung im weiteren Verlauf wissen. „Das war nach der Eskalation, im Auto“, so die 67-Jährige. Nach dem Polizeieinsatz Ende August soll die Tochter demnach weinend bei ihrer Mutter im Auto gesessen haben und ihr von dem Vorfall berichtet haben. Doch als die Staatsanwältin die Zeugin erneut auf den Zeitrahmen ansprach, sagte diese, dass ihre Tochter ihr das doch nicht im Auto erzählt habe, sondern erst später. Danach habe man nicht mehr ausführlich darüber gesprochen. Die Schwiegermutter verfranste sich in den Zeitangaben derart, dass Richter Jung sie zurechtwies: „Sie wissen, dass Sie hier zur Wahrheit verpflichtet sind.“ Sie beteuerte, dass ihre Aussagen der Wahrheit entsprächen.
Zunehmend wirr: Zeiträume werden vertauscht
Dann kam der Vorfall ins Spiel, bei dem der Angeklagte seiner Ehefrau eine Pistole gegen den Kopf gehalten haben soll. „Warum haben Sie das oder den anderen Vorfall nicht im Scheidungsverfahren erwähnt oder bei der Polizei?“, wollte die Staatsanwältin wissen. „Ich habe das nicht für relevant gehalten“, antwortete die Zeugin. Ihre Tochter direkt darauf anzusprechen, habe sie sich getraut. Für Staatsanwaltschaft und Richter Martin Jung wurde die Angelegenheit zunehmend wirr. Plötzlich war sich die Zeugin nämlich auch nicht mehr sicher, ob sich der Vorfall Ende Mai ereignet habe, denn der Angeklagte habe ihr das dann doch nicht gesagt, sie habe das lediglich aus WhatsApp-Nachrichten entnommen. Durch welche und wie genau, das wusste sie allerdings nicht mehr.
Heilpraktikerin aus Hemer als Zeugin
Ebenfalls nur wenig Licht ins Dunkel brachte eine Heilpraktikerin, der sich die Ehefrau des Angeklagten anvertraut haben soll. Nun war eine Heilpraktikerin vorgeladen, bei der das mutmaßliche Opfer in Behandlung war – allerdings liegt das schon sieben Jahre zurück. „Sie war damals bei mir wegen der Angst vor Spritzen“, berichtete die Heilpraktikerin.
Letztlich einigten sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richter Jung darauf, den Angeklagten vom Vorwurf des sexuellen Übergriffes mit Gewalt freizusprechen. „Die dem Angeklagten vorgeworfene Tat konnte nicht festgestellt werden“, heißt es seitens des Gerichts.