Menden. Bettina Lugk will für die SPD im Märkischen Kreis in den Bundestag. Sie erzählt, wie sie zur Kandidatur kam und warum sie Privates schützen muss.

Bettina Lugk will für die SPD Bundestagsabgeordnete im Märkischen Kreis werden. Die 39-Jährige stammt aus Brandenburg. In Interview mit WP-Redakteur Arne Poll verrät die einzige Frau unter neun Kandidaten, wie sie in den Märkischen Kreis kam, welche persönlichen Attacken sie ertragen muss und wen sie nach der Wahl zuerst anruft. Eine gekürzte Fassung des Protokolls vom Live-Interview.

Erst Ludwigsfelde, jetzt Iserlohn. Warum sind Sie eigentlich nicht nach Menden oder Balve gezogen?

Das ist eine gute Frage. Die Wohnungssuche hat sich unter Corona-Bedingungen ohnehin schon relativ schwierig gestaltet. Man konnte sich manches nur online angucken. Und dann habe ich etwas gefunden, das gut gepasst hat. Ich bin die erste Zeit auch noch gependelt, so dass ich froh war, etwas Möbliertes mit W-Lan, Küche und Waschmaschine zu finden.

Ihre Konkurrenz sagt, dass Sie die Zugezogene sind. Das hält sich konsequent im Wahlkampf. Ist das tatsächlich ein Manko, wenn man den Märkischen Kreis in Berlin vertreten will?

In den Gesprächen merke ich, dass eher die Qualifikation, die Fähigkeit und auch die Leidenschaft für die Politik im Mittelpunkt stehen, so dass die Herkunft aus Brandenburg durchaus verblasst.

Was sagen Sie den Leuten? „Ich bin Iserlohnerin“ oder „Ich bin die Neue“?

Ich will nicht mit „Ich bin eine von hier“ oder „Ich bin eine von uns“ werben. Das wäre zu früh. Aber ich habe mich in den Wahlkreis schon recht gut eingearbeitet. Ich habe auch schon sehr viele Termine übernommen, sehr viel gesehen und sehr viele Menschen kennengelernt. Ich gebe tatsächlich darauf acht, dass ich Erfahrung mitbringe. Ich habe meine Abschlussarbeit beispielsweise darüber geschrieben, wie sich eine Gesellschaft verändert, wenn sie älter wird und welche neuen Bedarf es auch mit Blick auf Infrastruktur und das Lebensumfeld gibt. Das ist in Brandenburg aktuell – aber auch hier in der Region, genauso wie Fachkräftemangel. +++ Auch interessant: Mülheim oder MK – Verwirrung um die Wohnorte +++

Dagmar Freitag arbeitete gegen den SPD-Trend

IWP-Redakteur Arne Poll interviewt die Bundestagskandidatin der SPD, Bettina Lugk.
IWP-Redakteur Arne Poll interviewt die Bundestagskandidatin der SPD, Bettina Lugk. © Westfalenpost | Arne Poll

Sie wollen Nachfolgerin von Dagmar Freitag werden. Dagmar Freitag hat gegen den SPD-Trend geschafft, das Mandat im Kreis zu verteidigen. Sie sind als Neue dazugekommen. Das wird schwierig, oder?

Ich werde immer auf die Fußstapfen angesprochen. Meine Aussage dazu ist, dass sie 27 Jahre kleiner sind. Man muss die Erfahrung über so eine lange Zeit erwerben. Da lernt man viel. Da kann man nicht versprechen, dass man eins zu eins fortführt. Aber ich bin engagiert. Mir ist Wahlkreisarbeit wichtig, Sportpolitik. Das sind verbindende Elemente.

Sportpolitik – geht es da um Bundesliga-Fußball, geht es um Lokalsport?

Beides ist eher mein Hobby. Ich habe mich aber in meinem kommunalpolitischen Engagement sehr viel um Sportinfrastruktur gekümmert, um die kommunalen Sportstätten. Eigentlich sind ja die Kommunen und das Land zuständig. Aber wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Sonderförderung des Bundes weitergeführt wird und wir auch wirklich die Sportstätten in dieser Region sanieren.

Sport spielt bislang im Wahlkampf überhaupt keine Rolle. Kommen Sie damit auf Wahlkampfveranstaltungen überhaupt an oder gucken alle weg?

Wir haben aktuell ja auch noch einmal Fördermittel für den Sport in Menden bekommen. Das Stadion ist ja auch mit Millionenbeträgen saniert worden. Man hat ja diese konkreten Beispiele in Menden vor Augen. Der eine oder andere weiß ja auch wie es auf den Sportstätten aussieht, welche Bedarfe es gibt. Ich war kürzlich in Bösperde, wo auch deutlich gemacht wurde, welche Trainingszeiten angefragt werden und welche Zeiten bedient werden.

Kritik aus dem Balver Ortsverein – nachvollziehbar?

Steckbrief: Bettina Lugk

Bettina Lugk wurde im brandenburgischen Ort Ludwigsfelde geboren und wuchs dort auch auf. Die gebürtige Brandenburgerin studierte an der Freien Universität in Berlin Geographie. Danach machte sie noch eine Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin. Seit 2005 ist sie SPD-Mitglied. Von 2009 bis 2018 war sie Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Ludwigsfelde und von 2018 bis 2021 Vorsitzende der SPD Teltow-Fläming. Dort war sie in Kreistag und Stadtrat aktiv.

Hauptberuflich arbeitet sie im Bundestagsbüro von Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, nebenberuflich für den Bundesverband der Lebenshilfe. Lugk wohnt jetzt in Iserlohn.

Sie sind parteiintern von Dagmar Freitag vorgeschlagen worden. Es gab auch Kritik aus dem Balver Ortsverein. Es gab Kritik an „Hinterzimmergesprächen“. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Die Balver hatten selbst einen eigenen Genossen, der sich für das Bundestagsmandat interessiert hat. Und dass die Kolleginnen und Kollegen da für ihren Mitstreiter gekämpft haben, dass kann ich vollkommen nachvollziehen. Wir hatten mehrere Regionalkonferenzen, leider alles online. Da konnte sich jedes Mitglied ein Bild machen. Dann hatten wir noch eine große Konferenz, wo sich jedes Mitglied aus dem Unterbezirk dazuschalten konnte. Insofern ein demokratisches Verfahren, unter Corona-Bedingungen natürlich anders.

Wie ist das gelaufen? Sie stehen mit Dagmar Freitag beim Kaffee und sie sagt: „Mensch ich hör’ auf, willst du es vielleicht werden?“ Wie war das?

Wir hatten schon dienstlich miteinander zu tun. Ich arbeite ja im Büro von Ulla Schmidt. Insofern gab’s da auch immer mal Kontakt mit dem Büro von Dagmar Freitag. Das war in den letzten sieben, acht Jahren so. Ich habe auch schon Termine mit vorbereitet. Ich kannte die Region schon. Manchmal kommt auch Zufall dazu.

Hatten Sie das Ziel, eine Bundestagskandidatur anzustreben?

Ja, ich glaube für jeden, der politisch engagiert ist, ist das reizvoll, an der Stelle auch mitwirken zu können und den Anspruch an Gestaltung auf Bundesebene umsetzen zu können.

Sind Sie weiter in der Kommunalpolitik in Brandenburg aktiv?

Nein, ich habe nicht mehr glaubhaft machen können, dass ich hier Bundestagswahlkampf mache und mich für die Region einsetze und de facto kommunal das Gleiche behaupte und mich für Ludwigsfelde und Umgebung einsetze. Das wäre aus meiner Sicht nicht glaubhaft gewesen. Wir haben da einen guten Übergang organisiert, so dass ich mich mit gutem Gewissen auf meine neue Heimat fokussieren kann.

Privates bleibt für Bettina Lugk privat

Die WP hat alle Bundestagskandidaten zum Interview in die Redaktion gebeten.
Die WP hat alle Bundestagskandidaten zum Interview in die Redaktion gebeten. © Westfalenpost | Arne Poll

Sie verraten relativ wenig über Ihr Privatleben. Was steckt bei Ihnen dahinter?

Aus meiner kommunalpolitischen Zeit weiß ich, dass man auch zur Zielscheibe wird. Ich habe es heute wieder gehabt. Es ist sehr beleidigend, was einem bei Facebook und Co. entgegenschlägt. Ich habe auch das Problem, dass Anrufe kommen. Ich will meine Familie schützen. Deswegen steht meine Familie nicht im Vordergrund. Die unterstützt im Hintergrund nach Kräften. Aber das ist etwas, das ich nicht nach vorne stellen möchte. Die Hobbys betone ich aber. Ich bin Fußballfan. Wenn ich mal wieder ins Stadion gehen könnte, würde mich das sehr freuen.

Was sind das für Anrufe? Sind das politische Gegner?

Man stellt sich ja bei so einem Anruf nicht vor. Es wird sofort losgepöbelt. Es geht sehr stark ins Persönliche. Man hat manchmal nicht die Chance, zu erklären, warum man zu solchen Entscheidungen gekommen ist. Es ist unangenehm. Ich bin seit 2008 in der Politik. Da hat man sich ein dickes Fell zugelegt.

Video-Interview mit SPD-Bundestagskandidatin Bettina Lugk

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    Werden Sie für Parteientscheidungen verantwortlich gemacht?

    Tatsächlich oft für Entscheidungen der Bundespartei, teilweise auch zu Entscheidungen zu Rentenerhöhungen oder Nicht-Rentenerhöhungen. Heute gerade wieder. Ich würde es ja erklären. Aber bei diesen schwierigen Anrufen hat man meistens gar nicht die Chance. Es kommen allerdings viele erfreuliche E-Mail-Nachfragen, auch kritisch, aber da hat man zumindest die Chance zu antworten.

    Die SPD ist in Umfragen so gut wie schon lange nicht mehr. Glauben Sie dass der Trend bis zum Wahltag anhält?

    Ich bin sehr optimistisch. Alle ziehen an einem Strang. Wir haben ein sehr gutes Programm.

    Überzeugt die SPD aktiv oder empfinden viele nicht eher die SPD als das kleinere Übel?

    Es gibt durchaus Interesse am Wahlprogramm. Das war in anderen Jahren auch schon mal anders. Ich glaube schon, dass man die Chance hat, zu überzeugen.

    Wer soll Koalitionspartner der SPD werden?

    Was wäre Ihr liebster Koalitionspartner?

    Da bin ich pragmatisch veranlagt. Mir wäre lieb, wenn es eine Koalition aus zwei Parteien wäre. Wir haben in den letzten Jahren aktiv mitbekommen, wie schwierig es ist, auch Kompromisse zu finden. Ich glaube, je mehr mitsprechen, desto schwieriger wird es. Ob der Wähler es mit dem Wahlergebnis ermöglicht, werden wir sehen. Als Demokraten müssen wir mit allen sprechen. Aber es gibt rote Linien. Eine Partei, die den Nato-Austritt fordert, ist für mich kein potenzieller Koalitionspartner.

    Sie sind tatsächlich die einzige Frau unter neun Bewerbern. Stellen Sie das Thema im Wahlkampf aktiv nach vorne?

    Ich werde tatsächlich darauf angesprochen. Es fällt auf. Diese Thematik der gleichberechtigten Vertretung im Parlament hat durchaus einen Platz in der Diskussion. Die Menschen legen wert darauf. Ich werde am Infostand hier in Menden darauf angesprochen.

    Ist das für Sie wenigstens ein Vorteil, den Sie nutzen können?

    Letztlich weiß man nicht, was noch mit abgewogen wird. Aber das Feedback ist, dass es bei der Wahlentscheidung mit eine Rolle spielen wird.

    Wie gehen die konkurrierenden Männer damit um?

    Das kann ich nicht sagen. Wir haben darüber tatsächlich noch nicht gesprochen. Wir hatten eine Podiumsdiskussion, wo das auch augenscheinlich war.

    Egal wie die Wahl ausgeht: Wen rufen Sie am Wahlsonntag zuerst an, wenn alles vorbei ist.

    Meine Eltern, denn die werden auch mitfiebern. Das tun sie jetzt auch schon. Da sollen sie auch den ersten Anruf bekommen.