Menden. Linken-Sprecher Thiesmann sieht „Bankrotterklärung“ der Sozialverwaltung: Wie eine Wutrede die Wohnungslosigkeit auf die Tagesordnung bringt.

Es war eine Wutrede auf die Sozialverwaltung, wie man sie von Thomas Thiesmann nicht gewohnt ist: Der Fraktionschef der Mendener Linken schimpfte am Mittwochabend auf den Umgang mit seinem Antrag, das Konzept „Housing first“ („Zuerst die Wohnung“) für wohnungslose Menschen in Menden anzuwenden. Die Beschlussvorlage der Stadtverwaltung, die das Konzept ablehnt, sei „uninspiriert“ und „lustlos“ ausgefallen, konstatierte Thiesmann. Sie zeige nur „eine Abwehrhaltung ohne inhaltliche Prüfung“, wo er eine Verwaltung erwartet hätte, die Feuer und Flamme dafür ist, Wohnungslosigkeit zu bekämpfen, statt sie zu verwalten. So gesehen, sei die Antwort des Rathauses auf seinen Antrag „eine Bankrotterklärung“.

Neues Konzept sieht die eigene Wohnung als Voraussetzung für ein besseres Leben

Worum geht es beim „Housing first“? Das Konzept beruht auf der Annahme, dass vor allen die eigene Wohnung sozial benachteiligten Menschen die sichere und stabile Grundlage dafür verschafft, andere Probleme wie Alkohol- oder Drogenkonsum anzugehen. Davon abhängig gemacht wird das Wohnungsangebot dabei aber nicht – anders als bei herkömmlichen Ansätzen, die davon ausgehen, dass Menschen, die draußen „Platte gemacht“ haben, erst wieder „wohnfähig“ gemacht werden müssen. Dafür wären allerdings von Stadt oder Kooperationspartnern wie den Genossenschaften freie Wohnungen vorzuhalten – ein Aspekt, der Robin Kroll (CDU) besonders störte. Denn günstiger Wohnraum in Menden sei ohnehin knapp und würde mit dem „Housing first“ noch rarer.

CDU nimmt Verwaltung in Schutz und kritisiert: „Housing first“ macht Wohnraum knapper

Unterkunft nach fast vier Jahren saniert

Die Sanierung der großen Übergangsunterkunft an der Bischof-Henninghaus-Straße 39 ist fast vollendet. In Kürze kommt das Mobiliar, bereits im September könne es hier die erste Einzüge von bis zu 50 Menschen geben. Das Haus war im November 2017 rasch freigezogen worden, nachdem eine Begehung durch die Feuerwehr massive Brandschutzmängel aufgezeigt hatte. Die Bewohner zogen in das zu dem Komplex gehörende Nachbarhaus 37 um. Dieses Haus soll jetzt ab 2022 saniert werden.

Die Wunne in Bösperde ist dagegen als Unterkunft für Geflüchtete jetzt „Geschichte“, wie es Ulrich Menge, Teamleiter Soziales im Rathaus, im Fachausschuss ausdrückte. Sechs Mehrfamilienhäuser hatte die Stadt hier vor Jahren von der Mendener Genossenschaft GBS angemietet. Die verkaufte die Häuser dann an einen süddeutschen Investor, der im Januar 2020 unabgesprochen den noch etwa 100 verbliebenen Menschen in den Wohnungen kündigte,

Die Stadt brachte die Geflüchteten daraufhin anderweitig unter, auch in günstigen Wohnungen. Was laut Thomas Thiesmann auch zeigt, dass ein „Housing first“ nicht an fehlendem Wohnraum scheitern müsse.

Der Brückenkindergarten für Flüchtlingskinder behält indes seine Räume in der Wunne, ebenso die Beratungsstelle der Stadt.

Kroll nahm die Verwaltung auch in Schutz gegen Thiesmanns Frontalangriff. Denn der Linken-Sprecher hatte auch die Gegenargumente der Stadt attackiert. Laut Verwaltung könne ein solches Wohnungsangebot eine Sogwirkung im Wohnungslosen-Milieu nach Menden auslösen. Außerdem sei die Sozialverwaltung personell nicht für ein solches Betreuungskonzept ausgerichtet. „Dann beantrage ich hiermit eine Aufstellung zum Personal“, schäumte Thiesmann.

Wie viele Obdachlose? Sozialpolitiker wollen jetzt Zahlen und Fakten sehen

Mit Klaus Ebbecke (Grüne) kam dann der Vorschlag in den Ratssaal, die Stadt einen umfangreichen Bericht zur Wohnungslosigkeit in Menden liefern zu lassen. „Wenn ich nicht weiß, wie viele Menschen in Menden überhaupt betroffen sind und welche Gesamtlage wir haben, kann ich auch zum Housing first nichts entscheiden“, sagte Ebbecke. Thiesmann sah sich damit bestätigt: „Genau das hätte ich in dieser Vorlage heute erwartet.“

Wohnungslosigkeit in Menden wird eigener Tagesordnungspunkt

Klaus Ebbecke setzte hinzu, dass der neue Ausschuss für soziale Teilhabe, Demografie und Gesundheit jetzt vier Mal getagt habe, ohne die Wohnungslosigkeit zu einem eigenen Thema zu machen. „Das sollten wir ändern“, und so soll es jetzt auch kommen.