Menden. Sieben Wochen bis zur Bundestagswahl im Märkischen Kreis. In der Social-Media-Schau der Kandidaten entdeckt WP-Reporter Arne Poll Erstaunliches.
Was der Sommer bislang nicht geschafft hat, erledigt der Wahlkampf vor der Bundestagswahl im Märkischen Kreis: Er geht in die heiße Phase. Und das heißt heute wie damals: Plakate kleben! Im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert verlagert sich der Wahlkampf aber auch zunehmend ins Netz. Bei unseren heimischen Bundestagskandidaten heißt das weiter: Plakate kleben! Eher neu ist, dass jetzt auch Fotos vom Aufhängen bei Facebook und Co. im Netz landen. +++ Auch interessant: Ziemiak in Polizeiuniform – Vorwürfe gegen Generalsekretär +++
Paul Ziemiak aus allen Positionen beim Plakatieren zu sehen
Abhängig vom Kandidaten gelingt das alles mal besser, mal schlechter. Technisch gibt’s bei Paul Ziemiak jedenfalls an den Bildern mal überhaupt nichts zu mäkeln. Der 35-Jährige CDU-Generalsekretär hat schließlich ein ganzes Team für seine Social-Media-Aktivitäten beschäftigt und bespaßt 19.069 Abonnenten seiner Facebook-Seite. „Paul Ziemiak – einer von uns“ steht auf den Plakaten, die er dem Anschein nach hervorragend gelaunt zusammen mit der Jungen Union in Iserlohn aufhängt. Wir sehen drei Bilder: 1. Ziemiak lacht. 2. Ziemiak macht Pause und lacht. 3. Ziemiak steht mit Kneifzange in der Hand auf der Leiter. Ziemiak selbst urteilt mit Blick auf sein Konterfei: „Klar, als Politiker gehört’s dazu: Aber wenn es dann so weit ist, ist’s doch immer für den ersten Moment ungewohnt, wenn man sich selbst beim Weg durch die Heimat selbst ins Gesicht schaut.“ +++ Paul Ziemiak will den Wahlkreis direkt gewinnen +++
Keine aufgemalten Bärte, aber dafür Facebook-Kommentare
Früher hat man aufgekritzelte Bärte auf Plakaten gefunden. Bei Facebook muss man sich heute als Kandidat die ungefilterte Häme der versammelten Community anhören, dazu eine Mischung aus Pöbeleien, Nettigkeiten, unverhohlenem Rassismus, pointierten Einwürfen und Fangesang. Ob denn jetzt in Polen auch für ihn plakatiert sei, fragt jemand den gebürtigen Stettiner Paul Ziemiak mit Blick auf den wohl nicht zufällig eingesetzten Heimatbegriff. Auch der Slogan wird gleich durch den Kakao gezogen. „Einer von uns“ sei alt und abgegriffen. „Wäre ja auch verwunderlich, wenn plakatiert würde: ,Endlich einer von den anderen’“, stellt ein Leser fest. Es geht auch freundlicher: „Schön, dass Du da warst bei uns in Hemer, lieber Paul!“, schreibt Studentin Lena. So sieht’s nämlich aus, wenn sich junge Leute für Politik begeistern.
Die neuen Grünen? Dr. Ingo Stuckmann kombiniert Schlips und Allwetterjacke
Grünen-Kandidat Dr. Ingo Stuckmann hat Youtube für sich entdeckt: Stuckmann steht mit Schlips und Allwetterjacke im Wald und hält ein 62-sekündiges Plädoyer für grüne Politik. „Klimaschutz ohne angezogene Handbremse“ fordert Stuckmann kurz und bündig. Auch Stuckmann bekommt den Hass der Facebook-Gemeinde zu spüren. Stuckmann versuche die Massen zu verdummen. Mit Verlaub: Das ist nun wirklich falsch. Das Video hat es binnen zwei Wochen zu 53 Aufrufen gebracht. Da kann man nicht von Massen reden. +++ Mülheim oder MK: Verwirrung um Wohnorte der Kandidaten +++
Positiv in die Zukunft blicken! SPD-Kandidatin Bettina Lugk versucht bereits seit vielen Wochen Zuversicht im Wahlkampf zu vermitteln. „Geballte Frauenpower“ bei der SPD im Märkischen Kreis, heißt es beispielsweise unter einem Foto mit Landtagskandidatin Inge Blask und Vorgängerin Dagmar Freitag. Die Resonanz: vergleichsweise moderat. 506 Abonnenten ihrer Facebook-Seite haben den Vorteil, dass es eben auch weniger Kritik gibt. Da liegen die heimischen Sozialdemokraten quasi im Bundestrend.
Den Anschein von Durchmogeln, während sich andere streiten, will die SPD-Kandidatin mal so gar nicht erwecken. Lugk ackert für die Zukunft – in dieser Woche bei einem Besuch auf dem Friedhof Hirtenböhl in Plettenberg. „Am Ende unseres Lebens können wir alle hoffentlich auf sehr viele schöne Erinnerungen und Erfahrungen, die wir nicht missen möchten, zurückschauen“, schreibt Lugk. Damit ihr Wahl positiv in Erinnerung bleibt, sollten sich aber wenigstens ihre Fans den Namen merken. Die Frau heißt Lugk, nicht Luck!
Noch einmal zurück zu Paul Ziemiak: Seine Deutschland-Reise treibt den CDU-„General“ auch in Orte wie Lüttow-Valluhn. Das liegt zwischen Zarrentin und Neu-Gülze auf der einst dunklen Seite der früheren Zonengrenze. Kein Geringerer als der dortige – sagen wir mal: nach seiner Lobbyismus-Affäre nicht unumstrittene – Bundestagskandidat Philipp Amthor feiert den Besuch bei Facebook. „Der 80-Jährige im Körper eines Knaben“, wie ein Kritiker unter dem Foto schreibt, stellt „voll motiviert“ fest: „Wir wollen unser wunderbares Land keinen linken Experimenten überlassen!“ Paul Ziemiak – sonst um keine Attacke auf die Grünen verlegen – lässt das mal unkommentiert stehen.
I love Sauerland – Bettina Lugk bekennt sich zur neuen Heimat, nennt das aber nicht so
Die Heimat hat auch Neu-Iserlohnerin Bettina Lugk für sich entdeckt. Heimat heißt bei ihr nur nicht so. Lugk, die aus Brandenburg stammt, schwärmt geradezu von vielen tollen Begegnungen im Sauerland. Auf ihrem privaten Facebook-Profil hat sie auch gleich ihr Profilbild mit einem „I-love-Sauerland“-Schriftzug verziert. Man könnte sie glatt für einen Schlagerstar halten. Einzig die Bergkulisse lässt uns ein wenig rätselnd zurück. Ich suche schon die ganze Zeit: Aber wo zwischen Hönne und Lenne sind noch mal DIESE drei Gipfel?
Bei Paul Ziemiak scheint immer die Sonne
Zurück zum Sommer: Wenn’s danach geht, müssen Sie Paul Ziemiak wählen. Beim CDU-Generalsekretär scheint auf den Fotos so gut wie immer die Sonne – sogar in der Wohnung! „Freue mich auf den Sommer bei mir in der Heimat“, hatte Ziemiak ja auch am 30. Juni bei Facebook verkündet. – Nur noch sieben Wochen bis zur Wahl. Bis dahin müssen auch die anderen Kandidaten gut Wetter machen.