Menden/Fröndenberg. Nach dem Unwetter in Fröndenberg baute das DRK Menden die Gesamtschule zur Versorgungsstation und Notunterkunft um.

Es gab einen Moment in der Hektik des DRK-Hilfseinsatzes für evakuierte Fröndenberger an der Gesamtschule, da war aller Stress wie weggeblasen: „Da kommt am frühen Montagabend ein Vater zur Schule und schickt seinen kleinen Jungen vor, der eine Packung mit Schokoladenherzen in der Hand hält. Die hat er an uns verteilt und sich für unseren Einsatz bedankt. Und das“, sagt Rüdiger Morena, Leiter des DRK in Menden, „war ein sehr emotionaler Moment und für uns mehr wert als alles andere. Das ist die tollste Motivation, die man als Helfer bekommen kann.“ Motivation konnten sie gebrauchen beim Unwetter-Einsatz, der den Ehrenamtlichen alles abverlangte. Im WP-Interview berichtet Rüdiger Morena über die Ereignisse und die Organisation.

Herr Morena, wann hat der Fröndenberg-Einsatz für Sie angefangen?

Rüdiger Morena: Genau am Montagnachmittag um 16.08 Uhr. Da bekam ich über den Melder von der Kreisleitstelle der Feuerwehr den Auftrag, einen BTP 500 einzurichten.

Einen was?

BTP 500 steht für einen Betreuungsplatz für bis zu 500 Menschen.

Aha. Und wo waren Sie da gerade?

Auf der Arbeit in Arnsberg, wo ich als Groß- und Außenhandelskaufmann in einer Firma für Lichttechnik im Vertrieb tätig bin. Ausgerechnet am Montag hatte ich eine Urlaubsvertretung übernommen, musste also einen Kollegen, der schon auf dem Nachhauseweg war, bitten, nochmal umzukehren und meinen Posten zu übernehmen.

Da reicht das Ehrenamt im DRK quasi über das Rote Kreuz hinaus, oder?

Einerseits ja, und man muss hier auch mal allen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern dafür danken, dass sie für solche Abwesenheiten und Freistellungen Verständnis aufbringen. Andererseits ist es meiner Meinung nach für jedes Unternehmen ein Gewinn, ausgebildete Sanitäter oder Feuerwehrleute im Betrieb zu haben, die wissen, was in Notfällen zu tun ist. Das ist auch für mich eine große Motivation.

Wie muss man sich den folgenden Ablauf dann vorstellen?

Der BTP 500 sollte eingerichtet werden, nachdem klar war, dass noch mehr Menschen als bisher angenommen ihre Häuser und Wohnungen verlassen mussten, weil bei einem Dammbruch jetzt nicht mehr nur viel Wasser, sondern auch eine Gerölllawine zu befürchten war. Deshalb wurden am späten Abend nach den Erdgeschossen jetzt die gesamten Häuser evakuiert. ES waren also mehr Menschen zu erwarten. Ich habe über die Melder und unsere Handy-Gruppe erst einmal in unserer Truppe abgefragt, mit wem ich da rechnen kann. Denn alle anderen sind ja auch ehrenamtlich bei uns.

Wie viele Mitglieder hat denn das Mendener DRK zurzeit?

Im Moment sind wir 43, und das dürfen gerne mehr werden (lacht).

Welche Aufgaben stehen in einer Großeinsatzlage für die Mendener Rotkreuzler an?

Zunächst haben alle die Grundausbildung im Sanitätsdienst und sind, so gesehen, Multifunktionshelfer. Das ist in Großeinsatzlagen besonders wichtig, damit man Einheiten aus anderen Städten gleichwertig ersetzen kann. Wir selbst sind in der Nacht zum Dienstag um 2.35 Uhr durch Rotkreuz-Kameradinnen und Kameraden aus Kamen abgelöst worden, weil unsere Dienstzeiten ganz einfach voll waren. Diese Abläufe werden auf Übungen trainiert, und das ist auch diesmal gut gelaufen.

Was wurde bis dahin getan?

Wir haben in Zusammenarbeit mit Rotkreuzhelfern aus anderen Städten – insgesamt waren es am Abend um die 70 Kräfte – die Gesamtschule so hergerichtet, dass hier Evakuierte wie auch Einsatzkräfte mit allem Notwendigen versorgt werden konnten. Das reicht vom Notstromaggregat wegen der Stromausfälle über die Verpflegung und die Sicherstellung der Versorgung möglicher Verletzter bis hin zur Gestellung von Ruhe- und Schlafräumen. Die Gruppe Technik und Sicherheit kümmert sich außerdem nicht nur um Strom, sondern auch um Wasser und natürlich Gas, zum Beispiel für Zeltvorheizungen.

Gibt es weitere Spezialisierungen?

Im Sanitätsdienst gibt es vom Rettungshelfer über Rettungssanitäter und Rettungsassistenten bis zum Notfallsanitäter unterschiedliche Qualifizierungen. Und in unserer Mendener Betreuungseinheit gibt es zum Beispiel die Basis-Notfall-Nachsorge. Da geht es auch um die psychologische Betreuung und Begleitung von Geschädigten nach Unglücken oder von Hinterbliebenen nach Todesfällen. Mehrere Mitglieder unseres Teams sind auch in der Mendener Notfall-Seelsorge unterwegs, die eine ähnliche Aufgabenstellung hat.

Und was wurde gebraucht, als der Bus aus Westick vor der Tür stand?

Im Grunde genommen alles. Es waren zwar keine Verletzten zu versorgen, aber natürlich ist das Verlassen der Wohnung gerade für ältere Menschen ein Einschnitt. Eine Person mussten wir ins Krankenhaus bringen, und für andere noch Rollstühle aus dem St.-Vincenz-Krankenhaus heranschaffen.

Was war der wichtigste Eindruck bei diesem Einsatz – neben den Schokoherzen des Kindes?

Wichtig war es wieder einmal, dass auch wir beim DRK mittlerweile eine multinationale Truppe sind. So konnten wir uns auch mit den Menschen aus den Westicker Häusern verständigen, die einen Migrationshintergrund mitbrachten. Auch eine der Evakuierten bot spontan ihre Hilfe als Dolmetscherin für Polnisch an. Und aus der Bevölkerung wurden uns zum Beispiel Niehaves-Brötchen vorbeigebracht. Vielleicht ist das das Wichtigste: Es ist einfach immer wieder beeindruckend zu erleben, wie Menschen in Notlagen zusammenhalten.