Fröndenberg. Unfassbares Unwetter trifft Fröndenberg: Wie durch ein Wunder keine Verletzten, aber die Schäden dürften in die Millionen gehen.

Land unter in Fröndenberg: Die Ruhrstadt war am Sonntag seit dem Mittag extrem stark von dem Unwetter betroffen, das über Nordrhein-Westfalen hinwegzog. Bis zum Abend zählte die Rettungsleitstelle des Kreises Unna 320 Einsätze allein in Fröndenberg, darüber hinaus 55 in Unna und 50 in Lünen.

240 Wehrleute im Einsatz: Häuser und Firmen voll, Straßen unterspült, Wege zerstört

Abgeschmiert: Zwei Einsatzfahrzeuge der Fröndenberger Feuerwehr fielen im Einsatz aus.
Abgeschmiert: Zwei Einsatzfahrzeuge der Fröndenberger Feuerwehr fielen im Einsatz aus. © Stefan Deitel

Am schwersten betroffen war aber Fröndenberg – so schwer wie seit Jahrzehnten nicht. Nach Auskunft von Kreis-Pressesprecherin Birgit Kalle waren knapp 240 Feuerwehrleute im Einsatz. Verletzt wurde niemand, doch die Sachschäden dürften in die Millionen gehen. Hunderte Wohnräume und Unternehmen sind betroffen, Keller wurden geflutet, Straßen unterspült, Wege völlig zerstört, am Neimener Weg rissen die Schlammfluten ein Auto mit schwemmten es unter eine Brücke. Sogar die Feuerwehr Fröndenberg verlor im Einsatz zwei Fahrzeuge – ein Löschfahrzeug rutschte in einen Graben, ein zweites musste als nicht mehr einsatzfähig abgemeldet werden.

Anliegerin: „Das Wasser drückte unsere Haustür ein“

Lea Einzel, die am Neimener Weg eine Großtagespflege betreibt, erlebte die Notlagen hautnah: „Wir haben erst noch gewitzelt, als der Gartenschlauch auf dem Rasen unter Wasser stand. Dann kam die Brühe unter unserer Haustür her, und als ich die mit Lappen abdichten wollte, wurde plötzlich die ganze Tür eindrückt. Ich stand bis zu den Knien im Wasser – im eigenen Zuhause.“

Nachbarn bei den Pferden im Stall gefangen

Nebenan im Pferdestall hielt sich ein Ehepaar bei den Tieren auf – und kam nicht mehr aus dem Stall heraus. Jens Einzel rief die Feuerwehr: „Die Fröndenberger kamen dann auch, und als klar war, dass die Nachbarn außer Gefahr waren, haben sie sich mitten im Unwetter in ihre Fahrzeuge gesetzt und Kaffee getrunken.“ Das habe viele Anwohner wütend gemacht, berichtet Einzel: „Erst die Feuerwehr aus Holzwickede, die später kam, hat hier mit angepackt.“ Ansonsten hätten sich die Nachbarn gegenseitig geholfen, um schlimmste Schäden zu beseitigen. Dennoch ist das Haus, in dem die Einzels wohnen, völlig verschlammt, darunter auch die Betreuungsräume für Lea Einzels kleine Schützlinge.

Zahlreiche Feuerwehren aus Nachbarstädten im Einsatz

Neben der kompletten Freiwilligen Feuerwehr Fröndenberg halfen Kräfte aus Menden, Unna, Holzwickede, Kamen und Schwerte den Fröndenbergern. Zuvor hatte der Deutsche Wetterdienst für Sonntag bis zum späten Nachmittag eine Warnung vor extremem Unwetter (Stufe 4 von 4) herausgegeben. Am Mittag war das Gewitter mit Starkregen aufgezogen, am Nachmittag folgte ein zweites. Der erste Hilferuf lief die 112 aus Fröndenberg kam um 12.38 Uhr in der Rettungsleitstelle des Kreises auf.

Seniorenwohnheim evakuiert, Wasser im Löhnbad eine braune Brühe

In dieser Brühe kann vorerst niemand mehr schwimmen: Auch in das Löhnbad flossen die Wassermassen, nebenan musste das Parterre des Seniorenheims im Wiesengrund evakuiert werden.
In dieser Brühe kann vorerst niemand mehr schwimmen: Auch in das Löhnbad flossen die Wassermassen, nebenan musste das Parterre des Seniorenheims im Wiesengrund evakuiert werden. © dpa | Markus Gayk

In der Folge verwandelten sich Straßen in mittelgroße Bäche – zum Beispiel am Oelmühlenweg im Fröndenberger Stadtteil Warmen. „Das waren Bilder wie aus Südostasien“, sagt eine Nachbarin der Einzels in Neimen. Selbst Bewohner des höher gelegenen Stadtteils Hohenheide blieben nicht von Unwetterfolgen verschont: Auch hier berichteten Anwohner von Wasser, das durchs Mauerwerk der Häuser sickerte – wohl weil die Wassermassen schlichtweg zu groß waren, um im Erdboden zu versickern.

Justizvollzugskrankenhaus betroffen

Und auch das ist eine Folge des Unwetters vom Sonntag: Mit großen Absaugpumpen und vielen kleinen Sandsäcken kämpften noch am Sonntagabend ehrenamtliche Helfer der Freiwilligen Feuerwehr Fröndenberg gegen die Wassermassen am Neuapostolischen Seniorenzentrum im Wiesengrund, dessen Parterre evakuiert werden musste: Bewohner und Mitarbeiter des Hauses wurden in den oberen Etagen in Sicherheit gebracht. Das nebenan liegende Löhnbad ist zum Schwimmen vorerst nicht mehr zu nutzen: Die Brühe aus den umliegenden Feldern bildete mit dem Beckenwasser jetzt einen regelrechten See. Betroffen war auch das Justizvollzugskrankenhaus, in das die Feuerwehr einrücken musste.

Unwetter legt auch den Bahnverkehr lahm: Zugausfälle und Ersatzverkehr mit Bussen

Lea und Jens Einzel bei Aufräumarbeiten vor ihrer Großtagespflege in Neimen: So wie ihnen erging es am Sonntag hunderten Anwohnern in Fröndenberg.
Lea und Jens Einzel bei Aufräumarbeiten vor ihrer Großtagespflege in Neimen: So wie ihnen erging es am Sonntag hunderten Anwohnern in Fröndenberg. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Die Unwetterschäden legten den Bahnverkehr zwischen Fröndenberg und Wickede lahm. Es kam kurzfristig zu Zugausfällen. Züge aus Dortmund und Hagen endeten und begannen in Fröndenberg. Am Nachmittag gab es noch keine weiteren Informationen zur Dauer der Sperrung. Ein Ersatzverkehr mit Bussen ist laut Bahn eingerichtet.

Ein Video von den Unwetterfolgen ist zu sehen unter wp.de/froendenberg