Menden. Seit Montag keine Prio-Gruppen mehr: Hausarztpraxen werden mit Anrufen geflutet, doch beim Impfstoff herrscht Ebbe. Es kann noch knapper werden.

Mit der Aufhebung der Priorisierung fürs Impfen gegen das Coronavirus können sich jetzt alle Mendenerinnen und Mendener ihre Impftermine beim Hausarzt, Betriebsarzt oder Kinderarzt besorgen. Theoretisch. Denn in vielen Praxen herrscht Ebbe bei den Impfstoffen, während sie von Anrufen überflutet werden. Die Folgen beschreiben auf Anfrage der WP die Mendener Ärzte Sven Naujoks, der an der Körnerstraße eine internistische Hausarztpraxis betreibt, und Roger Dietrich, dessen Hausarztpraxis an der Unnaer Straße liegt.

Aus versprochenen 200 Dosen Johnson & Johnson wurden exakt 14

Naujoks erzählt ein Beispiel zum Impfstoffmangel: „Wir erhielten kürzlich die Nachricht, das wir fast unbegrenzt Ampullen von Johnson & Johnson bestellen könnten. Worauf wir 200 bestellt haben.“ In der Heide-Apotheke, über die seine Praxis ihre Lieferungen abwickelt, kamen dann exakt 14 Ampullen an. „So werden Lieferungen zur Wundertüte“, sagt der Mediziner. Und: „Wir erfahren erst, wie viel wir bekommen, wenn wir montags oder dienstags das Paket öffnen.“

Viele Termin-Verlegungen sorgen für Unzufriedenheit auf allen Seiten

Impfstoff-Knappheit auch für Betriebe absehbar

Das Bundesministerium für Gesundheit hat zur Belieferung der Betriebsärzte mit Biontech für die kommende Woche bundesweit eine Gesamtmenge von 602.550 Dosen angekündigt. Diese Menge sei ausschließlich den Betriebsärzten vorbehalten.

So soll jeder der 6266 bestellenden Betriebsärzte mindestens 84 Dosen (14 Vials) erhalten, falls nicht weniger bestellt wurde.

Die Liefermengen von Biontech seien geringer als in dieser Woche, daher stehen auch für Betriebsärzte geringere Liefermengen bereit. (Quelle: www.wirtschaftimpftgegencorona.de)

Der versprochene „Impfturbo“ stotterte nach Naujoks’ Erinnerung allerdings von Anfang an: So seien in der ersten Woche gerade drei Ampullen (Vials) von Biontech bei ihm angekommen, in der zweiten Woche eine einzige. Die Folge: Unzufriedenheit auf allen Seiten. Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten der Praxis müssen vertröstet, neue Termine vereinbart werden. Das sei auch für das Personal enervierend, sagt Naujoks. Und: „Bei den vielen Verlegungen muss man auch im Terminkalender aufpassen, zumal es für Zweitimpfungen unterschiedliche Fristen gibt. Es geht hier seit Wochen gefühlt nur noch ums Impfen. Und wir können die enorme Nachfrage beim besten Willen nicht im Ansatz zufriedenstellen.“

Jetzt wollen auch Betriebs- und Kinderärzte den begehrten Impfstoff haben

Die Wartelisten seien lang, seit die Hausärzte impfen dürfen. Allein für Biontech stehen bei Naujoks noch 192 Termine für unter 60-Jährige und 96 für die Altersgruppe Ü60 an. Dass seit Montag auch Betriebs- und Kinderärzte auf die limitierte Impfstoffmenge zugreifen können, lässt ihn befürchten, dass es für Hausärzte noch knapper wird. „Dann erhalten wir vielleicht nichts mehr.“

Schon zu Beginn Anrufe von „allen, die sich Hoffnungen machten“

Dagegen gibt es bei den Dosen für Zweitimpfungen keine Lieferprobleme, schildert Roger Dietrich. In seiner Praxis sei die Zahl der Anrufe nach der Freigabe weder mehr noch weniger geworden. Denn auch zu Beginn der hausärztlichen Impfungen hätten keineswegs nur Menschen aus den Prio-Gruppen angerufen. „Sondern alle, die sich Hoffnungen machten.“

Bei Roger Dietrich bis zu den Sommerferien nur noch Erstimpfungen

Da es in seiner Praxis bis zu den Sommerferien nur noch Zweitimpfungen gibt, sei das Patientenaufkommen so hoch wie zu Beginn, als man bei den Erstimpfungen an die Grenze des Machbaren ging. Die Vielzahl der Telefonate sei der Praxis allerdings erhalten geblieben, diesmal dank der Freigabe. Das sorge auch dafür, dass Kranke oder Vorsorgepatienten die Praxis kaum erreichten – und umgekehrt.

Kein einziger Patient hat bisher einen Impftermin versäumt

Der Mangel an Impfstoff schlage in seiner Praxis jedenfalls nicht durch, betont Dietrich. Der Grund: „Wir haben Termine von Anfang an nur nach der jeweils vorhandenen Impfstoffmenge vergeben, die wir in Rücksprache mit der Apotheke erfahren haben.“ Somit stünden jetzt keine Erstimpftermine offen, und für die Zweitimpfungen werde problemlos geliefert. Was ihm auffällt: „Es hat noch kein einziger Patient einen Impftermin versäumt.“

Hoffnungsschimmer aus dem Impfzentrum Lüdenscheid: 100 Dosen Astrazeneca

Im WP-Gespräch erhält Sven Naujoks indes die Nachricht, dass er aus dem Impfzentrum in Lüdenscheid 100 Dosen Astrazeneca erhalten kann – ein Hoffnungsschimmer: „Wir überlegen, wieder einen Impf-Samstag anzubieten.“ Dies werde allerdings nur für die Patientinnen und Patienten der eigenen Praxis gelten.