Menden. Schulleiter in Menden halten öffentliche Debatte über „verlorenes Jahr“ als überzogen an. „Lerncamps“ sollen Angebote in den Ferien machen.

Mit dem Regelschulstart am Montag soll auch in Menden die Aufholjagd beginnen, was mögliche Wissenslücken aus dem Corona-Lockdown betrifft. Zum Nachlernen wollen viele Schulen in Menden ihren Kindern und Jugendlichen Angebote machen, ob an Wochenenden oder in den kommenden Sommerferien. Zugleich sind Schulleiter wie Ulrich Cormann (Gymnasium an der Hönne) und Christiane Lohmann (Albert-Schweitzer-Grundschule Lahrfeld) verärgert darüber, dass im Zusammenhang mit Corona öffentlich so viel über vermeintliche Wissenslücken der Kinder und Jugendlichen debattiert wird – bis hin zu den Schlagworten von einem „verlorenen Jahr“ oder gar einer „verlorenen Generation“.

Gerede von „verlorener Generation“ ist laut Schulleiterin „kompletter Quatsch“

Das, sagt Christiane Lohmann, sei „kompletter Quatsch“. Sie selbst unterrichte eine vierte Klasse, die trotz der Pandemie auf dem Stand der Dinge sei. Und wenn die Albert-Schweitzer-Schule wie im Vorjahr auch in den kommenden Sommerferien ein „Lerncamp“ eröffne, „dann werden wir den Kindern vor allem sagen, wie toll sie diese schwierige Phase gemeistert haben!“ Ältere Kinder hätten längst mitbekommen, dass über sie gesprochen wird, als seien sie durch die Ausfälle des Präsenzunterricht wegen der Pandemie tatsächlich minderbemittelt. Und das, sagt Lohmann, ärgere sie als Schulleiterin kolossal.

In Lerncamps sollen Kinder spielerisch die Freude an der Schule zurückgewinnen

Im Schweitzer-Lerncamp werde es auch und vor allem darum gehen, das soziale Miteinander wieder einzuüben und so gemeinsam die Freude an der Schule zurückzugewinnen. Dafür sollen die dafür eingesetzten Referendare und Lehramtsstudenten, die als Kinder teils noch selbst die Albert-Schweitzer-Schule besucht haben, mit den Kleinen draußen spielen und etwa Ausflüge in den Wald unternehmen. Den Lernstoff nachzuholen, werde ein wichtiger Teil des Camps sein, aber eben nur ein Teil.

Gymnasium: Dank Top-Distanzunterricht dürfte es kaum Wissenslücken geben

Ähnlich sieht es Ulrich Cormann. „Wir haben einen Top-Distanzunterricht durchgeführt, ich glaube nicht, dass sehr viel an Inhalten dabei verpasst wurde.“ Auch am Gymnasium werde man den Schülerinnen und Schülern jetzt vor allem vermitteln, wie schön es ist, wieder zusammen sein zu dürfen. Möglicherweise doch versäumter Lernstoff soll in den letzten beiden Wochen der Sommerferien in Camp-Angeboten vermittelt werden. Dabei sollen Lehrkräfte des Gymnasiums an einem Tag ein Mathe-Camp anbieten, am nächsten ein Deutsch-Camp und so weiter. Das alles sei bereits in Vorbereitung.

Unbenotete Tests zum Schuljahresbeginn können aktuellen Lernstand ermitteln

Die letzten beiden Ferienwochen habe man dafür bewusst ausgewählt, um nahe an den Schulbeginn nach den Ferien zu rücken, wenn das Erlernte noch frisch ist. Und: Mit Beginn des neuen Schuljahres seien dann auch unbenotete Tests denkbar. Sie sollen allein dazu dienen, den tatsächlichen aktuellen Lernstand der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln. Sollte sich dabei Aufholbedarf ergeben, könne der auch im laufenden Schulbetrieb berücksichtigt werden.

Nachhilfe: Stadt will Aufholjagd koordinieren

Die Stadt Menden will ihrerseits mithelfen, wenn es um die Aufholjagd bei der Schulbildung für Mendener Kinder und Jugendliche geht, die in der Pandemie Lerninhalte versäumt haben. Die dafür vom Bund angekündigten Fördergelder will Bürgermeister Dr. Roland Schröder vor allem für professionelle Nachhilfen einsetzen, wie er gegenüber der WP betonte.

So sehr er den Einsatz etwa von Oberstufenschülerinnen und -schülern anerkenne, die an manchen Schulen in den Ferien dafür eingesetzt werden sollen, so wolle Menden doch sehr viel stärker auf die Erfahrung der Institute setzen. Das gelte nicht nur, aber besonders für Kinder und Jugendliche, die wegen fehlender Deutschkenntnisse zuhause ohnehin weniger Unterstützung erfahren. Zudem verfügten gerade sie im Elternhaus mitunter nicht über die notwendige Technik für das Distanzlernen.

„Wir als Stadtverwaltung wollen hier auch beim Aufholen ansetzen und genau das machen, was als Aussage im Wahlkampf oft belächelt wurde: Wir wollen moderieren, vernetzen und vermitteln“, hat sich Schröder vorgenommen. Er denke hier vor allem an ein professionelles Netzwerk, das die heimischen Nachhilfeinstitute bilden könnten, damit versäumter Schulstoff so grundlegend wie möglich nachgeholt werden kann. Um dabei die höchstmögliche Effektivität zu erreichen, müssten die Angebote aufeinander abgestimmt werden, sagt der Bürgermeister, der vor seiner Wahl selbst Hochschuldozent war.

Zugleich habe die Stadt über die Bundesmittel dafür zu sorgen, dass die Finanzierung der Unterrichte gewährleistet ist, damit es hier nicht zu neuen Ungerechtigkeiten kommt.

Im Klartext: Das Portmonee der Eltern soll nicht entscheidend dafür sein, ob ihre Kinder die staatlich geförderte Nachhilfe erhalten können oder nicht. Nähere Regelungen zu den dafür einzusetzenden Fördergeldern erwartet der Mendener Bürgermeister alsbald.