Menden. Toni Castrignano fehlt die Perspektive. Er erzählt, wie er die Zeit erlebt und warum er in der Mendener Mühle keinen Lieferservice anbietet.
Noch ist keine Öffnung in der Gastronomie in Sicht. Seit mehreren Monaten ist die Mendener Mühle geschlossen. Inhaber Vitantonio „Toni“ Castrignano kümmert sich aktuell um die Renovierung der Gaststätte, ist aber zunehmend frustriert, weil ihm eine Perspektive fehlt. Noch vor einiger Zeit war er davon ausgegangen, dass der Lockdown nur wenige Wochen dauern würde. Im Interview erzählt er, wie er die Corona-Pandemie erlebt und warum er keinen Lieferservice eröffnen wird.
Herr Castrignano, die „Mendener Mühle“ sowie die gesamte Gastronomie muss coronabedingt weiterhin geschlossen bleiben. Wie erleben Sie die aktuelle Zeit?
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Wir sind dabei zu renovieren und haben einige Sachen in Angriff genommen, die schon länger fällig waren. Wir haben Toiletten renoviert, den Boden neu gefliest, die Wände gestrichen, neue Beleuchtung angebracht und neue Tische aufgestellt. Auch die Kornkammer haben wir neu gestaltet. Ich bin aber auch eigentlich davon ausgegangen, dass wir im April oder Mai wieder aufmachen. Mittlerweile weiß ich das nicht mehr so genau. Aber das war von Anfang an mein Gefühl. Das einzige, was ein bisschen hilft, ist das Überbrückungsgeld. Man wird trotzdem müde mittlerweile. Es fehlt der soziale Kontakt zu den Menschen. Wenn ich durch Menden laufe, dann erlebe ich ein Trauerspiel. Das ist wirklich traurig.
Castrignano: „Wir haben einen vielseitigen Job“
Wie sieht es denn finanziell aus: Die Corona-Hilfen ersetzen aber wahrscheinlich nicht die Einnahmen, die im Normalbetrieb reinkommen, oder?
Nein. Die dritte Hilfe, die wir bekommen haben, deckt 90 Prozent der Kosten. Die anderen zehn Prozent tragen wir selbst. Das ist nicht einfach.
In der Vergangenheit hatten Sie gesagt, dass Sie in der Mühle keinen Lieferservice anbieten wollen, weil Sie davon ausgegangen waren, dass der Lockdown nicht so lange dauert. Bereuen Sie diese Entscheidung mittlerweile?
Nein. Ich habe da für mich selbst keinen Sinn gesehen, weil wir da nicht drauf spezialisiert sind, so wie zum Beispiel die Pizza-Taxis. Ich will den Menschen sehen, will mit den Menschen reden, der muss vor mir stehen. Ich muss in wenigen Sätzen erkennen können, was für ein Mensch das ist und wie ich mit dem umgehen kann. Wir haben einen vielseitigen Job – das ist mehr als nur den Bierhahn aufzudrehen. Wir lassen uns Zeit mit der Renovierung. Jetzt noch einen Lieferdienst zu eröffnen, das macht keinen Sinn. Ich muss mich dann auch logistisch vorbereiten. Ich müsste die Leute aus der Kurzarbeit holen und dann weiß man nicht, ob die ganze Sache funktionieren würde oder nicht.
Auch den Stammgästen fehlt der gemeinsame Austausch
Kommen denn in Menden häufiger Leute auf Sie zu und sagen, dass Ihnen die Mühle fehlt?
Natürlich. Mit allen Stammgästen, die ich in der Stadt treffe, unterhalte ich mich auch und frage, was sie so bedrückt. Sie bedauern auch, dass sie aktuell nicht kommen können. Dieses Miteinander und der Austausch fehlt – und wenn es nur ein dummer Witz ist.
In der Gastronomie fehlt die Perspektive, es gibt noch immer kein richtiges Öffnungsszenario. Wie gehen Sie mit dieser Perspektivlosigkeit um?
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Jetzt kommt die Zeit, wo ich Frust schiebe. Die Politik hat mit den Impfstoffen versagt in meinen Augen. Wir hätten schon viel weiter sein können, da werde ich langsam auch sauer. Das mag man mittlerweile gar nicht mehr hören, was die so von sich geben. Einiges verdränge ich mittlerweile auch.
Was würden Sie sich denn von der Politik wünschen im Bezug auf die Gastronomie?
Mein größter Wunsch ist: Impfen, impfen, impfen. Dazu Maske und Abstand. Dann hätten wir das ganze in wenigen Wochen hinter uns. Nur leider klappt das aktuell nicht gut. Ich bin davon ausgegangen, dass wir spätestens im November oder Dezember einen Impfstoff haben und dass wir bis Februar und März die Sache mit Vollgas angehen. Zu Beginn der Pandemie waren wir ja sogar ein Vorbild, wie wir in Deutschland damit umgehen. Jetzt denke ich, dass wir frühestens Ende April oder im Mai wieder öffnen können und dass sich dann auch endlich was in der Gastronomie tut. Jetzt haben wir schon fünf Monate gewartet, da werde ich die paar Wochen wohl auch noch durchziehen müssen. Aber das ist schon trostlos. Es ist wichtig, einen klaren Kopf zu behalten.