Menden. 22 Covid-Patienten, und von 174 Pflegekräften sind 31 krank: Über Silvester kann das Krankenhaus keine Böller-Verletzten gebraúchen
22 Covid-Patientinnen und -Patienten liegen am Dienstagnachmittag im Mendener St.-Vincenz Krankenhaus, eine Person wird beatmet, ein Intensivbett ist noch frei. "Aber das ändert sich stündlich", sagt Chefarzt Dr. Markus Berghoff. Was ihm ebenso große Sorge bereitet wie seine Covid-Patienten, ist der hohe Krankenstand unter den Pflegekräften des Mendener Krankenhauses: Von 174 in der Pflege-Beschäftigten sind aktuell 31 krankgeschrieben, ein Gutteil mit einer Corona-Ansteckung in Quarantäne.
Pflegekräfte gehen erneut an ihre Grenzen: "Das sind wirklich Retter"
Wer als Kontaktperson in Frage kommt, arbeitet unter der FFP2-Maske meist weiter, muss allerdings nach Feierabend sofort und ohne Umwege nach Hause. Besuche oder Einkäufe sind tabu. "Manche unserer kranken Kolleginnen und Kollegen", berichtet Berghoff, "brauchen einfach auch einige Tage zur Erholung, weil sie an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen müssen."
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Sie müssten dann wieder durch Mitarbeitende ersetzt werden, die eigentlich endlich mal frei hätten. "Was unsere Pflegekräfte jetzt wieder leisten, kann man nicht hoch genug einschätzen. Sie gefährden ihre eigene Gesundheit für andere. Das sind wirklich Retter."
Hohe Inzidenzzahlen der letzten Wochen schlagen auf die Belegung durch
Bis vor wenigen Wochen hatte das St. Vincenz noch kaum Covid-Patienten zu versorgen. Doch die hohen Inzidenzzahlen der letzten Zeit gerade für Menden und den Märkischen Kreis schlagen längst auf die Belegung der Corona-Stationen durch. Das betrifft nachweislich infizierte Patienten wie auch Verdachtsfälle, die obendrein einzeln zu isolieren sind, erläutert der Chefarzt.
Alle Ankömmlinge werden auf Corona-Infektion hin getestet
Unter denen, die jetzt auf der Corona-Isolierstation liegen, seien einige wegen ganz anderer Beschwerden oder Verletzungen ins Krankenhaus gekommen. Nach ihrer Eingangs-Testung fanden sie sich unversehens unter den Covid-Patienten wieder. Denn auch im Vincenz werden alle Ankömmlinge auch daraufhin untersucht. Ungeplant eintreffende Notfälle erhalten noch in der Ambulanz den Schnelltest und anschließend, um sicherzugehen, noch den genaueren PCR-Test, der bis zum Ergebnis einen Tag braucht. "Elektive" Patienten mit planbaren Untersuchungs- oder OP-Terminen müssen ihren negativen Test gleich mitbringen. So ist es laut Dr. Berghoff bislang gelungen, das Vincenz-Krankenhaus vor Infektionen von Patient zu Patient zu schützen. Und damit könne hier auch weiterhin jede andere Krankheit oder Verletzung behandelt werden.
Chefarzt Dr. Berghoff blickt "verhalten optimistisch" aufs neue Jahr
Auf das neue Jahr blickt der gelernte Anästhesist mit gemischten Gefühlen und einem "verhaltenen Optimismus". Das beginnt beim anstehenden Silvesterabend: "Ich hoffe nur, dass die Leute schön ruhig feiern." Das Mendener Krankenhaus sei gut aufgestellt, stehe aber auch am Anschlag und könne keine zusätzlichen Fälle gebrauchen. "Dabei geht es gar nicht so sehr um die schweren Böller-Verletzungen", sagt Berghoff, abgerissene Finger würden ohnehin in Spezialkliniken behandelt.
Bitte um zurückhaltendes Feiern zum Jahreswechsel: Oft kleine Verletzungen
Es seien vielmehr die kleinen Blessuren, die ausgiebige Feiern zum Jahreswechsel so mit sich bringen: "Da wird in Glasscherben gefasst oder getreten, man knickt um, so etwas meine ich. Das haben wir in den Neujahrsnächten häufiger in der Ambulanz. Und jede Verletzung weniger ist ein Gewinn, gerade jetzt. Für die Betroffenen gilt das sowieso, aber auch für uns. Das ist eine Pandemie, da geht's nicht einfach weiter wie gehabt."
Noch drei schwierige Monate, dann Hoffnung auf Entspannung auch dank Impfungen
Die Aussichten auf 2021 sieht Berghoff zweigeteilt: "Was Corona angeht, dürften wir noch drei schwierige Monate bis zum Frühling vor uns haben, aber wir haben in der Behandlung auch vieles dazugelernt. Danach entspannt es sich hoffentlich wieder, auch die Impfungen könnten dann im Sommer nachhaltige Wirkung zeigen."
Hohe Kosten: Ruf nach zweitem Rettungsschirm für Krankenhäuser
Dringend erforderlich sei aber ein zweiter Rettungsschirm für die Krankenhäuser, denn das Virus greife deren wirtschaftliche Basis massiv an. "Überträgt man unser jetziges Finanzierungsmodell auf die Feuerwehr, dann würde die nur fürs Löschen von Bränden bezahlt, nicht aber für das Vorhalten von Kräften, Ausrüstung und Material."
Bei Corona-Patienten sei der Personaleinsatz indes besonders hoch. Für kleinere Krankenhäuser wie Menden mache das die Lage besonders schwierig. Und das in einem Jahr, das für das Vincenz sehr vielversprechend begonnen hatte, mit der besten Auslastung seit Jahrzehnten.
Schieflage aus hohen Kosten und verminderten Einnahmen ist wieder da
Dann kam der erste Lockdown, dem auch der erste Rettungsschirm folgte. Doch diese Geldquelle ist im Oktober versiegt, als das Programm auslief. Jetzt, sagt Berghoff, sei die Schieflage aus hohen Kosten und verminderten Einnahmen wieder da. Dass sie wieder ins Lot kommt, dürfte einer seiner wichtigsten Wünsche für das neue Jahr sein.