Menden. Ein Versandhandel bietet einen Antikörper-Test für Corona an. WP-Reporter Arne Poll hat’s ausprobiert und bezahlte 67 Euro für eine Ohnmacht.
Hatte ich’s schon oder hatte ich es nicht? WP-Reporter Arne Poll hat sich den Corona-Selbsttest aus dem Versandhandel besorgt und gemacht. Der Antikörper-Test für 67,30 Euro soll Hinweise auf eine durchgemachte Corona-Infektion geben. Erst einmal hat er es geschafft, den WP-Reporter aus den Socken zu hauen. Denn der Anbieter will Blut sehen.
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„War es Covid-19?“ Antworten auf diese zentrale Frage verspricht die Werbung des Anbieters Cerascreen. (Es gibt auch noch andere Anbieter auf dem Markt.) Der Test, der mittlerweile auch über Drogeriemärkte wie dm bestellbar ist, gibt keinen Aufschluss über eine akute Infektion. Er soll aber den Nachweis bringen, ob man bereits Corona durchgemacht hat und Antikörper gebildet hat. Das könnte auf eine mögliche Immunität hindeuten.
Ein Testpaket mit allerhand Material: Pikser, Tupfer, Pflaster und ein Code
Der Test ist schnell bestellt, 67,30 Euro abgebucht. Wegen der hohen Nachfrage dauert es aber mehr als eine Woche, bis das Testpaket tatsächlich in der Post liegt. Beim Blick in die rote Box wartet erst einmal ein kleines Durcheinander: zwei Röhrchen, zwei Pikser, zwei Tupfer, ein Pflaster, zwei Broschüren, ein Code und ein Umschlag.
Das Heftchen klärt darüber auf, dass der Test nur zum Wochenanfang gemacht werden darf, weil tatsächlich Blut abgezapft werden muss. Da die Probe per Post verschickt wird, soll man das nicht über das Wochenende machen, damit’s nicht unbrauchbar wird. Also noch einmal warten.
Vier Wochen bis der Test tatsächlich möglich ist
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Mittlerweile sind seit der Bestellung zwei Wochen vergangen. Kurz vor dem geplanten Test dann der Versuch, den Versandaufkleber zur Abholung der Probe auszudrucken. Das scheitert. Der richtige Code ist nicht dabei. Also eine Anfrage beim Anbieter. Für diese Woche können wir die Probe wieder vergessen. Nach einigem Durcheinander und einem weiteren Irrtum beim Kundendienst stellt sich heraus: Der Anbieter hatte das falsche Heftchen beigelegt. Man muss gar keinen Aufkleber mehr für den Express-Versand ausdrucken, sondern die Blutprobe in den beiliegenden Umschlag tun und unfrankiert in den nächsten Briefkasten der Post werfen.
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Vier Wochen nach der Bestellung dann der große Test: Man möge bitte ein wenig Sport treiben, heißt es. Am besten mal den Arm kreisen lassen. damit das Blut in die Fingerspitzen schießt. Nun denn. Dann bitte die Einstichstelle desinfizieren. Der Rest ist nichts für schwache Nerven. Man muss die sogenannte Lanzette auf der Fingerspitze ansetzen. Pieks! Aua. Die Nadel hat einen kleinen Schnitt in den Finger geritzt. Das läuft etwas gröber ab als beim Blutzuckertest. Denn wir brauchen ja mehr als einen Tropfen Blut.
Der Finger wird gemolken wie eine Kuh
Jetzt wird’s hektisch. Den ersten Tropfen bitte abstreichen. Dann wird gemolken (der Hersteller drückt das anders aus). Tropfen für Tropfen muss man aus dem Finger in das kleine Röhrchen flutschen lassen. Das ist nichts für Grobmotoriker. Und man muss schnell sein, damit sich die Wunde nicht schließt. Es wäre wohl einfacher eine Kuh zu melken. Aber was tut man nicht alles für die Selbst-Wissenschaft.
Das Röhrchen muss mindestens bis zum Strich voll sein. Also quetschen, quetschen, quetschen. Die Markierung ist gerade erreicht. Da versiegt das Blut am Finger urplötzlich. Ein flaues Gefühl in der Magengegend, die Ohren sausen. Ich könnte mich jetzt mal hinlegen. Ich MUSS mich hinlegen! Zack, da hat der Corona-Test den Reporter aus den Socken gehauen. Jetzt hab ich selbst geschafft, was sonst nur Krankenschwestern beim richtigen Blutabnehmen geschafft haben. Die Reize, die zur Ohnmacht führen seien die gleichen, erklärt mir später ein Arzt. Aha. Jetzt weiß ich wenigstens, dass es nicht an der Krankenschwester gelegen hat.
Coronatest: Und plötzlich vermeldet eine App das Ergebnis
Wieder halbwegs bei Sinnen wird das Röhrchen verschlossen. Ein weiteres Schutzröhrchen kommt außen herum. Die Wunde ist bereits mit dem beiliegenden Pflaster versorgt. Ab in den Briefumschlag, der einen Code trägt. Gleichzeitig wird der Code in der App des Anbieters aktiviert. Eine Stunde später ist der Umschlag in der Post.
Drei Tage später meldet die App auf dem Smartphone plötzlich, dass das Ergebnis vorliegt. Es kommt unspektakulär daher. Negativ! Das heißt: Keine Antikörper gefunden. Aber was heißt das jetzt wirklich? Eigentlich nichts. Man könnte kein Corona gehabt haben, vielleicht aber auch doch. Studien deuten mittlerweile darauf hin, dass längst nicht bei allen Infizierten auch Antikörper vorliegen, dass sie in diesem Test nachweisbar wären. Außerdem sinkt die Zahl der Antikörper deutlich mit Abstand von der Infektion. Was das für eine Immunität heißt, ist unklar. Im Umkehrschluss wäre ein positives Ergebnis ein Hinweis darauf, dass man sehr wahrscheinlich schon infiziert war. Hieße aber trotzdem nicht, dass man wirklich immun ist.
Verbraucherzentralen warnen ausdrücklich vor Überbewertung der Tests
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Die Verbraucherzentralen warnen ausdrücklich davor, die Ergebnisse solcher Tests überzubewerten. „Viele Faktoren wie eine schlechte Probenqualität, ein unsachgemäßer Transport oder der falsche Zeitpunkt der Probenentnahme können das Ergebnis eines Selbsttests verfälschen“, heißt es in einer Mitteilung. Ob diese Erkenntnis wirklich 67,30 Euro wert war...?
Der Hersteller weist mich seitdem per E-Mail auf weitere Tests aus seinem Angebot hin. Ich soll mich mal auf Darmparasiten testen lassen oder mein freies Testosteron überprüfen lassen. „Wissenschaftliche Studien zeigen, dass gerade bei Männern ab 30 die Testosteron-Produktion abnimmt“, heißt es in der Werbung. Was man nicht alles erfährt.
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