Menden. Brachial-Comedy nach halbjähriger Zwangspause für Künstler und Saal: Faisal Kawusi tritt auf Wilhelmshöhe vor coronabedingt 200 Zuschauern auf.

Sie haben an diesem Samstagabend etwas gemeinsam, als der junge Brachial-Comedian Faisal Kawusi auf der Wilhelmshöhe, Mendens „alter Dame“, auftritt: Beide hatten wegen der Corona-Pandemie seit März keine Live-Show mehr, und beide zeigen sich ziemlich schlecht vorbereitet. Einmal, weil Kawusi nach einem halben Jahr Nichtstun, wie er augenzwinkernd sagt, die Inhalte seines Programms „Anarchie“ fast vergessen hat. Und weil Veranstalter Wilfried Kickermann und Techniker Falk Steidel für die daraus folgende Spontanshow auf die alte Hausanlage zurückgreifen müssen. Denn die fortwährenden Spannungsabfälle der betagten Elektrik der Wilhelmshöhe vertragen die mitgebrachten hochempfindlichen Verstärker nicht.

Am Schluss der Spontan-Show sind alle zufrieden

Wegen der Abstandsregeln erleben nur 200 Gäste diesen Live-Abend, sonst wären es vielleicht 750 geworden. Und am Ende seines unstrukturierten Programms, das vor allem aus mit Kraft- und Fäkalausdrücken gewürzten Dialogen mit dem Publikum besteht, sind alle zufrieden. Kawusi, weil er nach Monaten wieder live Applaus einheimst. Die Leute, weil sie endlich wieder einem Live-Event beiwohnen dürfen. Und die nimmermüden Veranstalter Wilfried und Moritz Kickermann vom Phono-Forum, weil sie den Mendenern nach Autokino und Zeltkonzerten trotz Corona endlich wieder den Klassiker Wilhelmshöhe kredenzen können.

Beste Sprüche stammen aus dem vergessenen „Anarchie“-Programm

Diese 200 Sitze voll zu bekommen, sei indes gar nicht so einfach gewesen, bestätigt Moritz Kickermann. „Es gibt natürlich eine Zurückhaltung, die mit der Angst vor Ansteckung zu tun hat. Und dann ist da noch die Unsicherheit, ob die Veranstaltung überhaupt stattfinden kann.“ Denn das sei angesichts immer neuer Corona-Regeln keineswegs garantiert. Es mag auch eine Zurückhaltung gegeben haben angesichts des Ticketpreises von 31,50 Euro. Aber bei nur 200 verkäuflichen Plätzen müssen die Einnahmen irgendwo herkommen.

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Faisal Kawusis Show ist dieses Geld diesmal nur bedingt wert. Auf ihre Kosten kommen immerhin alle, die auf Witze über den mehrfach vorgezeigten Schwabbelbauch und das Maurerdekolleté stehen, die unentwegt das F-Wort hören wollen – und Flachwitze selbst da, wo Kawusi den Deutschen dank seines afghanischen Migrationshintergrundes den Spiegel vorhalten könnte. Der Vergleich eines Backstagebereichs mit einem KZ klingt aber auch aus seinem Mund unsäglich.

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Da hilft es auch nichts, zum Schluss wie zur Entschuldigung eine einfältige Unbefangenheit zu predigen, laut der man sich über Witze grundsätzlich nicht aufregen darf, wenn doch im richtigen Leben die AfD in den Bundestag einzieht. Dafür gibt’s auf der Wilhelmshöhe zwar Applaus. Trotzdem darf man unaufgeregt feststellen, dass es platter kaum geht.

Comedian zeigt sich super integriert: „Ich hab’ sogar Laktose-Intoleranz!“

Mittendrin wünscht man sich, Kawusi hätte auf den ganzen Spontankram verzichtet und sein Anarchie-Programm durchgespielt, denn daraus stammen erkennbar die besten Sätze dieses Abends. Wenn der 29-Jährige etwa über Gewalt auf der Straße sagt: „Deutsche üben da keine Gewalt aus. Deutsche erstatten Anzeige.“ Oder: „Ich bin so super integriert, ich hab’ sogar Laktose-Intoleranz!“ Wenn er erzählt, dass seine Tante AfD wählt, weil sie denkt, das seien die „Afghanen für Deutschland“. Oder das Herkunftsland seiner Familie erklärt: „Wir Afghanen sind nicht so wie ihr. Wir mögen Gäste.“

Morscher Bühnenboden sorgt fast für Kawusis großen Durchbruch in Menden

Einmal kommen sie sich dann wieder sehr nah, der junge Herr Kawusi und die alte Dame Wilhelmshöhe, deren Bühnenbretter unte seinem Schwergewicht knarren: „Ist der Boden morsch? Nicht, dass es morgen in der Presse heißt: Kawusi hatte in Menden seinen großen Durchbruch!“

Nein, dafür hätte das Holz schon wirklich nachgeben müssen.