Menden. Experten gehen davon aus, dass sich unter Menden noch 600 Luftschutzanlagen aus dem Krieg befinden. Sie erklären den jüngst entdeckten Bunker.

Unter Menden schlummern möglicherweise noch bis zu 600 nicht verzeichnete Luftschutzanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Zu dieser Einschätzung kommen auf WP-Nachfrage Experten vom Studienkreis Bochumer Bunker. Die Untergrund-Forscher haben auch eine Vermutung, aus welchem Grund die jüngst entdeckte Anlage an der Walramstraße errichtet wurde.

Der gefundene Bunker aus der Vogelperspektive. Die Bilder zeigen ein Drohnen-Foto von Dr. Matthias Pahlen.
Der gefundene Bunker aus der Vogelperspektive. Die Bilder zeigen ein Drohnen-Foto von Dr. Matthias Pahlen. © Matthias Pahlen/privat

„Das waren zum Kriegsende Notmaßnahmen, um irgendwie noch Luftschutz für die Bevölkerung zu erreichen“, sagt Geschäftsführer Wilfried Maehler. „Damals wurde alles an Material verwendet, das zu bekommen war.“ Er geht davon aus, dass es sich bei der Anlage an der Walramstraße um einen sehr typischen sogenannten Deckungsgraben handelt – ein schnell erreichbarer Unterschlupf bei Bomben- und Granatangriffen. „Diese Anlagen befanden sich nicht tief unter der Erde“, erklärt Mähler. Sie seien meist nur mit gut einem Meter Erde überdeckt gewesen und sollten vor Splittern schützen.

Röhren waren mutmaßlich Abwasserrohre

Bei den charakteristischen Röhren handelt es sich mutmaßlich um zweckentfremdete Abwasserrohre. „Wenn alles richtig abgedichtet war, waren diese Röhren wasserdicht“, sagt Maehler. Das sei – wie hier in der Nähe der Hönne – unter anderem ein guter Schutz vor möglichem Hochwasser gewesen. Lieferanten seien bekannte Baufirmen wie das immer noch aktive Unternehmen Züblin gewesen. „Solche Dinger gab’s von der Nordsee bis zum Bodensee.“

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Dass der Eingang zur Walramstraße ausgerichtet war, sei übrigens kein Zufall. „Der Eingang befand sich immer zur vom Gebäude abgewandten Richtung“, erklärt Maehler. Sei ein benachbartes Haus bei einem Angriff zusammengestürzt, sei der Bunkereingang dann nicht verschüttet worden. Maehler und seine Kollegen beschäftigen sich seit Jahrzehnten akribisch mit der Dokumentation von Luftschutzanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg.Sie arbeiten mit Behörden und Unternehmen zusammen, um auch Gefahrenpunkte auszumachen und zu beseitigen.

Luftschutzanlage möglicherweise für Angestellte des Mendener Schlachthofes

Die Röhren ähneln einem Abwasserrohr und waren es wohl auch.
Die Röhren ähneln einem Abwasserrohr und waren es wohl auch. © ISM | Martin Niehage

Auch bei der Stadtverwaltung hatte sich zwischenzeitlich noch ein Bunker-Forscher gemeldet. Der Betreiber eines kleinen privaten Museums gehe ebenfalls davon aus, dass es sich um einen Splitterschutzgraben handelt, sagt Stadtsprecher Johannes Ehrlich. „Er bestätigte die Vermutung, dass es sich um Schutzräume für das Badehaus oder die Sporthalle gehandelt haben könnte.“

Der Bochumer Forscher Wilfried Maehler hält es auch für möglich, dass es sich um einen Schutzraum für den Schlachthof gehandelt haben könnte. „Schlachthöfe hatten für ihre Mitarbeiter eigene abgetrennte Luftschutzbereiche. Auch damals gab es schon Hygieneschutzmaßnahmen.“

Abriss der Luftschutzanlage am Hönne-Gymnasium soll am Dienstag beginnen

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Die Stadt will am Dienstag mit dem Abriss des Bunkers beginnen. „Der Bagger ist bereits angekommen“, sagt Johannes Ehrlich. Die Rohrstücke sollen zerlegt, der Rest mit einem Meißel zertrümmert werden. Schon am Dienstagvormittag soll der alte Luftschutzgraben dann Geschichte sein. Wilfried Maehler macht aus Erfahrung Hoffnung, dass das tatsächlich schnell gehen könnte: „Das geht relativ entspannt. Diese Rohrstücke lassen sich mit dem Bagger gut greifen.“ Allerdings könne er sich durchaus vorstellen, dass sich auf dem Gelände noch mehr Überreste befinden. „Oft knicken die Anlagen ab und führen dann weiter. Ich empfehle eine gezielte Sondierung.“ Auch die Stadtverwaltung will nicht gänzlich ausschließen, dass es noch weitere Überreste von Luftschutzanlagen gibt. Bei einer Sondierung vor Baubeginn war der Deckungsgraben nicht entdeckt worden.

Die Stadtverwaltung verteidigt sich unterdessen gegen Kritik von der FDP. „Wir haben den Bereich vorher ausreichend erkundet“, sagt Johannes Ehrlich. „Wir haben deutlich mehr Bohrungen gemacht als notwendig.“ Statt vorgeschriebener fünf seien 15 Löcher gemacht worden. Dabei fiel der Deckungsgraben allerdings nicht auf.

Der Bunker-Eingangsbereich am heutigen Hönne-Gymnasium.
Der Bunker-Eingangsbereich am heutigen Hönne-Gymnasium. © Thomas Hagemann

Bislang

war die Stadtverwaltung davon ausgegangen, dass sich im Mendener Stadtgebiet vielleicht noch drei ähnliche Anlagen befinden.

Kritisch setzt sich die FDP-Fraktion mit jetzt zu erwartenden Verzögerungen und Verteuerungen des Erweiterungsbaus für das Hönne-Gymnasium auseinander.

Die Baustelle habe „gerade erst begonnen und steht schon wieder. Offensichtlich sind ausreichende Voruntersuchungen nicht erfolgt, bei denen ein Bunker aus dem zweiten Weltkrieg vor Beginn der Maßnahme hätte entdeckt werden können“, so die FDP.

In der Leitmecke sei es der überraschend auftretende schlechte Baugrund gewesen, „beim Gut Rödinghausen erlebte man kosten- und zeittreibende Überraschungen, weil man die Bausubstanz nicht ordentlich untersucht hatte und über Jahre ,auf Sicht’ gebaut wurde“. Folgen seien immer erhebliche Baukosten- und Zeitüberschreitungen.

Der für den ISM verantwortliche Erste Beigeordnete Sebastian Arlt habe als Instanz der Steuerung und Kontrolle „offensichtlich in den letzten Jahren nur tatenlos zugeschaut und keine Maßnahmen ergriffen“, um die Missstände zu beseitigen. „Es werden Steuergelder ohne Zusatznutzen verbrannt. Hier besteht Handlungsbedarf, erst recht vorm Hintergrund eines durch die Corona-Folgen künftig stark belasteten Haushaltes. Wann kommt die Einsicht, dass mit Geld der Steuerzahler sorgsam umgegangen werden muss?“

Wilfried Maehler geht von ganz anderen Zahlen aus. „Wir haben mal ermittelt, dass es in Menden noch etwa 600 solcher Gräben und Stollen geben dürfte.“ Diese enorme Zahl sei in Städten, die in den Fokus alliierter Angriffe rückten, nicht ungewöhnlich. Aus Sicht des Denkmalschutzes teile er die Einschätzung von Stadt und Denkmalbehörde. „Das ist nichts besonderes. Das kann weg.“ Nur beim Bauen könnten die Anlagen stören. Immerhin: Man spare sich das Ausschachten für den Keller.

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