Menden. Mendener Einzelhandel geht von Branche zu Branche anders mit der Weitergabe der Steuer-Senkung um. Die meisten sehen ihren Aufwand nicht belohnt.
Die eine bindet Kunden, der zweite rechnet in Gesamtsummen, der dritte hofft auf ein Nullsummenspiel, und der vierte muss krumme Preise nehmen: Man könnte Romane schreiben darüber, wie Mendens Geschäftsleute mit der coronabedingt gesenkten Mehrwertsteuer umgehen. Die soll jetzt die Kauflust der Verbraucherinnen und Verbraucher anregen. Das funktioniert von Branche zu Branche anders. Eine Stichprobe.
Der Ein-Euro-Shop
An der Unnaer Straße müsste nach Adam Riese alles 97 Cent kosten. Denkste! Das geht erstens nicht, weil man vor wenigen Tagen zum 1,10-Euro-Shop umfirmierte. Und die Einszehn zahlt man als Kunde auch, da gibt’s erstmal keinen Abzug. Allerdings wird der Kassenbon jetzt zum Gutschein. Denn die drei Prozent, erklärt Verkäuferin Dilara Yürtelen der Kundin vor mir, sind darauf schon in Cent umgerechnet, die man sich beim nächsten Einkauf gutschreiben lässt. Bei dieser Kundin macht das heute exakt – 13 Cent. Aber gut, Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist.
Der Supermarkt
Bei Rewe Drath an der Walramstraße wirkt alles wie immer, krumme Preise findet man kaum. Wie die drei bzw. zwei Prozent auch hier an die Kunden weitergegeben werden, erklärt Inhaber Markus Drath: „Die Rewe-Genossenschaft hat das bundesweit geregelt. Die Kunden sparen im Schnitt deutlich mehr als drei Prozent – allerdings nicht bei jedem Artikel.“ So kostet etwa der Wein hier am Mittwoch genauso viel wie am Dienstag, dafür ist die Eigenmarke „Ja“ viel stärker als drei Prozent runtergesetzt. Ein voller Einkaufswagen, und man spart echtes Geld. Doch was ist, wenn jemand nur Wein haben will?
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„Das ist das Problem, über das wir im Markt jetzt mit den Kunden sprechen müssen“, berichtet Markus Drath. Das hätte er seinem Team und den Kunden gerne erspart. Umgekehrt: Jeden Schokoriegel neu auspreisen zu müssen, hätte beim Etikettieren und Programmieren wohl noch viel mehr Zeit gekostet als „nur“ das ganze letzte Wochenende. Erschwerend kommt hinzu, dass bei Drath gerade die Halbjahres-Inventur läuft. Kurzum: Es gibt Menschen, die von der Mehrwertsteuersenkung deutlich begeisterter sind. Im Mendener Buch- oder Hörgerätehandel sind die allerdings auch nicht zu finden.
Der Buchhändler
Buchpreisbindung und kein Verlag, der die Steuersenkung mitmacht: Das heißt bei Daub, dass die Mehrwertsteuer sinkt, die Endpreise aber gleich bleiben. Die Differenz bleibt beim Händler, doch einen Schnitt wird Inhaber Andreas Wallentin nicht machen, wie er sagt: „Ich habe jetzt die Bücher zum alten Steuersatz hier stehen. Aber alles, was wir ab jetzt kaufen, versteuern wir ab Januar wieder mit sieben Prozent. Am Ende wird das für uns ein Nullsummenspiel. Wenn wir Glück haben.“
Stadt Menden schaffte den Termin 1. Juli nicht
Auch Leistungen und Produkte der Stadt Menden unterliegen der Mehrwertsteuer – allerdings war die Stadtverwaltung in der Vorbereitung noch nicht so weit, um bis zum 1. Juli die Senkungen weiterzugeben.
Wie Stadt-Pressesprecher Johannes Ehrlich auf Anfrage der WP weiter erklärte, listet man im Rathaus gerade alle betroffenen Posten, Einrichtungen und auch die technischen Gegebenheiten auf. „Dann wird der Verwaltungsvorstand eine Entscheidung treffen, wie wir als Stadt damit umgehen werden.“
Sobald die Prüfung abgeschlossen ist und der Verwaltungsvorstand entschieden hat, würden die Bürger informiert.
Ansonsten glaubt Wallentin wie auch alle anderen befragten, dass sich die drei Prozent Mehrwertsteuer für die Verbraucher vor allem bei sehr teuren Artikeln lohnen. Für die übrigen Händler stünden Aufwand und Ertrag in keinem guten Verhältnis.
Der Akustiker
Frank Oberkampf hat verhindert, dass seine Kundschaft hochwertige Geräte im Juni ausprobiert, aber erst ab Juli kauft. „Die Juni-Kunden sollten keine Nachteile haben, also haben wir Preisnachlässe gegeben“, berichtet der Hörgeräte-Akustiker von Rottler an der Hauptstraße. Dort findet man sie auch, die krummen Preise: Reinigungstabletten kosten statt 4,95 jetzt 4,83, Trockenkapseln 5,36 statt 5,50 Euro. „Das lässt sich anders nicht gut machen.“
Der Gastronom
Für Vitantonio „Toni“ Castrignano von der Mendener Mühle ist, wie für alle Gastronomen, eine Mehrwertsteuer-Senkung erstmal nichts Neues: Der Satz für Speisen außer Haus war für Restaurants und Gaststätten bereits von 19 auf 7 Prozent abgesenkt worden – jetzt werden fünf daraus, im Sommer ‘21 dann wieder sieben. Das, meint Castrignano, könnte helfen.
Beim Bier dagegen hatten die Brauereien vor Corona eine kräftige Erhöhung vorgenommen, und die, sagt der Mühlenwirt, habe man damals nicht weitergegeben. Deshalb werde der Bierpreis jetzt gleichbleiben.