Menden. Zwar könnten heimische Chöre bald wieder proben, doch wirklich praktikabel sind die Vorgaben nicht. Tobias Holz vom Chorverband erklärt, warum.
Das Coronavirus hat die heimischen Chöre verstummen lassen. Zumindest die gemeinsamen Proben an einem Ort. Die Gesetzeslage erlaubt es ihnen nun aber wieder, sich zum Singen zu versammeln – mit strengen Auflagen versteht sich. Diese aber machen eine Wiederaufnahme des gemeinsamen Musizierens fast unmöglich, heißt es aus der Mendener Chorszene. Tobias Holz vom Chorverband Hönne-Ruhr sieht die Lockerungen aber dennoch als symbolisch wichtigen Schritt.
„Es ist gut, dass an uns überhaupt gedacht wird", erzählt Holz im WP-Gespräch mit Blick auf all die verschiedenen Kulturtreibenden, von denen viele ja immer wieder geäußert hatten, sich von der Politik komplett vergessen zu fühlen in dieser Pandemie. „Insofern machen uns diese ersten Lockerungen ganz viel Hoffnung." Praktikabel anzuwenden für eine tatsächliche Wiederaufnahme der Proben, so erklärt Tobias Holz weiter, werden sie aber in den allerwenigsten Fällen sein. „Bei uns ist mir von keinem einzigen Chor bekannt, der das konkret plant."
Laienchor wird sich schwer tun
Tobias Holz ist Vorsitzender des Chorverbandes Hönne-Ruhr und vertritt damit zahlreiche Chöre aus Menden, Fröndenberg und Balve. Auch im Chorverband NRW engagiert er sich und kann aus seinen dortigen Gesprächen berichten, dass viele die Situation ähnlich einschätzen wie er: Ein Laienchor wird sich mit den geltenden Abstandsregeln sehr schwer tun. Nach aktuellstem Erlass der Landesregierung ist der Mindestabstand in sogenannter Ausstoßrichtung des Gesangs (also nach vorne) nun zwar von zunächst sechs auf vier Meter reduziert worden. Allerdings wird pro Sängerin oder Sänger im Probenraum auch eine Fläche von zehn Quadratmetern veranschlagt. Da braucht es keine großen Rechenkapazitäten, um herauszufinden, dass für ganz viele Chöre ihre gewohnte Lokalität zu klein ist.
Für Laienchöre aber wird schon die große Entfernung zwischen den einzelnen Stimmen zum Problem. Erklären sowohl Tobias Holz, selber aktiver Sänger bei „amante della musica“, wie auch der Mendener Chorleiter Klaus Levermann. Die weiter entfernten Mit-Sänger höre man dann kaum noch, geschweige denn, welche Gesangskulisse dann vorne beim Chorleiter überhaupt noch ankomme. Viele Musiker haben außerdem zur Sicherheit gerne die Nachbarstimme ganz nah bei sich. Auch das wird nun schwierig.
Sängerinnen und Sänger professioneller Chöre können die neuen Gegebenheiten möglicherweise bald meistern, weil jede Stimme für sich selbst hier natürlich sicherer und kräftiger ist, vermutet Holz. Hier geht es ja auch um berufliche Existenzen, im Gegensatz zu den Laienchören. Diese Gruppen in der heimischen Szene, sagt Holz, werden aber wahrscheinlich nicht in eine existenzbedrohende Lage kommen durch den Corona-Shutdown: „Die Chöre finanzieren sich in der Regel durch den Mitgliedsbeitrag und weniger durch Auftritte, Konzerte et cetera. Und ich habe noch nicht gehört, dass Menschen jetzt den Chor verlassen, weil das gemeinsame Singen ruhen muss.“
Überhaupt gilt: „Alle Chöre halten zusammen in dieser Zeit.“ Chorleiter Klaus Levermann (neben VokalArt in Menden dirigiert er den Kirchenchor Fröndenberg und den MGV Volkringhausen) warnt davor, einen Neustart der Proben übers Knie zu brechen, auch wenn man die Abstände einhalten kann. „Ich bin ja auch verantwortlich für die Gesundheit meiner Leute. Und ob ehrenamtliche Vorsitzende dieses Risiko auf sich nehmen wollen...?“ Viele Chorsänger gehören altersbedingt zur Corona-Risikogruppe.
Hoffen auf den Sommer
Für ihn steht fest, dass die Chorszene vor einem Neustart unter anderen, teilweise noch unbekannten Bedingungen steht. Über zeitliche Rahmen dafür sei kaum zu spekulieren. Noch, so sagt Tobias Holz, spekulieren viele Chöre auf einen Start nach den Sommerferien, wenn es dann vielleicht flächendeckend kaum noch Infektionen gibt. Zu Beginn kann man sich auch Proben vorstellen in deutlich kleinerer Runde, aber am gewohnten Ort. Ob nun eine einzelne Stimmlage kommen kann, oder aus jeder eine kleine Gruppe, die dann zumindest aber den vollständigen Chorklang widerspiegelt, ist noch offen.
Einig sind sich beide gerade über den wichtigen sozialen Kitt, den die Gesangsrunden bieten. Und der fehle nun – auch wenn er im elektronischen Miteinander in Chor-Chats oder Whatsapp-Gruppen ein wenig ersetzt werden kann. So können sich die beiden Musiker vorstellen und hoffen darauf, dass irgendwann aus der jetzige Situation mit ihren Einschränkungen und Leerstellen eine größere Nachfrage nach Chormitgliedschaft, nach singen in Gemeinschaft erwächst.
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