Menden. Der spektakulären Barfuß-Flucht eines 39-Jährigen ging an der Kolpingstraße ein Räumungsversuch voraus. Offenbar kämpfte der Mann um die Wohnung.

Die spektakuläre Barfuß-Flucht des 39-jährigen Mendeners, der am Montagnachmittag zwei Polizeibeamte verletzte, hat laut Recherchen der WP eine längere Vorgeschichte. Demnach hatte sich der Mann mit seiner Freundin und deren dreijährigem Kind in die abgesperrte und versiegelte Wohnung an der Kolpingstraße einquartiert. Er soll dort zuvor schon gelebt haben – bis das Mendener Ordnungsamt die Wohnung als baufällig absperrte und den Mann ausquartierte. Er jedoch muss das angebrachte Siegel wieder erbrochen haben und somit widerrechtlich in die marode Wohnung zurückgekehrt sein. Damit brachte er nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern auch die Frau und das kleine Kind. Wie lange die kleine Familie dort wieder lebte, wo sie sich in der Zwischenzeit aufgehalten hatte, ist noch nicht genau bekannt.

Ordnungsamt bat Polizei um Amtshilfe bei der Räumung der baufälligen Wohnung

Entdeckt wurden sie dann aber vom Vermieter, der im Wohnhaus nach dem Rechten sehen wollte und dabei feststellte, dass die Bleibe wieder bewohnt war. Der Vermieter meldete das, worauf das Ordnungsamt die Polizei um Amtshilfe bei der fälligen Räumung der Wohnung bat. Das war der Grund, warum die beiden Polizeibeamten am Montagnachmittag an der Wohnungstür schellten. Die aber blieb zunächst verschlossen, bis die Polizisten lautstark ankündigten, einen Schlüsseldienst zum Öffnen der Tür rufen zu wollen, falls nicht geöffnet werde.

Unvermittelte Attacke überrascht Beamte: Flucht nur auf einer Socke

Was dann geschah, schildert Polizei-Pressesprecher Christof Hüls so: „Gegen 15.30 Uhr kam es nach dem Öffnen der Tür wohl erst noch zu einem kurzen Wortgefecht um die Räumung, dann griff der große und sehr kräftige Mann unsere Beamten unvermittelt an.“ Der erste Polizist, der angesichts der Drohungen sein Pfefferspray bereitgehalten hatte, um den Mendener außer Gefecht setzen zu können, wurde von der Attacke dermaßen überrascht, dass er selbst etwas vom Spray abbekam. Der Angreifer dagegen von dem Spray völlig unbeeindruckt, stürzte weiter aus der Wohnung und traf auf den zweiten Beamten. Dieser Polizist geriet beim Versuch, den Flüchtenden festzuhalten, mit ihm ins Straucheln – beide stürzten zusammen 13 Stufen die Treppe hinunter.

Keine Meldung als Obdachloser

Nach Angaben der Stadtverwaltung kümmert sich das eingeschaltete Mendener Jugendamt „intensiv“ um Mutter und Kind. Weitere Angaben darf Amtsleiter Christian-Peter Goebels aus Gründen des Datenschutzes nicht machen.

Beim zuständigen „Team Integration“ im Rathaus gab es vor dem dramatischen Geschehen an der Kolpingstraße nach Angaben von Stadt-Sprecher Johannes Ehrlich keine Anfrage zu einer Unterbringung aufgrund von (drohender) Obdachlosigkeit.

Zum Thema Obdachlosigkeit, Räumungen und Unterbringung: Generell hält die Stadt Übergangswohnraum bereit, sollte Obdachlosigkeit drohen. Für alleinstehende Männer gibt es eine Unterbringung, genauso wie für Frauen und Familien. Für letztere hält die Stadt eine eigens hergerichtete Wohnung bereit.

Aktuell sind acht Menschen aufgrund von „klassischer“ Obdachlosigkeit in städtischem Wohnraum untergebracht.

Das Team Integration verzeichnet pro Jahr im Durchschnitt etwa 25 Räumungen im Stadtgebiet, bei denen tendenziell Obdachlosigkeit droht. Allerdings ist laut Ehrlich nur in fünf Prozent dieser Fälle auch tatsächlich eine vorübergehende Unterbringung wegen Obdachlosigkeit notwendig. In den übrigen Fällen werde schnell genug anderer Wohnraum gefunden.

Es gebe aber auch in Menden eine „verdeckte Obdachlosigkeit“. Dabei nehmen die Betroffenen die Hilfsangebote nicht an oder geben vor, keine Hilfe zu benötigen. Darüber könne die Stadt aber keine Daten erfassen.

Der Beamte wurde dabei so erheblich verletzt, dass er am Abend noch das Krankenhaus aufsuchen musste. Von den dramatischen Vorfällen im Flur dürfte insbesondere das kleine Kind allerdings so gut wie gar nichts mitbekommen haben, betont Polizeisprecher Hüls. Der 39-Jährige flüchtete indes weiter nach draußen und dann quer durch die Stadt, wobei er keine Schuhe, sondern nur eine Socke trug. Die Polizei hatte zur Verfolgung mittlerweile einige Verstärkung herangeholt, so dass draußen bei Augenzeugen in Menden der Eindruck eines Großeinsatzes aufkam.

Widerstand, Bedrohung, Siegel- und Hausfriedensbruch: Haftrichter entscheidet

Der 39-Jährige flüchtete aber nur in einem großen Bogen wieder zurück zum Wohnhaus. Offenbar hatte er unterwegs soweit beruhigt, dass er sich schließlich widerstandslos festnehmen ließ. Er wurde ins Polizeigewahrsam nach Iserlohn gebracht, wo ein Haftrichter im Laufe des Dienstags über seinen weiteren Verbleibt entscheiden soll. Vorgeworfen werden ihm mehrere Straftaten wie Widerstand, Hausfriedensbruch, Siegelbruch und Bedrohung. Die Polizei zog wegen des beteiligten kleinen Kindes das Mendener Jugendamt hinzu.