Menden. Geschäfte und Gastronomie, Spielplätze oder Schulhöfe überprüft: Nur wenige Verstöße. Erste Lieferung von Lebensmitteln durch die Stadt.
Die Corona-Krise hat das Gesicht der Stadt verändert. In der Innenstadt ist es still, die meisten Geschäfte und nahezu alle Gastro-Betriebe sind geschlossen, es sind kaum noch Passanten unterwegs. Im Rathaus-Parterre ist rotes Sperrband gespannt. Dahinter sitzen Büchereileiterin Veronika Czerwinski und Fiona Allen, daneben steht ein IPS-Sicherheitsmann mit Atemschutzmaske. Ein Besucher kommt herein: „Ich bin im Ordnungsamt angemeldet!“ Vero Czerwinski, deren Bücherei bis 19. April geschlossen ist, überprüft das kurz. Dieser Besucher kann sich indes denkbar überzeugend ausweisen: Er zieht eine Kripo-Marke hervor. Alles klar.
Die meisten Rathaus-Besucher wollen ins Jobcenter: Keine da
Den weitaus meisten Besuchern kann hier allerdings nicht geholfen werden: „80 Prozent wollen ins Jobcenter“, sagt Czerwinski. Und diese Behörde hat im Rathaus nur den Sicherheitsmann dagelassen. Alles andere, das müssen die Stadtkräfte den Ratsuchenden vielfach erklären, läuft nur über die ausgehängten Rufnummern und Mailadressen.
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In diesem Moment kommen Birgit Sturzenhecker und Cornelia Webler vom Ordnungsamt die Treppe herunter. Sie sollen die allererste Lebensmittel-Bestellung für Bürger aus Risikogruppen liefern – und fahren einkaufen. Eine ältere Dame und eine Familie in häuslicher Quarantäne waren die ersten Anrufer auf der städtischen Bürger-Hotline 903-1234, die um Lebensmittel baten. Sturzenhecker und Webler wollen jetzt Kartoffeln, Nudeln und Klopapier im Supermarkt besorgen.
Kontrollen im Zwei-Schicht-Betrieb
Dieser Service der Stadt für Menschen aus Corona-Risikogruppen läuft so, dass städtische Kräfte, von denen sich immer mindestens eine ausweisen kann, den Einkauf samt Bon vor die Tür stellen. Die Bezahlung erfolgt per Überweisung – oder es finden sich vor Ort Mittel und Wege, das kontaktlos zu erledigen.
Stadt will Sicherheitsstandards entwickeln
Spätestens ab nächster Woche will sich die Stadtverwaltung auch mit Einzelhändlern über geeignete Vorsichtsmaßnahmen gegen Ansteckung austauschen. Man könne aber nicht alles auf einmal machen, es gebe eine klare Ablaufplanung.
Zur Sicherheit in den Läden hat die FDP bekanntlich einen Vorschlag gemacht: In Dänemark seien besonders auffällige Markierungen auf Supermarktböden aufgebracht worden, damit die Kunden drinnen die Sicherheitsabstände einhalten.
In Menden, sagt Sebastian Arlt, wolle man mehr: „Wir werden mit den Fachleuten in den Märkten reden und Sicherheitsstandards entwickeln, die überall einzuhalten sind.“
Zugleich hat die Stadtverwaltung laut dem Ersten Beigeordneten Sebastian Arlt begonnen, viele Bedienstete ins Home-Office zu schicken. „Normalerweise arbeitet im Rathaus eine Grundbesetzung von 150 Menschen. Diese Zahl wollen wir als Vorsorge gegen Ansteckung jetzt auf 40 herunterfahren.“
Ordnungsamt auf 18 Kräfte aufgestockt – auch mit ungelernten Kräften
Auf 18 Kräfte aufgestockt hat Arlt indes das städtische Ordnungsamt, das im Rathaus so schon den Spitznamen „Ordnungsamt & Friends“ weg hat. Denn: Die vielen Verfügungen zu Schließungszeiten von Geschäften, Restaurants, Spiel- und Bolzplätzen wollen kontrolliert werden. Dabei greift Arlt – wie bei der Eingangskontrolle – auch auf „ungelernte“ Ordnungskräfte zurück. So fahren Mitarbeiter der geschlossenen Jugendtreffs die Spiel- und Bolzplätze ab, um nachzusehen, wo verbotenerweise noch herumgetobt wird.
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Die Kontrollen laufen neuerdings im Zwei-Schicht-Betrieb. Ärger gab’s bisher wenig: Wo Gaststätten oder Geschäfte noch zu schließen waren, hätten die Betroffenen sogar „eher erleichtert“ reagiert. Schwierig seien Grauzonen: Gartencenter dürfen öffnen, ein Blumenhandel nicht. Arlts Lösung: Gartenbaubedarf darf auch hier verkauft werden, Sträuße bleiben in der Vase.
Auch Missverständnisse seien schon aufgeklärt worden, etwa in der Mendener Pizzeria, die zwar ab 15 Uhr nur noch auslieferte – die Kunden als Abholer dafür aber in langen Schlangen ins Geschäft ließ. „Da kann man sich wunderbar anstecken“, schüttelt Arlt den Kopf. Beim Schließen helfen mussten die Kontrolleure einem Kulturverein an der Kolpingstraße. Auch die größere Jugendgruppe, die sich am Treff Bösperde getroffen hatte, löste sich ohne viel Murren auf.
Wie tief die Corona-Gefährdung auch über Homeoffice und Appelle hinaus ins Private eingreift, zeigt das Veranstaltungsverbot. „Es gab Nachbarn, die uns geplante private Partys angezeigt haben“, berichtet Stadt-Sprecher Johannes Ehrlich. Die hat das Ordnungsamt verboten, und auch das werde kontrolliert.
Schulleitungen sollen mit ins Boot
Größere Gruppen, die durch die Stadt ziehen oder sich auf Spielplätzen treffen, seien meist Jugendliche, sagt Arlt. Um sie besser zu erreichen, will die Verwaltung die Schulleitungen kontaktieren. Die sollen bei ihren Schülern und Eltern über die aufgebauten Online-Kanäle an die Verantwortung appellieren und eindringlich auf den Ernst der Lage hinweisen. „Das“, sagt Arlt, „ist erfahrungsgemäß effektiver als ein Aufruf auf der Stadt-Homepage.“