Menden. Politiker und Unternehmer aus Südwestfalen zeigen sich begeistert vom supermodernen Zentrum zur Berufsorientierung. 40.000 Schüler als Potenzial
„Eine bessere Präsentation habe ich in diesem Ratssaal noch nicht erlebt!“ Mit seinem Lob für Lisa Wetzel, die Geschäftsführerin der Mendener Schmelzwerk GmbH, sprach FDP-Fraktionschef Stefan Weige am Dienstagabend wohl den meisten Politikern und Wirtschaftslenkern aus Stadt und Umgebung aus dem Herzen. Alle hatten soeben die druckfrische Machbarkeitsstudie für eines der größten Menden-Projekte der letzten Jahrzehnte kennengelernt.
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Den Finanzbedarf für das supermoderne Zentrum zur Berufsorientierung in Südwestfalen bezifferte Initiator Hermann-Josef Schulte auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Um aktuell zu bleiben, müssten jährlich weitere zehn Millionen bereitgestellt werden. „Wir kommen jetzt in Dimensionen, die übersteigen die Möglichkeiten jeder Kommune und auch einer Region bei weitem. Das ist eine Riesennummer.“
So blieb den Zuhörern, unter ihnen MK-Landrat Thomas Gemke, am Ende des Abends zweierlei: das Erstaunen darüber, was mit virtuellen Welten heute machbar ist. Und die Hoffnung darauf, dass sie real nach Menden kommen – als Pilotprojekt über die Bundesagentur für Arbeit. Ende 2020, schätzt Schulte, wird man’s wissen: „Wir stehen im Jahr der Entscheidung.“
Schüler können viele Arbeitswelten hautnah erleben
Wenn’s klappt, könnte jede(r) einzelne der 40.000 Schülerinnen und Schüler des Regierungsbezirks Arnsberg in Menden ein unvergessliches Erlebnis mit der eigenen Berufswahl verbinden. Ganze Lebenswege würden hier eingestielt. Denn all die Software, verbunden mit realen und virtuell erweiterten Arbeitswelten, verpackt in Schiffscontainer, dient nur einem Zweck: Junge Leute in die Lage zu versetzen, selbst herauszufinden, welcher Beruf für sie der richtige ist.
Gehen oder bleiben? Ländlicher Raum muss Jugend überzeugen
Lisa Wetzel, die von Google ins Mendener Projekt kam, skizzierte im Ringen um Fachkräfte die dramatische Ausgangslage für den ländlichen Raum.
Die meisten der aktiven Arbeitnehmer, sagt Wetzel, stehen fünf bis zehn Jahre vor der Rente. So viele wachsen nicht mehr nach, und die Arbeitswelt verändert sich.
Verlierer im Kampf um die Köpfe können kleine und mittlere Unternehmen sein. Der ländliche Raum müsse seine jungen Leute von sich überzeugen – und halten.
Heute entscheiden vielfach noch Beziehungen der Vaters, die Empfehlung der Mutter oder der gute Rat des Opas darüber, welchen Berufsweg ein junger Mensch einschlägt – und dann viel zu oft abbricht. Im Schmelzwerk erleben Jugendliche dagegen selbst und hautnah, wie ihre Zukunft aussehen kann. Jede(r) hat dabei die Wahl unter zig Berufen in südwestfälischen Firmen, die dann sofort zu kontaktieren sind.
Empfangen würden die Besucher im Schmelzwerk-Neubau neben der „Event Factory“, die als Großdisco Magnetwirkung entfaltet. Schon die bespielbare Hülle des Neubaus ist außen wie innen aufgeladen mit elektronischen Effekten. Wer zuvor die Schmelzwerk-App aktiviert und eine Selbsteinschätzung eingegeben hat, wird gleich auf entsprechende Berufspfade geführt. Der Erlebnisbereich in den ausgestatteten Containern lässt die jungen Leute dann ihre eigenen Erfahrungen machen.
Aktivierung, Erlebnis, Vermittlung: Drei Säulen für ein Ziel
Sie bewegen sich in echten oder virtuellen Räumen oder in einem Mix aus beidem. Sie lösen Aufgaben, die in der Ausbildung gestellt würden. Sie arbeiten in den in Echtzeit bespielbaren Kuben mit Robotern oder an der Werkbank. Wer dann den Traumjob entdeckt, kann sich gleich an passende Arbeitgeber wenden. „Aktivierung, Erlebnis, Vermittlung, das sind die Säulen der Schmelzwerk-Idee“, sagt Lisa Wetzel.
Eindruck macht auch ein Film zum Prototypen-Test. Wie berichtet, konnten sich im November vier von fünf Hönne-Gymnasiasten nach Durchleben aller Phasen für das Berufsbild des Mechatronikers begeistern. Die Probanden, darunter zwei junge Frauen, hatten zuvor erklärt, mit ihrem Mendener Abitur sofort in Uni-Städte abwandern zu wollen.
Holger Hoffmann, Geschäftsführer der IBG Automation in Neuenrade, zeigte sich begeistert: „Das ist genau das richtige Konzept!“ Was fehle, sei eine Internetseite. Doch die, versprach Wetzel, soll bald folgen.
Für Schulte kommt es jetzt auf den Einsatz heimischer Politiker in Land und Bund für die Mittel an. Menden sei für ihn nicht nur das entscheidende Kriterium für den ehrenamtlichen Einsatz, sondern dank Lage und Umfeld auch der ideale Standort: „Man könnte das auch in Hamburg oder Stuttgart machen, klar. Aber da sind unsere Betriebe nicht.“