Menden. In einer gezielten Attacke haben Unbekannte in der Silvesternacht ein Festzelt mitten in Menden in Brand gesetzt. Sie feuerten auch in die Menge.
Nur das beherzte Eingreifen eines Zeugen hat verhindert, dass es beim offenbar vorsätzlichen Abfeuern von Silvesterraketen in die Menschenmenge auf dem Alten Rathausplatz in der Neujahrsnacht zu einer Katastrophe kam. Augenzeugen berichteten der WP noch in der Nacht, dass die Haare einer jungen Frau durch den Beschuss in Brand gesetzt worden seien. Der Mendener, der direkt neben ihr stand, erstickte die Flammen mit seiner Jacke. Ihm dürfte die Frau zu verdanken haben, dass sie nicht schwerer verletzt wurde. „Als sie sich danach ins Haar griff, hielt sie es büschelweise in Händen“, berichtet ein Zeuge. Sie kam ins St.-Vincenz-Krankenhaus.
Helfer wehrt Gratulationen ab: Rettungstat sei doch „selbstverständlich“ gewesen
Ihr Retter habe sich bei ihr noch für sein robustes Vorgehen entschuldigt. Der Mann, bei dem sich viele, auch die Eltern der Frau, später in der Nacht für seine mutige Tat bedanken, wehrt diese Bekundungen bescheiden ab. Das, meint er, sei „selbstverständlich“ gewesen.
Eine vermummte, bisher unbekannte Gruppe hat bei der Böllerei am Neujahrsmorgen laut Zeugenberichten zunächst mehrere Silvesterraketen vor der Vincenzkirche flach auf den Boden gelegt und sie in Richtung des wenige Meter daneben aufgebauten Festzeltes abgefeuert. Eine Rakete setzt daraufhin die Plastikhaut lichterloh in Brand. Das Zelt steht neben dem Salsa unten an der Kirchtreppe, sodass die flach gezündeten Raketen in Kopfhöhe einschlagen.
Nur weil die Gäste gerade nach draußen gegangen sind, um das Feuerwerk in der Innenstadt zu bewundern, wird im Zelt niemand verletzt. Für die Täter ist das nicht zu erkennen: Sie nehmen offenbar in Kauf, dass Menschen verletzt werden. Dem Salsa-Personal gelingt es unter Einsatz von sechs Feuerlöschern, die Flammen rasch wieder zu ersticken.
Währenddessen macht die Gruppe draußen weiter: Sie schießt jetzt Raketen in die Menge, auch das ist auf Videos zu erkennen. Die Bilder zeigen die Front des Alten Rathauses, und immer von rechts, von der Vincenztreppe aus, heulen Raketen im Tiefflug heran oder sollen offenkundig das denkmalgeschützte Gebäude treffen. Die junge Frau in der Menge wird von einem Feuerwerkskörper getroffen und muss nach dem Ablöschen ihrer Haare ins Krankenhaus gebracht werden.
Hoffnung ruht auf Videos
Salsa-Wirt Jozeh Ramazani zeigt sich vor dem Zelt fassungslos: „Das war eine gezielte Sache. Unglaublich.“ Seit mehreren Jahren seien die Silvesterfeiern am Salsa immer friedlich abgelaufen. Tatsächlich wirkt die Attacke ausgerechnet auf das Salsa-Zelt fast wie ein schlechter Witz: Ramazani hatte gerade erst vor wenigen Tagen erklärt, in diesem Jahr auf ein eigenes Feuerwerk zu verzichten. Das Geld dafür spendete er dem Kindergarten „Kleine Freunde“ am Nordwall. Aus Ramazanis 500 Euro sind durch Zuspenden inzwischen sogar 1000 Euro geworden.
Anzeigen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung
Als die Polizei mit zwei Streifenwagen am Ort des Geschehens eintrifft, haben sich die Täter davongemacht.
Laut der Wache liegen Anzeigen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vor.
Ob darunter auch die Frau erfasst ist, deren Haare gebrannt hatten, war am Mittwochabend noch unklar.
Seine Zeltfeier findet mit dem Beschuss ein denkbar unschönes Ende, zumal das aufgebaute Essen im Zelt durch den Löschschaum ungenießbar geworden ist. Die Gäste hält dies allerdings nicht vom Feiern ab: Als der Schreck überwunden ist, wird das neue Jahr im Salsa und im „Wo anders“ wieder fröhlich begrüßt – wie üblich bis zum Hellwerden.
Mutmaßliche Täter laufen vor den Handy-Aufnahmen davon
Die Hoffnung der Polizei ruht nun auf Handy-Aufnahmen, die Besucher des Feuerwerks von der gewalttätigen Gruppe auf der Treppe und auf der Flucht erstellt haben. Darauf sind einige der mutmaßlichen Täter zu erkennen. Andere haben sich zusätzlich zur übergezogenen Kapuze die Gesichter mit Schals oder Tüchern vermummt. Auch dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich um eine geplante Aktion gehandelt hat.
Nach dem Brand trollt sich die Truppe, die an einen Schwarzen Block erinnert und Kapuzenpullis und Rucksäcke trägt. Erst als einige bemerken, dass sie gefilmt werden, beginnen sie in Höhe des Neumarktes wegzulaufen.