Dortmund/Menden. Die frühere Kamener Vize-Bürgermeisterin soll über Jahre Firmengelder ihres Arbeitgebers in Menden und Kamen veruntreut haben.
Über Jahre hinweg soll die frühere Vize-Bürgermeisterin Kamens immer wieder Firmengelder abgezweigt und unter einem Vorwand auf ihr eigenes Konto überwiesen haben. Und das sowohl am Firmensitz in Kamen wie auch in einer Zweigstelle des Elektrofachmarktes in Menden. Am Landgericht Dortmund ist nun der Prozess gestartet.
Neunfaches Jahresgehalt überwiesen
Die Vorwürfe wiegen schwer. Die Anklage der Staatsanwaltschaft listet am ersten Prozesstag am Landgericht Dortmund 157 Fälle auf. Allein die Anklageverlesung dauert rund eine dreiviertel Stunde – und dabei sind lediglich die Taten angeklagt, die noch nicht verjährt sind. Zwischen Juni 2012 und März 2017 soll die 58-Jährige insgesamt rund 460.000 Euro unterschlagen haben. Den Entschluss, Unternehmensgelder abzuzwacken, fasste Werning demnach bereits 2007. „Aus finanziellen Problemen heraus“, wie es Staatsanwältin Marieke Alberty in der Anklageverlesung vorträgt. Dabei habe Werning „gewerbsmäßig gehandelt“. Denn die 58-Jährige war unter anderem für die Lohnbuchhaltung am Stammsitz in Kamen und in der Zweigstelle in Menden zuständig.
Der Trick, mit dem die in Teilzeit angestellte Buchhalterin vorgegangen sein soll, war dabei immer ähnlich. Sie habe die Überweisungen als Gehaltszahlungen für andere Mitarbeiter verschleiern wollen, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Immer wieder habe sie die Sammelbuchungen ihren Chefs vorgelegt, die diese im guten Glauben unterzeichneten.
Beispielhaft stehen die Zusammenfassungen der einzelnen Jahre: Haben ihr 2012 als Buchhalterin rund 6300 Euro Nettolohn zugestanden, sind Überweisungen in Höhe von insgesamt 42.000 Euro in mehreren Tranchen verzeichnet. In den Folgejahren fällt der Schaden laut Staatsanwaltschaft noch höher aus. 2014 hätte sie eigentlich nur knapp 11.000 Euro verdienen sollen, auf dem Konto landeten allerdings rund 80.000 Euro; 2016 waren es fast 90.000 Euro. Hinzu kommen Gelder, die sie unter ähnlichem Vorwand in der Mendener Filiale abgezweigt haben soll. Zwischen 2012 und 2017 waren das immerhin rund 100.000 Euro.
Politikerin führte ein Doppelleben
Nur durch einen Zufall sind die Vorwürfe gegen Wernings überhaupt zustande. Bei einer Kostenstellenabrechnung hat ein Vorgesetzter laut WP-Informationen einzelne Posten addiert. Dabei sei aufgefallen, dass dies nicht mit den Unterlagen zusammenpasst. Anschließend sei man im Unternehmen misstrauisch geworden. Mehrmals seien im Nachgang die Bücher geprüft worden. Erst nach und nach fiel das ganze Ausmaß des Betrugs schließlich auf.
Strafmaß für Taten aufwändig zu bestimmen
Die Taten der Kamenerin werden als „gewerbsmäßig“, also besonders schwerer Fall gewertet.
Zwar sieht der Gesetzgeber in solchen Fällen eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor. Wie die Strafzumessung letztendlich aber ausfällt, ist noch unklar.
Dr. Thomas Jungkamp, Pressesprecher am Landgericht, erklärt, dass es bei einer solchen Reihe an Taten auf die höchste Einzelstrafe ankomme. Diese werde um „einen angemessenen Faktor“ erhöht. Wie dieser aussieht, oder was das am Ende für das Gesamtstrafmaß bedeutet, könne er nicht sagen.
Mehrere Stunden soll Werning jedes Mal damit zugebracht haben, die Buchungen zu verschleiern – und das so gut, dass selbst Experten nicht jeden einzelnen Buchungsvorgang nachvollziehen können, wie es heißt.
Dabei führte die 58-Jährige über Jahre ein regelrechtes Doppelleben. Zwischen 2014 und 2017 war sie zweite Stellvertreterin des früheren Kamener Bürgermeisters Hermann Hupe (SPD). Als Presbyterin war sie sogar in der Evangelischen Kirchengemeinde engagiert – als kaufmännische Angestellte in ihrem Unternehmen kümmerte sie sich unter anderem auch um Finanzen der Kirchengemeinde. Sie galt in Kamen als angesehene Frau.
Nach Bekanntwerden der Ermittlungen trat die frühere Grünen-Politikerin im April 2017 von allen Ämtern zurück.
Prozess wird fortgesetzt
Bereits vor rund zwei Jahren gab es am Arbeitsgericht Dortmund eine Verhandlung über die Taten Wernings und den Schaden für ihren früheren Arbeitgeber. Sie einigte sich mit dem Unternehmen bereits auf einen Vergleich in Höhe von rund 800.000 Euro. Davon soll die Angeklagte laut WP-Informationen bislang nur einen Bruchteil im vierstelligen Bereich zurückgezahlt haben. Was mit dem übrigen Geld passiert ist, ist unklar.
Nach der Anklageverlesung war der Verhandlungstag auch schon wieder beendet. „Das wollen wir jetzt erst einmal sacken lassen“, so der vorsitzende Richter Thomas Beumer. Mehr sei am ersten Verhandlungstag ohnehin nicht geplant gewesen. Für ihren Strafprozess hat Bettina Werning bereits eine umfangreiche Aussage über ihren Verteidiger angekündigt. Die Verhandlung am Landgericht Dortmund wird am 29. November fortgesetzt.
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