Menden. Der Ruhestand war keine Option: Der Nachbarsfamilie Klotz von der Mühlenbergstraße half der Elektromeister im Betrieb bis ins hohe Alter.

Als Friedrich Wilhelm Schneider beim Mendener Unternehmen Klotz an der Hämmerstraße seinen allerletzten Arbeitstag hat, ist der Elektromeister 85 Jahre alt. Offiziell ist der Mendener schon längst in Rente, doch auf 450-Euro-Basis hat er bei der Klotz GmbH mehr als zwei Jahrzehnte lang weitergemacht. Hinter diesem höchst seltenen Spätruhestand steckt eine ganz besondere Geschichte: die Geschichte einer jahrzehntelangen Familienfreundschaft.

Sie beginnt vor 57 Jahren an der Mühlenbergstraße, wo Franz und Maria Klotz ihr Wohnhaus mit angeschlossener Werkstatt bauten. Für ihren Sohn Andreas, damals ungefähr drei Käse hoch, sollte es sein Elternhaus werden, und es lag dem Haus der Schneiders genau gegenüber. „Der Andreas fuhr damals auf seinem kleinen Kinderfahrrad rum“, schmunzelt Friedhelm Schneider. Heute sitzt er mit seiner Frau Dorothea, die er 1964 ehelichte, in Andreas Klotz’ Geschäftsführerbüro an der Hämmerstraße.

Viel unterwegs gewesen

Denn aus dem kleinen Andreas von einst ist längst ein gestandener Unternehmer geworden, der die drei Standorte des elterlichen Betriebs für Metall- und Stahlwaren an Mühlenberg- und Werler Straße sowie auf dem Baufa-Gelände im Jahr 2013 in einem modernen Betriebsgebäude für mehr als 30 Beschäftigte zusammengefasst hat.

Zurück an die Mühlenbergstraße: Von Anfang an sind hier die Familie Klotz und die Schneiders, die selbst zwei Kinder haben, ein Herz und eine Seele. Will Doris Schneider mal telefonieren, geht sie einfach rüber, denn die Nachbarn haben schon einen dieser hochmodernen Fernsprechapparate: Modell W 48, das W steht für „Wählscheibe“. Aufbewahrt haben sie es bis heute.

Beruf als Hobby empfunden

Umgekehrt: Wenn’s bei Familie Klotz im Betrieb stromtechnisch irgendwo hakt, ist Friedhelm Schneider zur Stelle. Hauptberuflich ist und bleibt der gebürtige Neuenrader, der mit 19 Lenzen nach Menden kam, hier bei der AEG. Ihr bleibt er fast sein ganzes 40-jähriges Berufsleben lang treu, fertigt und repariert Schaltschrank-Anlagen für Bergbau, Kraftwerke und Schiffe in ganz Deutschland. Bis ihn ein Hörschaden mit Anfang 60 in die Rente zwingt.

Auch bei Klotz hat der Techniker Schneider da schon über viele Jahre ausgeholfen, wann immer Not am Mann war. „Das war einfach Nachbarschaftshilfe“, sagt er. Und weil er den wachsenden Betrieb an der Mühlenbergstraße gut kennt, wird er auch nach dem Wechsel in den Ruhestand immer wieder gebeten, hier und da nachzusehen. Daraus erwächst schließlich ein neues Arbeitsverhältnis, bei dem man zwar nicht reich werden kann, doch das ist Friedhelm Schneider wurscht: „Das war für mich wie ein Hobby. Ich wollte immer fit und auf dem Laufenden bleiben“, sagt der Techniker, und seine Frau nickt.

Mit 76 noch Solaranlage gebaut

Und wie er auf dem Laufenden geblieben ist! Als ihm die Firma einen PC samt Drucker und einem Kursus „Senioren-Führerschein fürs Internet“ am Berufsbildungszentrum Iserlohn schenkt, arbeitet sich Unruheständler Schneider intensiv auch in die virtuelle Welt ein – „heute kann er sich nicht mehr vorstellen, ohne Internet auskommen zu müssen“, lacht Andreas Klotz. Am Bildschirm entwirft Schneider auch komplexe Konstruktionen: Zur Landesgartenschau 2010 in Hemer baut er eine Solaranlage für ein Ausstellungs-Exponat – einen überdimensionalen Fingerhut. Mit 76.

Das Abschiedsbild: Friedhelm Schneider mit Belegschaftsmitgliedern der Firma Klotz an der Hämmerstraße.
Das Abschiedsbild: Friedhelm Schneider mit Belegschaftsmitgliedern der Firma Klotz an der Hämmerstraße. © Klotz

Jetzt aber ziehen die Schneiders, beide noch fit, nach München, wo ihr Sohn lebt. Damit endet nun auch bei Klotz die Ära Schneider. Und noch während wir darüber sprechen, betritt eine junge Angestellte das Büro, um sich liebevoll von Friedhelm Schneider und seiner Frau zu verabschieden. „Der Friedhelm war hier immer beliebt – und hoch respektiert“, sagt Andreas Klotz. „Jeder, einschließlich mir, wünscht sich, in seinem Alter noch so fit zu sein!“

Abschiedsbild mit Drohne

Ein großes Abschiedsbild mit den Schneiders und allen Beschäftigten haben sie an der Hämmerstraße auch noch geschossen – aus der Luft. Jetzt müssen sie hier ohne ihn auskommen. So schwer es allen fällt.